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Mittwoch, 31. Januar 2024

# 038 Lokale KI-Begegnungen in Magdeburg - Januar 2024

Kann Magdeburg KI?

Wie ich im Blog-Artikel „# 037… da kommt etwas in Bewegung - Januar 2024“ beschrieben habe, wird Magdeburg mit Intel bald einen der globalen Protagonisten der KI-Technologie in seinen Mauern beherbergen.

Das Thema KI ist in aller Munde, in fast allen Köpfen und in der „Magdeburger Volksstimme“ eines der wirtschaftlich-technischen Topthemen der letzten 12 Monate. Das fiel mir auf, weil ich seit Anfang 2023 jede E-Paper-Ausgabe der „Volksstimme“ nach „Intel“ scanne, ja 
durchsuche, und mir dabei auch Artikel, in denen das Wort „Intelligenz“ vorkam, als „Beifang“ ins Netz gingen. Häufig im Kontext mit KI. Interessant war dabei auch, dass „intelligent“, abgekürzt „intel.“, öfter in Kontaktanzeigen zu finden ist. Bei „Sie sucht Ihn“ in der Regel als Anforderung an „Ihn“ ‒ und bei „Er sucht Sie“ als männliche Selbstbeschreibung. Ja, wer ist nicht intelligent? Könnte man es mit natürlicher Intelligenz hinbekommen, dass ER und SIE zueinanderfinden?

KI-Texte und Formulierungen

Zurück zur künstlichen Intelligenz in Magdeburg. Sicher haben viele schon mit Chat GPT experimentiert, um Texte zu erstellen. Das mache ich auch. Allerdings bringt das für diesen Blog wenig bis nichts, außer einer einfachen Rechtschreibkorrektur und schematisch-klischeehaften Formulierungsvorschlägen. Da bevorzuge ich die Vorschläge meines „menschlichen“ Lektors. Für den Transformationsprozess im Rahmen der Intel-Ansiedlung unter Beachtung der Magdeburger Randbedingungen und der nationalen und internationalen Umstände liegt keine ausreichende Datenbasis vor. Vielleicht wird dieser Blog einst Teil einer solchen Datensammlung.

Die beiden Hochschulen in Magdeburg widmen sich mit neuen Berufungen dem Thema KI, oder sollte man „Artificial Intelligence“ sagen? In beiden steckt „Kunst“, und neben den technischen Hard- und Softwareaspekten, der Suche nach Datenbasen, Algorithmen und neuronalen Netzen gibt es, wie an den folgenden Beispielen gezeigt wird, in Magdeburg Kreise, die sich mit dem Thema KI in der „Kunst“ auseinandersetzen.

 

KI-Musikkunst

Im Oktober 2023 wurde in Magdeburg „felicitas - Festival der Künstlichen Intelligenz“ im Gesellschaftshaus veranstaltet (About (felicia-festival.ai), Aufruf: 28.1.24). Organisiert wurde es vom Fachgebiet „Mobile Dialogsysteme“ unter der Leitung von Junior-Professor Dr. Ingo Siegert von der Otto-von-Guericke-Universität und vom Magdeburger Musikverein e. V.  in Kooperation mit der Stadt Magdeburg. Das Besondere daran war, dass hier neben professionellen Musikerinnen, Technikern, Wissenschaftlerinnen, DJs und anderen Künstlern auch interessierte Magdeburger Bürger in Workshops mitmachen konnten, gemeinsam mit den heutigen Möglichkeiten der KI musikalisch experimentierten.

Ich konnte nur das Abschlusskonzert besuchen. Geboten wurde eine Mischung aus Gesang und elektronischer Musik, die in Echtzeit von einer KI-Instanz adaptiert, verändert und in die „natürliche“ Soundumgebung zurückgespielt wurde, ab und zu auch als „KI-Solo“. Die Musik erinnerte mich an die sphärische Musik der Gruppen „Tangerine Dream“ oder „Kraftwerk“ aus den frühen 1970er-Jahren. Die Unterscheidung, welche Musik von den Musikern „natürlich“ erzeugt wurde und welches als KI-Ergebnis beigemischt wurde, war wegen der Gleichzeitigkeit für mich nicht festzustellen. Das war bei der beeindruckenden Gesangsstimme von Franziska Baumann einfacher, weil hier, wie vorher angesagt, die durch KI veränderte Stimme ausschließlich aus den Lautsprechern in den Rückraum kam. Das war anregend für mich und zugleich die Herausforderung, nach dem Sinn dafür zu suchen. Vielleicht rätselte man mit dem Aufkommen der Moog-Synthesizer in den 1960er Jahren auf ähnliche Weise. Ist das Musik? Ist das Kunst?

Zu den Unterstützern und Sponsoren des Festivals zählte auch Intel. Es ist geplant, 2024 eine ähnliche Veranstaltung auf die Bühne zu bringen, um den Magdeburgern wieder künstlerische und wissenschaftliche Perspektiven auf die KI-Musik zu ermöglichen.

