- Rein/Reiner /Am reinsten
- 100.000/1.000/10 – Schwarz/Grau/Weiß
- Exkurs mit Jörg Vierhaus am Reinraum
und zur Chip-Produktion
- Es ist nicht einfach, Kompliziertes
einfach auszudrücken
Anfang August 2023 bin ich mit Dipl.-Ing
Jörg Vierhaus in der Otto-von-Guericke Universität Magdeburg verabredet.
Ein paar Tage vorher sah ihn der
Journalist Jan Hofer in seinem „Handelsblatt“-Artikel „Im Sog der
Intel-Milliarden“, und die „Volksstimme“ stellte Jörg Vierhaus im Juni für
seinen „Saubersten Arbeitsplatz der Uni“ ein Reinlichkeitszeugnis aus.
Auf dem Campus der Uni Ruhe, kaum
Betrieb, nur wenig Menschen. Die Vorlesungszeit war an dem frischen Sommertag
schon seit zwei Wochen passe, so dass die Prüflinge in den gerade laufenden
Klausuren nicht infolge der Temperaturen schwitzten. Ich treffe Jörg Vierhaus auf
dem Flur vor dem Halbleiterlabor, in dem sich, wie sich herausstellten sollte, nach
dem Matroschka-Prinzip, ein weiterer Raum befindet.
Herbert Beesten und Jörg Vierhaus
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Es entwickelt sich in der 3. Etage des
Gebäudes der Fakultät Elektrotechnik ein anregendes Gespräch von Ingenieur zu
Ingenieur. Auf der einen Seite, der aus dem fränkischen Erlangen stammende
Vierhaus, Werkstoffwissenschaftler, der mittlerweile sein silbernes
Magdeburg-Jubiläum gefeiert hat, auf der anderen der ehemalige Münsterländer
und Ingenieur für Automatisierung. Uns einte neben der „Technik im Blut“, dass
wir uns das rollende „R“ in der Aussprache abgewöhnt hatten und die Vokale
nicht mehr so dehnten. Seit Magdeburg wegen der Intel-Ansiedlung weit über die
Grenzen von Sachsen-Anhalt hinaus im Gespräch ist, wird mittlerweile im überregionalen
Deutschlandfunk und in der Tageschau Magdeburg meist korrekt mit einem kurzen „a“
ausgesprochen. Das ist doch schon mal ein Achtungserfolg.
Chip-Crash Kurs
Jörg Vierhaus ist an der Magdeburger
Otto-von-Guericke-Universität (OvGU) verantwortlich für den Reinraum mit einer
kleinen Chip-Entwicklungslinie. Bis vor kurzem, und wegen der Intel-Ansiedlung
neuerdings erst recht wieder, werden hier Mikrotechnologen ausgebildet.
Studierende werden ihr Bachelor-, Master- und Promotionsstudium in der neuen
Abteilung, der „Advanced Semiconductors Technologies“, absolvieren.
Weißer Overall, Überschuhe und Haarhaube
gehören für uns beide bei der Annäherung an den Reinraum zum obligatorischen
Outfit, als wir das Halbleiterlabor betreten. So kenne ich Jörg Vierhaus auch
schon aus meinen Recherchen, war er doch in den Medien kaum einmal in „Zivil“ zu
sehen.
Eine Klimaanlage rauscht, irgendetwas summt,
ab und zu ein Piepen, so dass wir mit etwas angestrengter Stimme sprechen müssen.
Rundherum Rohrleitungen, Gestänge und elektronische Geräte. Kontrolllampen
blinken. „Der Reinraum für die Halbleitertechnologie ist der Raum dort,“ so
Vierhaus, „also ein Raum im Raum.“ Wir stehen an einem Glaskasten in der Mitte
des Halbleiterlabors, dem Ausgangspunkt für unsere Runde. Vorbei an technischen
Apparaten und Leitungen haben wir Einblicke in den Reinraum, und mein Gastgeber
startet auf meinen Wunsch hin mit einem kleinen Crashkurs in Sachen Chip-Produktion,
der meinen Blick auf das Magdeburger Intel-Projekt abrunden soll. Danach werde
ich versuchen, mein neu erworbenes Wissen möglichst einfach und ohne Anspruch
auf Vollständigkeit dem Leser und der Leserin näherzubringen. Aber für mich, meine
Leser und Leserinnen gilt: Wenn man mitreden will, sollte man die technischen
Hintergründe einer Chip-Pro
duktion in etwa kennen.
