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Sonntag, 31. März 2024

# 047 - Bauernregeln und KI – Im Märzen der Chip-Bauer den Spatenstich einplant … zu Basilius?

Transformation – der erste Schritt wird sichtbar

„Wie man so hört“, sagt man, soll der erste Spatenstich auf dem Bördeacker für die Intel-Ansiedlung in einigen Monaten mit einem großen Event zelebriert werden. So steht auf diesem Stück Land der nächste, erstmals klar sichtbare Transformationsschritt bevor.

Magdeburg, „Stadt der Verwaltung und Wissenschaft“, erweitert sich auf dem Bördeacker zu einem großen Hightech-Produktionsstandort. So verdrängt dort künftig der KI-Protagonist Intel die heutige Agrarindustrie, wo bis vor siebzig, achtzig Jahren die Bauern in kleinteiliger Landwirtschaft noch nach Bauernregeln und dem Hundertjährigen-Kalender gelebt haben.

Symbolbild Spatenstich - Bild: Herbert Beesten und KI 

Bauernregeln und KI – geht das zusammen?

Die Bauernregeln für das Wetter, von dem die Landwirtschaft besonders abhängig war, basieren auf Beobachtungen über viele Generationen hinweg. Im März, dem Übergang vom Winter in die Vegetationsphase, in die Zeit des Säens, weisen erfahrungsgemäß bestimmte Wetterphänomene auf die Wetter- und Klimabedingungen bis in den Herbst, die Erntezeit, hin.

Für Wetterprognosen wird in Forschungsprojekten auch mit KI experimentiert. Beide, KI und die Bauernregeln, basieren auf vielen Informationen. In einem Fall auf jahrhundertlanger Beobachtung der bäuerlichen Landbevölkerung, im anderen auf Hunderten, vielleicht auch auf Tausenden Gigabyte Daten aus Wetter- und Klimamodellen. Das eine basiert auf neuronalen Netzen im menschlichen Gehirn, das andere auf künstlichen, mit Software nachempfundenen neuronalen Netzen.

Was liegt also näher, als mit Bauernregeln auf das bislang landwirtschaftlich, aber zukünftig von einem der weltweit größten KI-Protagonisten genutzte Areal zu schauen und auch Bauernregeln einem Transformationsprozess zu unterziehen?

Damit man früher die Wetterbeobachtung an bestimmten „Stichtagen“ nicht verpasste, wurden Namenstage – also Tage im kirchlichen Kalender, an denen bestimmte Heilige besonders verehrt wurden – als „Trigger“ verwendet. Man brachte die Namen der Heiligen oft in Reimform mit den Wetterereignissen zusammen. So konnte man sie sich besser einprägen.

 

März-Events und Weichenstellung

So habe ich meine Märzbeobachtungen in Sachen Intel, anders als in meinem Beitrag aus dem März 2023 (Aufwärtskompatibel? Neue Industriekultur in Magdeburg durch Intel?: # 008 Im Märzen der Bauer … ein Fließtext aus 2023 (herbert-karl-von-beesten-intel-blog.blogspot.com),  mit Bauernregeln zusammenzubringen versucht , um daraus eine Prognose für den weiteren Verlauf der Intel-Ansiedlung abzuleiten.

Am 13. März 2024 fand der „Zukunftstag BVMW“, also des Bundesverbandes Mittelständische Wirtschaft, in der Magdeburger Johannis-Kirche statt. Ein Bekannter, der daran teilgenommen hat, berichtete mir:

Bild: BVMW - LinkedIn-Seite

Es wurde diskutiert, inwieweit die mittelständische Wirtschaft in der Magdeburger Region vor allem bei der Fachkräftebeschaffung gegenüber Intel das Nachsehen haben könnte. Der Vorsitzende des BVMW, Christoph Ahlhaus, die Magdeburger Wirtschaftsbeigeordnete Sandra-Yvonne Stieger und der Direktor der Arbeitsagentur Magdeburg, Matthias Kaschte, zeigten Perspektiven auf, wie Fachkräftebeschaffung nebeneinander möglich sein kann, wobei sie auch unabhängig von der Intel-Ansiedlung schwieriger werden wird. Es wird ein stärkerer Wettbewerb um Fachkräfte entstehen, dem sich auch die mittelständische Wirtschaft stellen muss. Es wurde deutlich, dass Intel überregional und international Ausschau hält. Unter Bauern könnte man sagen: „Das Gras beim Nachbarn ist immer grüner.“