 

KI-Kollektiv

Das Fraunhofer Institut IFF im Magdeburger Wissenschaftshafen bietet KI-Interessierten aus allen Kreisen die Mitarbeit in einem KI-Kollektiv (https://www.ki-kollektiv.info/,Aufruf: 28.1.2024). Hier gibt es On- und Offline-Möglichkeiten für Interessierte aus allen Bereichen der Gesellschaft, die sich mit Hilfe der Fraunhofer Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen informieren und beraten lassen möchten. Es geht dabei nicht nur um Chat GPT oder Musik, sondern um mögliche neue KI-Anwendungsfälle im praktischen (Berufs-) Leben. Da die Gruppe offen für alle ist, konnte ich im Kollektiv den Horizont meiner natürlichen Intelligenz auf die künstliche erweitern. Die Kollektivgeister können so selbst die Möglichkeiten und Grenzen der KI ausmachen: Was ist nur Hype, was Gerede? Hat das praktischen Nutzen für mich? Wo lauern Gefahren?

Ich hätte Lust, eine kleine KI-Brigade zu gründen, die sich experimentell einem neuen Literaturgenre widmet. Vom „Creative Writing“ zu „Artificial Writing“? Vielleicht müsste man wie bei der „Augmented Virtual Reality“ auch den Begriff „Augmented Artificial Intelligence“ einführen. Aber wie ich gerade im Internet finde: AAI ist schon ein alter Hut. Kenneth Goldsmith muss sein Buch „Uncreative Writing“ (Verlag Matthes & Seitz Berlin, Deutsche Ausgabe 2017, englisches Original 2011) in einigen Passagen überarbeiten.

 

KI-Theater

gab es auch im Schauspielhaus an der Magdeburger Otto-von Guericke-Straße. Im Januar 2024 war die vorläufig letzte Aufführung von „Das Leben ist ein Traum“. Der Klassiker des spanischen Dramatikers Pedro Calderón, 1635 in Madrid uraufgeführt und seitdem in vielen Inszenierungen bis heute lebendig geblieben, verhandelt wichtige Menschheitsfragen: Was macht uns aus? Was ist der freie Wille? Was ist Schicksal?

Die Frage „Welche Rolle spielt heute dabei die KI?“, haben sich auch die Theatermacher und Macherinnen gestellt haben. Ich war sehr gespannt auf die Vorstellung und die Antworten.

Meine Befürchtung, den Klassiker als moralinsaures Stück präsentiert zu bekommen, mit naheliegenden Klischees und Metaphern, wurde zum Glück nicht bestätigt. Die gelungene, kurzweilige Mischung aus Ernst und Humor entlang der ursprünglichen  Stückstruktur wurde auch überregional sehr positiv bewertet (Das Leben ein Traum – Theater Magdeburg – Das neue Leitungsteam holt Calderóns Text mit KI und klugem Klamauk ins Hier und Jetzt (nachtkritik.de, Aufruf: 28.1.2024). Die Inszenierung von Clara Weyde (Regie), Bastian Lomsché (Stückfassung und Dramaturgie) und Clemens Leander (Kostüme) zeigte, wie das Thema KI die Gesellschaft berührt, und wie nicht. Zum Schluss beantwortet der „KI-Geist“ im Körper des Homunkulus die Fragen kurz und bündig: „Bleibt menschlich, macht Fehler!“

Nach der Vorstellung gab es eine Gesprächsrunde mit Publikumsbeteiligung. Auf dem Podium saßen Professor Ingo Siegert und Matthias Busch von der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg (vom oben beschriebenen Projekt „felicitas“) sowie Bastian Lomsché, der Dramaturg des Stückes, der übrigens auch bei den „felicitas-Beteiligten“ aufgeführt war. Für mich schloss sich der Kreis, als klar wurde, dass die KI-Experten der Uni auch beratend an der Theaterstückentwicklung beteiligt gewesen waren.

Da die beiden Wissenschaftler auf KI-Anwendungen von Tönen und Stimmen spezialisiert sind, wurden dazu Live-Demonstrationen durchgeführt: Ein Schauspieler und eine Schauspielerin spielten eine kurze Szene aus „Das Leben ist ein Traum“. Mittels KI-Laptop wurden ihre Stimmen gesampelt, verändert und wieder abgespielt, so dass zum Beispiel die Schauspielerstimme ins Englische automatisch übersetzt und zugleich mit der Stimme vom Mel Gibson wieder abgespielt wurde. Jemand aus dem Publikum merkte an, dass es nicht ganz fehlerfrei wäre, ein deutscher Akzent sei noch zu hören. No AI Buddy is perfect! Oder menschelt KI?

Es folgten noch spontan noch weitere Experimente mit den Stimmen einzelner Zuschauerinnen. Das Publikumsinteresse war groß und es ergaben sich noch interessante Diskussionen und Fragen. So zum Beispiel, ob Betrüger mit KI die Enkeltricks am Telefon noch perfekter gestalten könnten. Können sie noch nicht.


Mein Fazit zu den Blogbeiträgen # 037 und # 038: 

Intels AI-chips act global – MD denkt KI lokal

# 037 … da kommt etwas in Bewegung – Januar 2024

Las Vegas, Davos, Magdeburg und KI

Magdeburg mit Intel – oder sollte man besser sagen: Intel mit Magdeburg? – bewegt, treibt weltweit das Branchenthema „1,5 Nanometer-Technologie“ oder „18 Å“ (Ångstström), wie es bei Intel heißt. So in Las Vegas auf der CES, der Consumer Electronics Show, das ist die weltgrößte Elektronikmesse, und in Davos auf dem WEF, dem World Economic Forum. In Magdeburg soll demnach die weltweit erste Chip-Produktion in der 1,5 Nanometer-Technologie zum Einsatz kommen. Das hat auch in vielen internationalen Internetforen über die Halbleitertechnologie Aufmerksamkeit erzeugt, in denen die Umsetzung dieser Strategie vom Intel CEO Pat Gelsinger überwiegend positiv bewertet wird. Gleichzeitig sprang Intel Ende 2023 mit der Präsentation des Intel Xeon der 5. Generation“, eine für die KI optimierte CPU (Prozessor), auf den KI-Zug auf und pusht mit der geplanten Produktpalette, dem „AI ecosystem“ zu Deutsch „Öko-System“ global das Tempo der KI-Bewegung. Mit „Öko“ ist die wirtschaftliche Ökonomie gemeint.