Schwarz-Grau-Weiß
Hatte ich zuerst gedacht, mich schon
im eigentlichen Reinraum aufzuhalten, so werde ich eines Besseren belehrt. Wir
befinden uns zwar innerhalb des Halbleiterlabors – aber noch „out of he clean
box“, im so genannten „Graubereich“. Der Flur vor dem Halbleiterlabor ist der „Schwarzbereich“.
Also je dreckiger, desto dunkler. Aber „dreckig“ ist natürlich relativ, denn im
Flur sieht alles sauber aus. Der
Unterschied liegt darin, dass „rein“ nicht gleich „rein“ ist. Nach einer amerikanischen
Norm gibt es feine Unterschiede. Im Graubereich sind pro Kubikfuß (28,3 Liter
oder 1/35 Kubikmeter Luftvolumen) 10.000 bis 100.000 Partikel einer bestimmten
Partikelgrößenverteilung vorhanden. Dafür gibt es spezielle Messgeräte in den
Räumen, die ständig diese Werte überwachen und gegebenenfalls Alarm schlagen,
denn die Partikel sind mit dem bloßen Auge nicht zu erkennen. In dem eigentlichen
Reinraum sind nur 10 bis 100 Partikel je Kubikfuß zulässig. Das ist der weiße
Bereich. „Ist das der Grund, warum wir nicht in den eigentlichen Reinraum
gehen?“, frage ich den Reinraumspezialisten. „Ja, wir müssten zusätzlich durch
eine Schleuse, in eine andere Schutzkleidung steigen und uns mit eienm Luftstrom
‚duschen‘, damit auch die kleinsten Partikel von unserer Kleidung entfernt
werden.“ So bleiben wir in unserem weißen Schutz-Outfits graue Mäuse.
Der Raumlufttemperatur muss immer bei 21
Grad Celsius plus/minus 1 Grad, die relative Luftfeuchte bei 45% plus/minus 5%
gehalten werden. Der Reinraum hat immer etwas Überdruck gegenüber der Umgebung,
damit durch mögliche Ritzen und Spalten keine „graue“ Luft eintreten kann. „Die
gleichen Prozessbedingungen sind für die Reproduktion von Versuchs- und
Produktionsreihen sehr wichtig,“ erklärt der Halbleiterspezialist.
Die Reinheit des laminaren Luftstroms (gleichmäßige
Strömung, keine verwirbelte turbulente Strömung) wird mit hochfeinen Filtern erreicht,
mit einem Luftstrom von oben nach unten. Fällt ein Teil zu Boden, darf es im
Reinraum nicht mehr verwendet werden.
Die Klimatisierung benötigt viel
Energie, deswegen wird, anstatt immer neue Luft von außen anzusaugen, mit
Umluft gearbeitet, wie auch später bei der Intel-Produktion. Solche Anlagen
laufen rund um die Uhr im Mehrschichtbetrieb.
„Die Anlagen in der
Halbleiterindustrie generell und erst recht später bei Intel in Magdeburg muss
man sich viel größer vorstellen,“ sagt Vierhaus und zeigt dabei in Richtung
Süden, wo die Intel-Fabriken entstehen sollen: „Hier an der Uni ist alles im
Minimaßstab und stellt nur einen Teil der Prozesskette dar“.
Schritt für Schritt zum Chip
Die Chip-Produktion wird in
Prozessschritte aufgeteilt:
- Der Frontend Prozess beginnt der
mit einem blanken Silizium-Wafer und endet mit dem fertig strukturierten Wafer.
