Mittwoch, 20. September 2023

# 025 Ein Gastbeitrag - INTEL: Nur die Paranoiden überleben

Ich kenne Franz Will seit ca. 30 Jahren. Er ist Fachbuchautor für „Emotionen im Team“ (siehe www.franz-will.de ), hat als Sozialarbeiter auch in der Psychiatrie gearbeitet und kennt deshalb die Paranoia. Als gestandener Bayer grantelt er oft über die gesellschaftlich schwierigen Verhältnisse, aus Sorge, wie es weiter geht. Intel beobachtet er schon sehr lange. Sie lesen in seinem Beitrag etwas über die grundsätzliche „Denke“ eines der Intel-Gründer, die vielleicht noch heute in der DNA des Unternehmens steckt. Lassen Sie sich aber nicht von der Überschrift abschrecken, paranoid muss nicht immer schlecht sein.                                                                                             Foto Ulrike Pusch-Will

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INTEL: Nur die Paranoiden überleben            

von Franz Will


Intel hat überlebt. Trotz der vielen Konkurrenten wie z. B. Samsung, Toshiba, Nvidia, IBM oder AMD. Die Intel Corporation (englisch: Integrated electronics, NASDAQ-Kürzel INTC) gibt es seit 1968. Derzeit ist sie ca. 150 Milliarden Dollar wert. Der Gewinn schwankt stark - 2023 gibt es sogar einen Verlust. Intel baut derzeit für 30 Milliarden € ein neues Werk in Magdeburg. Das kostet den Steuerzahler 10 Milliarden €. Man kann es als Subvention oder als Investition sehen. Die Natur zahlt mit dem fruchtbaren Ackerboden der Magdeburger Börde. Ist es das wert? Überwiegen die Chancen die Risiken?

Ass oder Niete?

Andrew Grove (1936 bis 2016), einer der Gründer und CEO von Intel, hat sich mit Risikomanagement beschäftigt. Das Leben eines Managers sei ein Kartenspiel. Nie wisse man vorher, ob man ein Ass oder eine Niete in seinem Blatt habe und welche Karten die Kontrahenten halten. Normales Denken helfe nicht weiter. Man müsse verrückt sein, um wichtige strategische Wendepunkte zu erahnen. Hilfreich sei ein Verfolgungswahn, wenn er die Wahrnehmung schärft. Deshalb heißt sein 1996 erschienenes Buch: „Only the Paranoid Survive“.

Ein Paranoider wird überraschend auftauchende Phänomene, z. B. weiße und schwarze Schwäne, Veränderungen am Markt und neue Konkurrenten intensiv analysieren: Liegt hier ein strategischer Wendepunkt (Gamechanger) vor, der die Zukunft des Unternehmens massiv verändern kann oder handelt es sich nur um ein unbedeutendes Hintergrundrauschen, das man ignorieren sollte? Wer einen sich anbahnenden Paradigmenwechsel verschläft (wie z.B. die Bedeutung der Cloud), wird aus dem Markt geworfen. Ein CEO, so Grove, müsse wie ein Paranoider in jeder klitzekleinen Systemveränderung eine Bedrohung oder Chance sehen. Paranoia bedeutet, sich intensiv mit einer Sache auseinanderzusetzen und nicht aus Bequemlichkeit irgendwelchen Vorurteilen aufzusitzen. Wer den Markt vorzeitig erkenne, der werde dank seiner „Paranoia“ gestärkt. Wer das belanglose Hintergrundrauschen überbewertet, verzettelt hingegen seine Kräfte. Es kommt darauf an, das Wichtige vom Nebensächlichen präzise zu unterscheiden. Intel hat so überlebt.

Echte und Pseudo-Risiken

Manchmal sind Risiken ganz einfach zu erkennen. Sie stehen z. B. völlig klar auf jeder Zigarettenpackung. Aber warum werden diese dann trotzdem ignoriert? Man lügt sich halt gern selbst in die Tasche. Die beängstigenden Fakten werden verdrängt, dafür neue Risiken zur Ablenkung konstruiert, die eigentlich nur Hintergrundrauschen sind.

Der Rechtspopulismus produziert ständig Pseudo-Risiken, um intensives Selber-Denken zu vermeiden. Er macht das Hintergrundrauschen zum lauten Problem, damit er die echten Ursachen leugnen kann. Mit Hetze und Hass überdeckt er, dass er keine Substanz hat. Durch Flüchtlinge sieht er sich z. B. in seiner Heimat bedroht. Dabei hängt die Heimat nicht von anderen ab, sondern vom eigenen Ich, das seine Wurzeln in einem Land und in einer Kultur bewusst sucht und findet. Heimat muss man sich erarbeiten – z. B. auf Wanderungen durch die Magdeburger Börde – sie ist nicht von selbst da. Wer sein Heimatgefühl von anderen abhängig macht, der hat schon verloren. Deutschland braucht, im Sinne von Grove, „Paranoide“, die extrem genau hinschauen, analysieren und daraus logische Schlüsse ziehen. Eine Demokratie leidet hingegen unter den Denkfaulen, die für ihr eigenes Versagen immer andere verantwortlich machen. Intel hat überlebt. Hoffentlich überlebt Deutschland auch.

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