Quelle: LinkedIn - Pat Gelsinger Abruf 31.1.24

Es sei ihm ein Vergnügen gewesen, schreibt Pat Gelsinger auf LinkedIn, mit Klaus Schwab auf dem World-Economic-Forum die Wechselbeziehung zwischen Chips und KI zu diskutieren, über die Bedeutung des verantwortungsvollen Umgangs mit Technologie und darüber, wie die Intel Corporation weltverändernde Technologien entwickelt, um das Leben aller Menschen auf dem Planeten zu verbessern.

Kaum zu glauben, wird sich so mancher, gerade nicht zu euphorischem Optimismus neigende Magdeburger denken. Verständlich, das ist schon ein recht anspruchsvoller Vorsatz vom Intel CEO und sollte daran erinnern, dass nicht alle Probleme der Menschheit von Chips und KI gelöst werden können.

 

Moore‘s Law is moving

Intel kommt in Bewegung durch die Aufholjagd im  Wettbewerb: Mit der Präsentation der Roadmap „5N4Y-Plans“ (5 Nodes in 4 Years) für eigene Produkte und einem Foundry-Event im Februar 2024 will Intel sich bei potenziellen Kunden auch als Fertigungsdienstleister für Chips anbieten, die nicht von Intel konzipiert, designt und vermarktet werden. (Was kommt nach Intel 18A?: Neue Roadmaps für die Intel-Fertigung am 21. Februar - ComputerBase  Aufruf: 28.1.2024) Ich vermute, 
Quelle: computerbase.de Abruf 31.1.24
dass durch die Produktstrategie und das Event Weichen für die langfristige Auslastung der Magdeburger Chip-Fabs gestellt werden könnten. Das Tempo der geplanten Intel-Entwicklung nähert sich so wieder dem „Mooreschem Gesetz“ des Intel-Mitgründers Gordon Moore an, der schon in den 1960er-Jahren prognostizierte, dass sich die Integrationsdichte im Zeitraum von jeweils 2 Jahren vordoppeln werde. Ob Intel damit NVIDIAs Dominanz im KI-Chip-Markt Paroli bieten kann, wird sich zeigen.

 

Bewegung beim Personal

Hat Intel auch im Laufe 2023 in den Vereinigten Staaten im Rahmen eines Kostensenkungsprogramms ca. 700 Stellen abgebaut (nach https://www.smbom.com/news/13010

Quelle: MDR.de Aufruf 31.1.24

, Aufruf:  28.1.2024), wird dafür intensiv das internationale Recruiting nach qualifizierten Halbleiter-Fachleuten für Magdeburg betrieben. So äußerte sich Mila Wilson, von Intel in München, sie ist ausschließlich zuständig für die Personalbeschaffung in Magdeburg, schon Ende September 2023 mir gegenüber. Auf LinkedIn.com mehren sich die internationalen Ausschreibungen, explizit für den Standort Magdeburg. Auch im Ausbildungsbereich sollen ab September 2024 bis zu 20 Mikrotechnologen in Magdeburg von Intel ausgebildet werden. Ein Teil der Ausbildungen wird in ausländischen Intel-Werken erfolgen.


Erdbewegungen

„Wohin mit 80.000 Lkw -Ladungen Bördeboden?“, fragt die HTP, die HighTech Park GmbH des Landes Sachsen-Anhalt, die neuerdings für die Erschließung des Intel-Ansiedlungsareals zuständig ist, in der „Volksstimme“ und bittet um Vorschläge. Ich war vor einem Jahr in meinem Blog-Beitrag (# 001 Archäologie vom Ende zum Anfang – Januar 2023) mit meiner Hochrechnung auf eine ähnliche Größenordnung gekommen. Sollte das Abfahren des Bodens, wie zu hören war, innerhalb eines Vierteljahres bewerkstelligt werden müssen, wären das pro Arbeitstag circa 1.200 LKW-Ladungen. Für das Wohin hatte ich schon in meinem Blogbeitrag ( # 030 Intel-November 2023 - Pläne - Das Urteil - A oder B einen (nicht so ernst gemeinten) Vorschlag gemacht, nämlich den  einer Aufschüttung zu einer Börde-Pyramide.

 

Langsame Bewegung

So kommt die HTP – vorerst ausgestattet mit 250 Millionen Euro aus dem Landeshaushalt – langsam in Bewegung, hat man doch durch das nicht gelungene Miteinander der Partner Magdeburg, Sülzetal und Wanzleben wertvolle Zeit verloren. Wie die Abgrenzung der HTP GmbH gegenüber Magdeburg aussieht, erschließt sich mir noch nicht. Welche Verpflichtungen, denen Magdeburg bislang nachkam, werden von der HTP übernommen? Welche Kosten werden von wem übernommen? War das der Grund, dass mir bei der Verfolgung der Haushaltsaufstellungen für 2024 im Magdeburger Stadtrat immer wieder ein Posten „Intel“ auffiel, der zunächst zurückgestellt werden sollte? *)

*) Nachtrag am 1.2.2024: Es handelt sich um den "Deckungskreis HTP", der über mehrere Jahre mit Ein- und Ausgaben, z.B. für Grundstückskäufe und Verkäufe, ausgeglichen sein soll (plus/minus "Null"), so dass es die "normalen" Jahreshaushalte der Stadt nicht betrifft. 