Das ist der Prozess, der bei Intel in Magdeburg geplant ist.
- Beim Backend Prozess, wird der fertig
strukturierte Wafer, auf dem bis zu ca. 100 Chips enthalten sein können, in
einzelne Chips zersägt. Dann erfolgt die Aufbringung auf einen Träger,
Verbindungen zu den Anschlüssen werden mit feinsten Drähten hergestellt
(Bonding). Zum Schluss werden die Chips in ein Gehäuse gefasst. Das soll mit
den in Magdeburg produzierten Wafern später in der Intel-Fabrik in Polen geschehen,
so dass für Intel in Europa komplett der Frontend- und Backend-Prozesse
vorhanden sein wird.
Wir setzen unseren Rundgang um den
Reinraum fort. „Ich bin ein Front-End-of-Line-Mensch,“ gesteht mir Jörg
Vierhaus. Das ist ein Teil des Frontendprozesses, der als Schwerpunkt von
Forschung und Lehre hier im Reinraum der Uni möglich ist.
Ich entdecke Behälter und Rohrleitungen,
beschriftet z.B. mit „Druckluft“, „NG-Erdgas“, „3N₂-Stickstoff“, „Sauerstoff O₂“,
„2N₂-Stickstoff“ … usw. Meine Frage: „Was ist das und wofür wird das
gebraucht?“
Wasserspülung
„Das sind chemische Substanzen und
Prozessgase, die für die einzelnen Produktionsschritte notwendig sind,“ lautet
die Antwort. „Und was bedeutet DI-Wasser?“, frage ich weiter, weil ich die
Bezeichnung an einer Leitung sehe. So lerne ich, dass DI für deionisiertes
Wasser, also für Reinstwasser steht.
Das Thema Wasser wird im Rahmen der
Intel-Ansiedlung kontrovers diskutiert. Da hake ich gleich nach: „Wie machen
Sie das denn hier mit dem Wasser?“
„Wir verwenden SWM-Trinkwasser aus der
Leitung, machen daraus destilliertes Wasser. Mit Hilfe von Ionenaustauschern wird
durch Umkehr-Osmose das Wasser von organischen und mineralischen Stoffen
gesäubert. Das Wasser verliert seine elektrische Leitfähigkeit und wird über
eine Ringleitung den Prozessen zugeführt.
Reinstwasser wird für Spülvorgänge, zusammen
mit flüssigen und gasförmigen Chemikalien benötigt. Es sind bei der
Chipherstellung zwischen den Prozessschritten, je nach Anzahl der Schichten und
der Komplexität, bis zu einigen hundert Spülvorgänge je Wafer notwendig,“
erläutert der Halbleiterspezialist.
„Und dann?“, insistiere ich, um mein Gegenüber
etwas zu provozieren.
„Wir bereiten auch hier das gebrauchte
Wasser wieder auf, so dass nur ein Teil davon, dann ph-neutralisiert, in das ‚normale‘
Abwasser gelangt.“
„Gibt es eine Kennzahl, wieviel Wasser
pro Chip oder Wafer gebraucht wird?“
„Es gibt von dem Branchen-Verband IRDS
Richtwerte, abhängig vom Prozess- und Chip-Typ. Daraus kann man nur bedingt
hochrechnen, wie viel Wasser bei Intel in Magdeburg benötigt wird. Ich kann mir
vorstellen, dass eine Wiederverwertungsquote im Wasserkreislauf von 95 bis 97%
angestrebt wird. Aber dazu müsste ich die geplanten Produktionsmengen kennen,
also, wie hoch die Anzahl der Wafer ist, die je Tag neu in den Produktionsprozess
starten. Die kann man nur grob mit 5.000 bis 6.000 abschätzen. Sicherlich wird
die Abwasserbehandlung bei den Mengen nicht nur aus der ph-Neutralisation
bestehen, wie bei den kleinen Mengen an der Uni, sondern neben der Salzlast müssen
andere Stoffe minimiert werden.“
Wir bewegen uns in einen schmalen Gang
hinein. Rechts technische Messgeräte, Behälter und für mich nicht
identifizierbare Apparate, die über Kabel, Schläuche und Leitungen mit dem
Inneren des Reinraums auf der linken Seite verbunden sind.