Vom 11. bis zum 15. März veranstaltete die Microtec Academy in der Handwerkskammer Magdeburg das Seminarprogramm „Einführung in die Fertigungs- und Prozesstechnologien der Halbleitertechnik“. Das war zugleich die Einstiegsveranstaltung der Uni Magdeburg in die überregionale und überbetriebliche Berufsbildungsakademie, speziell für die Mikro- und Nanotechnologien. Ich konnte am 14. März einen interessanten, auf Deutsch gehaltenen Vortrag, der Intel-Mitarbeiter Werner Ertle und Peter Baumgartner mit dem Titel „The world of semiconductor“ verfolgen. Die Überschrift hörte sich zwar allgemein an, es war aber keine Marketingveranstaltung, sondern es wurden realistisch (man war unter Fachleuten) viele Details erläutert, und man verwies auf die hohen Ansprüche, Möglichkeiten, aber auch Grenzen und Probleme der Halbleiterfertigung. Zum Teil auch mit Bezug auf die Pläne für Magdeburg. Natürlich wurde das Moore’sche Gesetz als „Chip-Bauer-Regel“ zitiert, aber Gordon Moore (noch) nicht in den Himmel gehoben.

In der Pause traf ich Giulia Bolognesi (Aufwärtskompatibel? Neue Industriekultur in Magdeburg durch Intel?: # 043 Giulia und Latte macchiato am Hassel, EDTA bei Intel (herbert-karl-von-beesten-intel-blog.blogspot.com) und auch Jörg Vierhaus (Aufwärtskompatibel? Neue Industriekultur in Magdeburg durch Intel?: # 026 Artikel über Partikel aus der Grauzone im September 2023 (herbert-karl-von-beesten-intel-blog.blogspot.com) wieder.

Beim Lunch am Stehtisch waren, neben Peter Baumgartner von Intel, ein weiterer Referent des Seminars, Gerfried Zwicker, vom Fraunhofer-Institut für Siliziumtechnologie in Itzehoe, sowie zwei junge Frauen aus süddeutschen Chip-Zulieferbetrieben meine Gesprächspartner. Meine spontane Frage an eine der jungen Damen, ob sie sich demnächst einen Job bei Intel in Magdeburg vorstellen könnte, beantwortet sie freiweg mit: „Auf jeden Fall!“ Gerfried Zwicker konnte ich mit der Vermittlung eines Kontaktes zu einer Human-Resources-Ansprechpartnerin bei Intel helfen, weil er einen taiwanesischen Doktoranden betreut, der einen Job in der Halbleiterindustrie sucht. Ich wies auch auf die aktuellen und sich in letzter Zeit häufenden Stellenanzeigen bei LinkedIn und XING hin, mit denen Intel Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen weltweit schon jetzt für den Standort Magdeburg gesucht werden. Die strategische Personalsuche für Magdeburg setzt bei Intel also schon frühzeitig ein.

Die Bauernregel am 15. März, am Ende der Veranstaltung: „Lukretia feucht, Kornsäcke leicht.“ Da das Wetter an diesem Tag sonnig und trocken war, müssten also perspektivisch die Säcke der Chip-Bauer schwer werden.

Am 22. April 2024 endet*) die öffentliche Auslege- und Einspruchsfrist zum Intel-Bauvorhaben „Errichtung einer Halbleiterfabrik“. Für den 21. März lautet die Bauernregel: „Soll das Korn gar üppig stehen, soll man es an St. Benedikt säen.“ Dann schauen wir doch mal, wie die Saat am 29. Mai 2024 bei der öffentlichen Verhandlung von Einsprüchen in der Magdeburger Johannis-Kirche aufgeht. Auch hier hilft eine Bauernregel: „Mai kühl und nass, füllt's dem Bauern Scheun und Fass.“ Ja, Wasser ist wichtig!

Eine Regel für den Chip-Bauer könnte heißen: „Sind der Einsprüche nicht zu viel, so ist dann Intel bald am Ziel.“

Am 25. März 2024 fand im Rahmen der Vortragsreihe „Wissenschaft im Rathaus" die Veranstaltung „Intel und die Magdeburger Hochschullandschaft“ statt.
Tino Grosche moderierte ein Gespräch mit der Rektorin der Hochschule Magdeburg-Stendal, Prof. Dr. Manuela Schwartz, und dem Rektor der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Prof. Dr.-Ing. Jens Strackeljan. Die Veranstaltung war gut besucht, 80 bis 90 Personen, und wenn ich mich umschaute, war es eine bunte „Besuchermischung“. Es gab eine Menge Fragen aus dem Publikum. Es überraschte nicht, dass der Rektor und die Rektorin die Ansiedlung insgesamt positiv sehen und davon ausgehen, dass alles glatt läuft. Die Rekrutierung von qualifiziertem Personal wird als die größte Herausforderung gesehen, die die Hochschulen nicht allein bewältigen können. Meine Frage, wie die notwendige Transformationsfähigkeit der Magdeburger gesehen wird, wurde von der Rektorin sinngemäß so beantwortet: Das könnte in zwei Phasen geschehen. Einmal durch Toleranz und Verständnis bei der unmittelbar anstehenden Errichtung der Fabriken mit Baustellen und Verkehr sowie Angebote an das internationale Baustellenpersonal. Zum anderen, in der zweiten Phase, wenn die Fabrik steht, mit der notwendigen Entwicklung einer internationalen Willkommenskultur. Zugleich wurde klar, dass die Hochschulen von Intel „nichts geschenkt bekommen“, dass also Gegenleistungen erwartet werden. Die Investition in die Ausbildung von Mikrotechnologen, z. B. für das Lehrpersonal, auch viele Millionen Euro für Gebäude mit einem großen Reinraum, muss wesentlich von der Uni, sprich aus den Landeskassen von Sachsen-Anhalt erbracht werden.