(Danke für die Klarstellung: Mirko Stage, Stadtrat future! Magdeburg und Vorsitzender des Ausschusses für Stadtentwicklung, Bauen und Verkehr.)

 

Noch keine Bewegung

ist bei der Offenlegung von Fakten und Daten erkennbar, die eine Einschätzung von außen bezüglich der Ressourcenverbräuche sowie Ver- und Entsorgung und konkreter Bauplanungen zulassen. Das ist aus meiner Sicht noch ein „Closed Shop“. Das gilt nach meinem Eindruck nicht nur für Intel, sondern auch in Richtung Stadtrat und Verwaltung. Es müssten aber, sollte der Baubeginn noch in 2024 erfolgen, mit den öffentlichen Auslegungen
**) und Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP) in den nächsten Monaten Nägel mit Köpfen gemacht werden. Immerhin ist bislang von allen Beteiligten eine hohe Transparenz versprochen worden.

**) Nachtrag 1.2.2024: Die öffentliche Auslegung des Entwurfs des Bebauungsplanes Nr. 353-2 "Eulenberg" fand in der Zeit vom 10. Januar 2022 bis einschließlich 9. Februar 2022 statt. Umweltbericht, Baugrundvoruntersuchung, faunistische Untersuchung, Schallgutachten, verkehrstechnische Untersuchung und Ähnliches liegen vor und waren Bestandteil der Auslegung. Der Bebauungsplan wurde in öffentlichen Sitzungen vom Ausschuss für Umwelt und Energie am 24.05.2022 empfohlen, vom Ausschuss für Stadtentwicklung, Bauen und Verkehr am 02.06.2022 empfohlen und vom Stadtrat am 09.06.2022 beschlossen.
(Danke für die Klarstellung: Mirko Stage, Stadtrat future! Magdeburg und Vorsitzender des Ausschusses für Stadtentwicklung, Bauen und Verkehr.)

Gegenbewegung

Aufgeschreckt durch die Enthüllungen des Recherchenetzwerkes CORRECTIV über ein ungeheuerliches rechtsradikales Treffen in Potsdam im November 2023 (Geheimplan gegen Deutschland (correctiv.org), Aufruf: 28.1.2024) stellt sich nicht erst seitdem die Frage, wie das auf ausländische und Menschen jüdischen Glaubens wirkt, die in Magdeburg leben und auf die, die noch kommen werden, um die Magdeburger Chip-Fabs aufzubauen und zu betreiben. Ich vermute, dass Bewerber und Bewerberinnen beim Lesen der internationalen Stellenausschreibungen für Magdeburg zweimal überlegen, ob Magdeburg tatsächlich für sie ein Willkommensort ist.



Quelle www.einestadtfueralle.info Aufruf 31.1.24

Kann die aktuelle bundesweite Bewegung von Millionen Menschen gegen die rechtspopulistischen Tendenzen ein positives Zeichen setzen? Hoffnung macht die gutbesuchte, gerade abgelaufene jährliche Magdeburger Aktion „Eine Stadt für alle“ vom 15. bis 27. Januar 2024 mit vielen kleinen und großen Veranstaltungen und Demonstrationen. Kann diese Gegenbewegung weiter aufrechterhalten werden? Die Aufmärsche der Rechten anlässlich des Gedenktages am 16. Januar (Bombardierung und Zerstörung Magdeburgs am 16. Januar 1945) konnten seit einigen Jahren durch das Engagement der Magdeburger und Magdeburgerinnen verhindert werden. Wie Potsdam gezeigt hat, müssen den Rechten weiter Grenzen gesetzt werden.


Freitag, 15. September 2023

# 026 Artikel über Partikel aus der Grauzone im September 2023

-      Rein/Reiner /Am reinsten

-      100.000/1.000/10 – Schwarz/Grau/Weiß

-      Exkurs mit Jörg Vierhaus am Reinraum und zur Chip-Produktion

-      Es ist nicht einfach, Kompliziertes einfach auszudrücken

Anfang August 2023 bin ich mit Dipl.-Ing Jörg Vierhaus in der Otto-von-Guericke Universität Magdeburg verabredet.

Ein paar Tage vorher sah ihn der Journalist Jan Hofer in seinem „Handelsblatt“-Artikel „Im Sog der Intel-Milliarden“, und die „Volksstimme“ stellte Jörg Vierhaus im Juni für seinen „Saubersten Arbeitsplatz der Uni“ ein Reinlichkeitszeugnis aus.

Auf dem Campus der Uni Ruhe, kaum Betrieb, nur wenig Menschen. Die Vorlesungszeit war an dem frischen Sommertag schon seit zwei Wochen passe, so dass die Prüflinge in den gerade laufenden Klausuren nicht infolge der Temperaturen schwitzten. Ich treffe Jörg Vierhaus auf dem Flur vor dem Halbleiterlabor, in dem sich, wie sich herausstellten sollte, nach dem Matroschka-Prinzip, ein weiterer Raum befindet. 