Jörg Vierhaus ist nun in seinem
Element, legt los und benennt den einen und anderen Apparat: „Hier ein Elektrodenstrahlverdampfer,
dort ‚Backöfen‘ für LPCVD-Prozesse, in denen in einer speziellen Atmosphäre
Wafer ‚gebacken‘ werden. Das ist eine Plasma-Sputterkammer, da hinten Turbopumpen
zur Vakuumerzeugung, hier wird Aluminium-Chlorid aufbereitet, da, hinter der
Glasscheibe, sind Clusteranlagen und ein Wafer-Manipulator, da geht es um MOS-FET-Transistoren,
die Schichten werden mit Piranha-Säure, angegriffen, FOUP…“ Mir klingen die
Ohren. Gut, dass ich mein Aufnahmegerät mitgenommen habe.
Physik oder Chemie?
„Ist die Chipherstellung eigentlich
mehr Physik oder mehr Chemie“, ist meine logische Frage nach den Aufzählungen,
die mein Gegenüber mit einem wohlwollenden, fast euphorischen Unterton
beantwortete: „Von allem etwas, auch Werkstoffwissenschaften gehören dazu, von wo
ich komme, viel Chemie, viel Festkörperphysik. Das macht die Sache ja so
spannend und interessant, eine Mischung, in der sich jeder wiederfindet.“
Was hatte mein Gastgeber gesagt? „Ich
bin ein Front-End-of-Line-Mensch.“ Wir sind nun an der Stelle, wo er mir „Front
end of line“ gut erklären kann. Es bedeutet, dass hier aktive Bauelemente, wie
z.B. die Strukturen für Feldeffekt-Transistoren auf den Wafer aufgebracht
werden. Ebenso auch Strukturen für passive Bauelemente wie z.B. Kondensatoren
und Widerstände. An dieser Stelle werden an der Uni Chips für Sensorik hergestellt.
Er zeigt mir als Beispiel einen Feuchtesensor „in natura“ als ein circa ein mal
zwei Zentimeter großes, silbriges, strukturiertes Plättchen.
Bei „Backend of line“ dagegen gehe es
um die Mehrlagenmetallisierung der Stromleitungen und Signalwege, also um die
Verbindungen der Bauelemente auf den Wafer untereinander und zu den Anschlüssen
des späteren Chips nach außen. Dafür entstehen in diesem Prozessschritt Strukturen
für die elektrische Verbindungen auf beiden Seiten des Wafers.
„Und diese Strombahnen sind bei Intel nur
2 Nanometer, also 0,0002 mm dick? Ein
menschliches Haar ist ja zehntausendmal dicker!“, platze ich heraus.
Die Rechnung habe ich aber ohne Jörg
Vierhaus gemacht, er klärt mich auf: „2 Nanometer tief oder breit sind
Veränderungen in den Oberflächen der Einkristalle, um durch Dotierungen
bestimmte Eigenschaften zu erreichen. Leiterbahnen sind deutlich dicker und
höher, auch mal dicker als ein Haar. Daran wird auch ersichtlich, dass kleinste
Partikel in der Luft sehr stören können. Da wird zuerst ein Graben geätzt, der
dann mit Kupfer gefüllt wird. Und weil sich die verschiedenen Leiterbahnmaterialien
nicht direkt ‚vertragen‘, kommt Wolfram als Puffer dazwischen.“ Das war schon
fast literarisch erklärt, lobe ich meinen Gesprächspartner.
Wir sprechen über die Lithographie-Technik,
mit der das fotoempfindliche Material auf den Wafern belichtet wird. Dafür wird
der UV-Anteil des Tageslichtes durch orangefarbene Folien an den Fenstern ausgesperrt.
Dann geht um Vergleiche der Unianlage mir der geplanten Intel-Chip-Fabrikation.