                                                                                                                                     Herbert Beesten und Jörg Vierhaus

Es entwickelt sich in der 3. Etage des Gebäudes der Fakultät Elektrotechnik ein anregendes Gespräch von Ingenieur zu Ingenieur. Auf der einen Seite, der aus dem fränkischen Erlangen stammende Vierhaus, Werkstoffwissenschaftler, der mittlerweile sein silbernes Magdeburg-Jubiläum gefeiert hat, auf der anderen der ehemalige Münsterländer und Ingenieur für Automatisierung. Uns einte neben der „Technik im Blut“, dass wir uns das rollende „R“ in der Aussprache abgewöhnt hatten und die Vokale nicht mehr so dehnten. Seit Magdeburg wegen der Intel-Ansiedlung weit über die Grenzen von Sachsen-Anhalt hinaus im Gespräch ist, wird mittlerweile im überregionalen Deutschlandfunk und in der Tageschau Magdeburg meist korrekt mit einem kurzen „a“ ausgesprochen. Das ist doch schon mal ein Achtungserfolg.

Chip-Crash Kurs

Jörg Vierhaus ist an der Magdeburger Otto-von-Guericke-Universität (OvGU) verantwortlich für den Reinraum mit einer kleinen Chip-Entwicklungslinie. Bis vor kurzem, und wegen der Intel-Ansiedlung neuerdings erst recht wieder, werden hier Mikrotechnologen ausgebildet. Studierende werden ihr Bachelor-, Master- und Promotionsstudium in der neuen Abteilung, der „Advanced Semiconductors Technologies“, absolvieren.

Weißer Overall, Überschuhe und Haarhaube gehören für uns beide bei der Annäherung an den Reinraum zum obligatorischen Outfit, als wir das Halbleiterlabor betreten. So kenne ich Jörg Vierhaus auch schon aus meinen Recherchen, war er doch in den Medien kaum einmal in „Zivil“ zu sehen.

Eine Klimaanlage rauscht, irgendetwas summt, ab und zu ein Piepen, so dass wir mit etwas angestrengter Stimme sprechen müssen. Rundherum Rohrleitungen, Gestänge und elektronische Geräte. Kontrolllampen blinken. „Der Reinraum für die Halbleitertechnologie ist der Raum dort,“ so Vierhaus, „also ein Raum im Raum.“ Wir stehen an einem Glaskasten in der Mitte des Halbleiterlabors, dem Ausgangspunkt für unsere Runde. Vorbei an technischen Apparaten und Leitungen haben wir Einblicke in den Reinraum, und mein Gastgeber startet auf meinen Wunsch hin mit einem kleinen Crashkurs in Sachen Chip-Produktion, der meinen Blick auf das Magdeburger Intel-Projekt abrunden soll. Danach werde ich versuchen, mein neu erworbenes Wissen möglichst einfach und ohne Anspruch auf Vollständigkeit dem Leser und der Leserin näherzubringen. Aber für mich, meine Leser und Leserinnen gilt: Wenn man mitreden will, sollte man die technischen Hintergründe einer Chip-Pro duktion in etwa kennen.


Schwarz-Grau-Weiß

Hatte ich zuerst gedacht, mich schon im eigentlichen Reinraum aufzuhalten, so werde ich eines Besseren belehrt. Wir befinden uns zwar innerhalb des Halbleiterlabors – aber noch „out of he clean box“, im so genannten „Graubereich“. Der Flur vor dem Halbleiterlabor ist der „Schwarzbereich“. Also je dreckiger, desto dunkler. Aber „dreckig“ ist natürlich relativ, denn im Flur sieht alles sauber aus.  Der Unterschied liegt darin, dass „rein“ nicht gleich „rein“ ist. Nach einer amerikanischen Norm gibt es feine Unterschiede. Im Graubereich sind pro Kubikfuß (28,3 Liter oder 1/35 Kubikmeter Luftvolumen) 10.000 bis 100.000 Partikel einer bestimmten Partikelgrößenverteilung vorhanden. Dafür gibt es spezielle Messgeräte in den Räumen, die ständig diese Werte überwachen und gegebenenfalls Alarm schlagen, denn die Partikel sind mit dem bloßen Auge nicht zu erkennen. In dem eigentlichen Reinraum sind nur 10 bis 100 Partikel je Kubikfuß zulässig. Das ist der weiße Bereich. „Ist das der Grund, warum wir nicht in den eigentlichen Reinraum gehen?“, frage ich den Reinraumspezialisten. „Ja, wir müssten zusätzlich durch eine Schleuse, in eine andere Schutzkleidung steigen und uns mit eienm Luftstrom ‚duschen‘, damit auch die kleinsten Partikel von unserer Kleidung entfernt werden.“ So bleiben wir in unserem weißen Schutz-Outfits graue Mäuse.

Der Raumlufttemperatur muss immer bei 21 Grad Celsius plus/minus 1 Grad, die relative Luftfeuchte bei 45% plus/minus 5% gehalten werden. Der Reinraum hat immer etwas Überdruck gegenüber der Umgebung, damit durch mögliche Ritzen und Spalten keine „graue“ Luft eintreten kann. „Die gleichen Prozessbedingungen sind für die Reproduktion von Versuchs- und Produktionsreihen sehr wichtig,“ erklärt der Halbleiterspezialist.

Die Reinheit des laminaren Luftstroms (gleichmäßige Strömung, keine verwirbelte turbulente Strömung) wird mit hochfeinen Filtern erreicht, mit einem Luftstrom von oben nach unten. Fällt ein Teil zu Boden, darf es im Reinraum nicht mehr verwendet werden.