Dort werden auf einem Chip mehr als eine Milliarde Transistoren untergebracht,
basierend auf einem 300-mm-Wafer in der 2-Nanometer-Technologie. An der Uni
sind es maximal einige tausend Transistoren je Chip auf 150-Milimeter-Wafern in
der fünfhundert Mal größeren 1µm-Mikrotechnologie. Außerdem wird der
Automatisierungsgrad bei Intel extrem hoch sein, durch Robotik und automatische
Transportsysteme. Die umgebende Technik für Ver- und Entsorgung der Prozesse
wird auf dem neuesten Stand der Technik sein. Es geht auch um eine ganz andere Produktionsgröße.
Ich rechne: Bei z.B. 5.000 Wafer-Starts je Tag und einer Prozessdauer von 3-4
Monaten (wegen der vielen Prozessschritten dauert der Durchlauf im
Fertigungsprozess so lange) wären bis zu einer haben Millionen Wafer
gleichzeitig im Produktionsprozess. Hier
an der Uni sind es bei Versuchsprozessen vielleicht gleichzeitig 10. Aber hier
kann man das, was bei Intel hinter Verkleidungen, in Kabel- und
Leitungsschächten und Zwischengeschossen versteckt sein wird, sehen und
anfassen. Das ist für die Ausbildung ein Vorteil.
Perspektive
Doch genug. Technik kann auch einen
Technik-Freak wie mich „erschlagen“. Ich mache noch ein paar Fotos, dann entledigen
wir uns der Schutzkleidung und setzen uns noch „in Zivil“ ins Office von Jörg
Vierhaus.
Nun im Fokus: Die zukünftigen
Ausbildungsmöglichkeiten für Berufsgruppen, die auch, aber nicht nur, bei Intel
in Magdeburg arbeiten könnten.
„Wie sieht es hier in 10 Jahren aus, wenn
meine heute achtjährige Enkelin, die, ganz wie der Opa, sich für Technik und
Mathematik interessiert, hier vielleicht einmal ‚Advanced Semiconducter
Nano-Technologies‘ studieren möchte?“, spekulierte ich.
„Dann sieht sie einen Neubau mit einem
viel größeren Reinraum, mit neuem, modernem Equipment und neuer Infrastruktur
für mehr Studierende. Jetzt können wir hier 2 bis 4 Praktikumsplätze anbieten, im
Neubau werden 20er-Gruppen möglich sein. Die technologische Ausrichtung wird
geändert, weg von der reinen Siliziumhalbleitertechnologie hin zu Verbindungshalbleitern,
die wir mit Silizium „verheiraten“. Die Physiker hier an der Uni sind führend bei
Gallium-Nitrid-Prozessen für Laser-, LED- und Opto-Systeme mit weniger
Verlustleistung und schnellen Schaltzeiten,“ lautet die prompte Antwort.
„Ist das ein Plan oder noch Vision?“, hinterfrage
ich.
„Doch, so wird es kommen,“ ist sich
mein Gesprächspartner sicher.
Weiter führt er aus, dass meine
Enkelin mit einer Ausbildung zur Mikrotechnologin anfangen könnte, um sich dann
nach einem Jahr zu entscheiden, ob sie die praktische Berufsausbildung
weitermachen oder ins eher theoretische Studium wechseln möchte.
„Wird hier denn nur für Intel
ausgebildet?“, frage ich.
„Nein, aber Intel engagiert sich schon
im Ausbildungsbereich mit Laborausstattung, unterstützt uns beim Ausbildungsgesamtkonzept
für die Mikrotechnologenausbildung, das Bachelor- und Masterstudium bis hin zu
Promotionen.
Ein wichtiger Gedanke dieser breiten
Ausbildung ist die Möglichkeit, Erfahrungen in Produktionsteams in der Chip-Produktion
zu machen, denn nicht nur bei Intel, sondern auch bei anderen Chip-Produzenten
in Sachsen, in Süddeutschland und im Ausland sind solche Teamplayer gesucht.