Die Klimatisierung benötigt viel Energie, deswegen wird, anstatt immer neue Luft von außen anzusaugen, mit Umluft gearbeitet, wie auch später bei der Intel-Produktion. Solche Anlagen laufen rund um die Uhr im Mehrschichtbetrieb.

„Die Anlagen in der Halbleiterindustrie generell und erst recht später bei Intel in Magdeburg muss man sich viel größer vorstellen,“ sagt Vierhaus und zeigt dabei in Richtung Süden, wo die Intel-Fabriken entstehen sollen: „Hier an der Uni ist alles im Minimaßstab und stellt nur einen Teil der Prozesskette dar“.

Schritt für Schritt zum Chip

Die Chip-Produktion wird in Prozessschritte aufgeteilt:

-      Der Frontend Prozess beginnt der mit einem blanken Silizium-Wafer und endet mit dem fertig strukturierten Wafer. Das ist der Prozess, der bei Intel in Magdeburg geplant ist.

-      Beim Backend Prozess, wird der fertig strukturierte Wafer, auf dem bis zu ca. 100 Chips enthalten sein können, in einzelne Chips zersägt. Dann erfolgt die Aufbringung auf einen Träger, Verbindungen zu den Anschlüssen werden mit feinsten Drähten hergestellt (Bonding). Zum Schluss werden die Chips in ein Gehäuse gefasst. Das soll mit den in Magdeburg produzierten Wafern später in der Intel-Fabrik in Polen geschehen, so dass für Intel in Europa komplett der Frontend- und Backend-Prozesse vorhanden sein wird.

Wir setzen unseren Rundgang um den Reinraum fort. „Ich bin ein Front-End-of-Line-Mensch,“ gesteht mir Jörg Vierhaus. Das ist ein Teil des Frontendprozesses, der als Schwerpunkt von Forschung und Lehre hier im Reinraum der Uni möglich ist.

Ich entdecke Behälter und Rohrleitungen, beschriftet z.B. mit „Druckluft“, „NG-Erdgas“, „3N₂-Stickstoff“, „Sauerstoff O₂“, „2N₂-Stickstoff“ … usw. Meine Frage: „Was ist das und wofür wird das gebraucht?“

Wasserspülung

„Das sind chemische Substanzen und Prozessgase, die für die einzelnen Produktionsschritte notwendig sind,“ lautet die Antwort. „Und was bedeutet DI-Wasser?“, frage ich weiter, weil ich die Bezeichnung an einer Leitung sehe. So lerne ich, dass DI für deionisiertes Wasser, also für Reinstwasser steht.

Das Thema Wasser wird im Rahmen der Intel-Ansiedlung kontrovers diskutiert. Da hake ich gleich nach: „Wie machen Sie das denn hier mit dem Wasser?“

„Wir verwenden SWM-Trinkwasser aus der Leitung, machen daraus destilliertes Wasser. Mit Hilfe von Ionenaustauschern wird durch Umkehr-Osmose das Wasser von organischen und mineralischen Stoffen gesäubert. Das Wasser verliert seine elektrische Leitfähigkeit und wird über eine Ringleitung den Prozessen zugeführt.

Reinstwasser wird für Spülvorgänge, zusammen mit flüssigen und gasförmigen Chemikalien benötigt. Es sind bei der Chipherstellung zwischen den Prozessschritten, je nach Anzahl der Schichten und der Komplexität, bis zu einigen hundert Spülvorgänge je Wafer notwendig,“ erläutert der Halbleiterspezialist.

„Und dann?“, insistiere ich, um mein Gegenüber etwas zu provozieren.

„Wir bereiten auch hier das gebrauchte Wasser wieder auf, so dass nur ein Teil davon, dann ph-neutralisiert, in das ‚normale‘ Abwasser gelangt.“

„Gibt es eine Kennzahl, wieviel Wasser pro Chip oder Wafer gebraucht wird?“

„Es gibt von dem Branchen-Verband IRDS Richtwerte, abhängig vom Prozess- und Chip-Typ. Daraus kann man nur bedingt hochrechnen, wie viel Wasser bei Intel in Magdeburg benötigt wird. Ich kann mir vorstellen, dass eine Wiederverwertungsquote im Wasserkreislauf von 95 bis 97% angestrebt wird. Aber dazu müsste ich die geplanten Produktionsmengen kennen, also, wie hoch die Anzahl der Wafer ist, die je Tag neu in den Produktionsprozess starten. Die kann man nur grob mit 5.000 bis 6.000 abschätzen. Sicherlich wird die Abwasserbehandlung bei den Mengen nicht nur aus der ph-Neutralisation bestehen, wie bei den kleinen Mengen an der Uni, sondern neben der Salzlast müssen andere Stoffe minimiert werden.“

Wir bewegen uns in einen schmalen Gang hinein. Rechts technische Messgeräte, Behälter und für mich nicht identifizierbare Apparate, die über Kabel, Schläuche und Leitungen mit dem Inneren des Reinraums auf der linken Seite verbunden sind.

Jörg Vierhaus ist nun in seinem Element, legt los und benennt den einen und anderen Apparat: „Hier ein Elektrodenstrahlverdampfer, dort ‚Backöfen‘ für LPCVD-Prozesse, in denen in einer speziellen Atmosphäre Wafer ‚gebacken‘ werden. Das ist eine Plasma-Sputterkammer, da hinten Turbopumpen zur Vakuumerzeugung, hier wird Aluminium-Chlorid aufbereitet, da, hinter der Glasscheibe, sind Clusteranlagen und ein Wafer-Manipulator, da geht es um MOS-FET-Transistoren, die Schichten werden mit Piranha-Säure, angegriffen, FOUP…“ Mir klingen die Ohren. Gut, dass ich mein Aufnahmegerät mitgenommen habe.

Physik oder Chemie?


„Ist die Chipherstellung eigentlich mehr Physik oder mehr Chemie“, ist meine logische Frage nach den Aufzählungen, die mein Gegenüber mit einem wohlwollenden, fast euphorischen Unterton beantwortete: „Von allem etwas, auch Werkstoffwissenschaften gehören dazu, von wo ich komme, viel Chemie, viel Festkörperphysik. Das macht die Sache ja so spannend und interessant, eine Mischung, in der sich jeder wiederfindet.“

Was hatte mein Gastgeber gesagt? „Ich bin ein Front-End-of-Line-Mensch.“ Wir sind nun an der Stelle, wo er mir „Front end of line“ gut erklären kann. Es bedeutet, dass hier aktive Bauelemente, wie z.B. die Strukturen für Feldeffekt-Transistoren auf den Wafer aufgebracht werden. Ebenso auch Strukturen für passive Bauelemente wie z.B. Kondensatoren und Widerstände. An dieser Stelle werden an der Uni Chips für Sensorik hergestellt. Er zeigt mir als Beispiel einen Feuchtesensor „in natura“ als ein circa ein mal zwei Zentimeter großes, silbriges, strukturiertes Plättchen.

Bei „Backend of line“ dagegen gehe es um die Mehrlagenmetallisierung der Stromleitungen und Signalwege, also um die Verbindungen der Bauelemente auf den Wafer untereinander und zu den Anschlüssen des späteren Chips nach außen. Dafür entstehen in diesem Prozessschritt Strukturen für die elektrische Verbindungen auf beiden Seiten des Wafers.

„Und diese Strombahnen sind bei Intel nur 2 Nanometer, also 0,0002 mm dick?  Ein menschliches Haar ist ja zehntausendmal dicker!“, platze ich heraus.

Die Rechnung habe ich aber ohne Jörg Vierhaus gemacht, er klärt mich auf: „2 Nanometer tief oder breit sind Veränderungen in den Oberflächen der Einkristalle, um durch Dotierungen bestimmte Eigenschaften zu erreichen. Leiterbahnen sind deutlich dicker und höher, auch mal dicker als ein Haar. Daran wird auch ersichtlich, dass kleinste Partikel in der Luft sehr stören können. Da wird zuerst ein Graben geätzt, der dann mit Kupfer gefüllt wird. Und weil sich die verschiedenen Leiterbahnmaterialien nicht direkt ‚vertragen‘, kommt Wolfram als Puffer dazwischen.“ Das war schon fast literarisch erklärt, lobe ich meinen Gesprächspartner.

Wir sprechen über die Lithographie-Technik, mit der das fotoempfindliche Material auf den Wafern belichtet wird. Dafür wird der UV-Anteil des Tageslichtes durch orangefarbene Folien an den Fenstern ausgesperrt. Dann geht um Vergleiche der Unianlage mir der geplanten Intel-Chip-Fabrikation. Dort werden auf einem Chip mehr als eine Milliarde Transistoren untergebracht, basierend auf einem 300-mm-Wafer in der 2-Nanometer-Technologie. An der Uni sind es maximal einige tausend Transistoren je Chip auf 150-Milimeter-Wafern in der fünfhundert Mal größeren 1µm-Mikrotechnologie. Außerdem wird der Automatisierungsgrad bei Intel extrem hoch sein, durch Robotik und automatische Transportsysteme. Die umgebende Technik für Ver- und Entsorgung der Prozesse wird auf dem neuesten Stand der Technik sein. Es geht auch um eine ganz andere Produktionsgröße. Ich rechne: Bei z.B. 5.000 Wafer-Starts je Tag und einer Prozessdauer von 3-4 Monaten (wegen der vielen Prozessschritten dauert der Durchlauf im Fertigungsprozess so lange) wären bis zu einer haben Millionen Wafer gleichzeitig im Produktionsprozess.  Hier an der Uni sind es bei Versuchsprozessen vielleicht gleichzeitig 10. Aber hier kann man das, was bei Intel hinter Verkleidungen, in Kabel- und Leitungsschächten und Zwischengeschossen versteckt sein wird, sehen und anfassen. Das ist für die Ausbildung ein Vorteil.

Perspektive


Doch genug. Technik kann auch einen Technik-Freak wie mich „erschlagen“. Ich mache noch ein paar Fotos, dann entledigen wir uns der Schutzkleidung und setzen uns noch „in Zivil“ ins Office von Jörg Vierhaus.

Nun im Fokus: Die zukünftigen Ausbildungsmöglichkeiten für Berufsgruppen, die auch, aber nicht nur, bei Intel in Magdeburg arbeiten könnten.

Jörg Vierhaus

„Wie sieht es hier in 10 Jahren aus, wenn meine heute achtjährige Enkelin, die, ganz wie der Opa, sich für Technik und Mathematik interessiert, hier vielleicht einmal ‚Advanced Semiconducter Nano-Technologies‘ studieren möchte?“, spekulierte ich.