Die Uni selbst braucht auch selbst Nachwuchs, wenn das neue Gebäude steht,“ ist
sich Vierhaus sicher und führt weiter aus, dass die neuen Intel-Mitarbeiter und
-Mitarbeiterinnen nach der Einstellung in den speziellen Produktionsprozessen bei
Intel in den USA oder Irland geschult werden.
„Halten Sie Ihre Enkelin unbedingt auf
dem Laufenden darüber, was hier alles in den nächsten Jahren passiert. Gerade
Frauen sind in dieser Branche noch unterrepräsentiert und deshalb sehr
willkommen,“ fügt er an.
Ich zweifle: „Aber ist in 10 Jahren
die 2-Nano-Technologie nicht out, die hier in Magdeburg etabliert werden soll,
weil sie am technischen und physikalischen Limit ist?“
„Die Grenzen liegen wahrscheinlich im Bereich
1,1 bis 1,2 Nanometer, weil dann die Quanteneffekte problematisch werden. Aber
da passt es gut, dass Professor Strittmatter aus unserem Fachbereich als
Quantenspezialist viel Know-how mitbringt.“
Ich bedanke mich für das Interview und
überlege, wenn meine Enkelin demnächst wieder zu Besuch in Magdeburg ist, mit
ihr den Reinraum in Augenschein zu nehmen. Ich bin sicher, dass einer der Funken,
die Jörg Vierhaus mit seinem Engagement für die Chip-Technologie versprüht, auch
auf meine Enkelin überspringt und sie ihr Interesse an Technik behalten und
vertiefen wird.
„Osanna“ und „Credamus“
Nach dem Gespräch auf dem Heimweg, fahre ich mit dem Fahrrad am Magdeburger Dom vorbei. Da vernehme ich, ungewöhnlich zu dieser Zeit, es ist gerade keine volle Viertelstunde, Glockenschläge vom Domturm, die die Luft mit einem vollen dunklen Ton zum Vibrieren bringen. Die Glocke muss groß sein, wird aber zurückhaltend, vorsichtig geläutet, als ob jemand wissen möchte, wie sie klingt, wie laut sie ist und ob der Turm ihrem tonnenschweren Schwingen standhält. Es steigert sich nicht zum kräftigen, rhythmischen Klang, nur zwei, drei Mal vielleicht, dann klingt sie wieder einsilbig, wird leiser, still, um wiederum nach ein, zwei Minuten in gleicher Art ihr Solo an- und auszuklingen zu lassen. Auch noch eine Minute nach dem letzten Schlag, ist ein summendes Vibrieren in der Luft zu spüren. Beeindruckend. Obwohl in der Nähe wohnend, hatte ich so ein Geläut noch nie gehört, oder lag es daran, dass ich direkt zu Füßen des Nordturms stand?
Ich zeichne die seltsamen unregelmäßigen
Glockenschläge mit meinem Gerät zu dieser ungewöhnlichen Zwischenzeit auf, wie
als Abschluss des Gespräches mit Jörg Vierhaus. Zuhause stelle ich nach Vergleichen
mit Tonbeispielen aus dem Internet fest, dass es die größte Domglocke, die „Osanna“
gewesen sein muss.
Ich lese, dass „Osanna“ „Hilf doch!“ oder
„Gib doch Heil“, ähnlich wie Hosanna oder Hosianna, einen Freuden- und Jubelruf
bedeutet. Ein verhaltener Jubelgruß.
Weiter lese ich, dass der Magdeburger Domglockenverein
für eine noch größere Glocke als die ‚Osanna‘ sammelt. Für die „Credamus“ – „Lasst
uns glauben“ – die dann die zweitgrößte, klingende Glocke in Deutschland sein
wird. Es dauert allerdings noch ein paar Jahre. Vielleicht läutet sie erstmals
zur Eröffnung der Intel-Chip-Fabriken?
Verhalten jubeln und dran glauben … das passt gut zu Magdeburg und Intel.