„Dann sieht sie einen Neubau mit einem viel größeren Reinraum, mit neuem, modernem Equipment und neuer Infrastruktur für mehr Studierende. Jetzt können wir hier 2 bis 4 Praktikumsplätze anbieten, im Neubau werden 20er-Gruppen möglich sein. Die technologische Ausrichtung wird geändert, weg von der reinen Siliziumhalbleitertechnologie hin zu Verbindungshalbleitern, die wir mit Silizium „verheiraten“. Die Physiker hier an der Uni sind führend bei Gallium-Nitrid-Prozessen für Laser-, LED- und Opto-Systeme mit weniger Verlustleistung und schnellen Schaltzeiten,“ lautet die prompte Antwort.

„Ist das ein Plan oder noch Vision?“, hinterfrage ich.

„Doch, so wird es kommen,“ ist sich mein Gesprächspartner sicher.

Weiter führt er aus, dass meine Enkelin mit einer Ausbildung zur Mikrotechnologin anfangen könnte, um sich dann nach einem Jahr zu entscheiden, ob sie die praktische Berufsausbildung weitermachen oder ins eher theoretische Studium wechseln möchte.

„Wird hier denn nur für Intel ausgebildet?“, frage ich.

„Nein, aber Intel engagiert sich schon im Ausbildungsbereich mit Laborausstattung, unterstützt uns beim Ausbildungsgesamtkonzept für die Mikrotechnologenausbildung, das Bachelor- und Masterstudium bis hin zu Promotionen.

Ein wichtiger Gedanke dieser breiten Ausbildung ist die Möglichkeit, Erfahrungen in Produktionsteams in der Chip-Produktion zu machen, denn nicht nur bei Intel, sondern auch bei anderen Chip-Produzenten in Sachsen, in Süddeutschland und im Ausland sind solche Teamplayer gesucht. Die Uni selbst braucht auch selbst Nachwuchs, wenn das neue Gebäude steht,“ ist sich Vierhaus sicher und führt weiter aus, dass die neuen Intel-Mitarbeiter und -Mitarbeiterinnen nach der Einstellung in den speziellen Produktionsprozessen bei Intel in den USA oder Irland geschult werden.

„Halten Sie Ihre Enkelin unbedingt auf dem Laufenden darüber, was hier alles in den nächsten Jahren passiert. Gerade Frauen sind in dieser Branche noch unterrepräsentiert und deshalb sehr willkommen,“ fügt er an.

Ich zweifle: „Aber ist in 10 Jahren die 2-Nano-Technologie nicht out, die hier in Magdeburg etabliert werden soll, weil sie am technischen und physikalischen Limit ist?“

„Die Grenzen liegen wahrscheinlich im Bereich 1,1 bis 1,2 Nanometer, weil dann die Quanteneffekte problematisch werden. Aber da passt es gut, dass Professor Strittmatter aus unserem Fachbereich als Quantenspezialist viel Know-how mitbringt.“

Ich bedanke mich für das Interview und überlege, wenn meine Enkelin demnächst wieder zu Besuch in Magdeburg ist, mit ihr den Reinraum in Augenschein zu nehmen. Ich bin sicher, dass einer der Funken, die Jörg Vierhaus mit seinem Engagement für die Chip-Technologie versprüht, auch auf meine Enkelin überspringt und sie ihr Interesse an Technik behalten und vertiefen wird.

 

„Osanna“ und „Credamus“

Nach dem Gespräch auf dem Heimweg, fahre ich mit dem Fahrrad am Magdeburger Dom vorbei. Da vernehme ich, ungewöhnlich zu dieser Zeit, es ist gerade keine volle Viertelstunde, Glockenschläge vom Domturm, die die Luft mit einem vollen dunklen Ton zum Vibrieren bringen. Die Glocke muss groß sein, wird aber zurückhaltend, vorsichtig geläutet, als ob jemand wissen möchte, wie sie klingt, wie laut sie ist und ob der Turm ihrem tonnenschweren Schwingen standhält. Es steigert sich nicht zum kräftigen, rhythmischen Klang, nur zwei, drei Mal vielleicht, dann klingt sie wieder einsilbig, wird leiser, still, um wiederum nach ein, zwei Minuten in gleicher Art ihr Solo an- und auszuklingen zu lassen. Auch noch eine Minute nach dem letzten Schlag, ist ein summendes Vibrieren in der Luft zu spüren. Beeindruckend. Obwohl in der Nähe wohnend, hatte ich so ein Geläut noch nie gehört, oder lag es daran, dass ich direkt zu Füßen des Nordturms stand?

Ich zeichne die seltsamen unregelmäßigen Glockenschläge mit meinem Gerät zu dieser ungewöhnlichen Zwischenzeit auf, wie als Abschluss des Gespräches mit Jörg Vierhaus. Zuhause stelle ich nach Vergleichen mit Tonbeispielen aus dem Internet fest, dass es die größte Domglocke, die „Osanna“ gewesen sein muss. 

Ich lese, dass „Osanna“ „Hilf doch!“ oder „Gib doch Heil“, ähnlich wie Hosanna oder Hosianna, einen Freuden- und Jubelruf bedeutet. Ein verhaltener Jubelgruß.

Weiter lese ich, dass der Magdeburger Domglockenverein für eine noch größere Glocke als die ‚Osanna‘ sammelt. Für die „Credamus“ – „Lasst uns glauben“ – die dann die zweitgrößte, klingende Glocke in Deutschland sein wird. Es dauert allerdings noch ein paar Jahre. Vielleicht läutet sie erstmals zur Eröffnung der Intel-Chip-Fabriken?

Verhalten jubeln und dran glauben … das passt gut zu Magdeburg und Intel.