„Kann das Projekt noch scheitern?“, fragte eine ältere Dame aus dem Publikum. Wenn das geschähe, dann wäre Magdeburg als großer Industrieproduktionsstandort auf Jahrzehnte „verbrannt“. Von der Erwartung, dass Magdeburg einmal 300.000 Einwohner haben könnte, müsste man sich dann verabschieden, meinte der Rektor.  

Die Bauernregel für diesen hellen und klaren 25. März klingt für das Intel-Projekt hoffnungsvoll: „Mariä Verkündigung hell und klar, ist ein Segen fürs ganze Jahr.“ Also schließen wir uns den optimistischen Äußerungen der beiden Hochschulvertreter an, die sie am Anfang der Veranstaltung äußerten.


Welches Werkzeug ist das richtige für den ersten Spatenstich?

Der erste Spatenstich für die Intel-Ansiedlung sollte natürlich stilvoll, dem Bördeacker angemessen, mit einem Rübenspaten oder. einem Rübenheber vollzogen werden. Das ist ein spezielles Werkzeug, mit dem früher die Bauern in der Börde die Zuckerrüben einzeln aus dem Boden heben konnte. Diese Werkzeuge gab es für Rechts-, Links- oder Beidfüßler, so dass sich die Politiker und Politikerinnen die richtigen Rübenspaten entsprechend ihren politischen Orientierungen aussuchen könnten.

Rübenspaten und Rübenheber - www.alltagskulturen.lvr.de 

Wann ist der richtige Zeitpunkt für den ersten Spatenstich?

Mit meiner Chip-Bauer-Regel nach vorn schauen: „Sind Magdeburg und Umland im April und Mai sich einig, wird der Weg zur Silicon-Börde nicht weit, nicht steinig.“

Nach den eingereichten, öffentlichen Unterlagen für die Teilgenehmigung soll ab dem 1. Juni der Bau beginnen, also ist im Juni der offizielle „Erste Spatenstich“ zu erwarten. Aber an welchem Tag? Welche Bauernregel sollte zur Anwendung kommen, um der Sache einen gesegneten Verlauf zu verschaffen?  

Die Lösung in zwei Schritten: Mittels KI sollte eine Wetterprognose für den Juni erstellt werden und in einem zweiten Schritt sollte das mit Bauernregeln korreliert werden.

Alte Bauernregeln für den Juni

·         13. Juni: „Wenn an St. Anton gut Wetter lacht, St. Peter viel Wasser macht."

·         15. Juni: „Hat St. Veit starken Regen, bringt er unermesslichen Segen.“

·         20. Juni: „Hat Margarete keinen Sonnenschein, dann kommt das Heu nie trocken ein.“

·         24. Juni: „Regnet es am Johannistag, regnet es noch 14 Tag."

·         29. Juni: „Peter und Paul hell und klar, bringt ein gutes Jahr.“

 

Ein guter Zeitpunkt wäre zwischen St. Anton und St. Veit, also der 14. Juni, der „Basilius-Tag“, weil sowohl bei lachender Sonne am 13. Juni als auch bei Regenwetter am 15. Juni die Auswirkungen in den Bauernregeln jeweils positiv beschrieben werden. Außerdem hat einer der voraussichtlichen Spatenstecher, Kanzler Olaf Scholz, am 14. Juni Geburtstag, Intel-CEO Pat Gelsinger, dessen zweiter Vorname Paul ist, der am 13. Juni gefeiert wird. Das alles könnte man mit „Reiner“ kombinieren, dem Namenstag unseres Ministerpräsidenten am 17. Juni.

St.Basilius - Bild: Wikipedia

Basilius (330 - 379) auch „der Königliche oder der Große“ genannt, ist ein wichtiger Heiliger und hat auch zu seiner Zeit Transformationsprozesse vorangetrieben (siehe auch Basilius der Große – Wikipedia). Damit ist er ein guter Patron für diesen Tag.

 

Neue Chip-Bauer-Regeln zum Basilius-Tag

Alles konzentriert sich auf die Zeit um den Basilius-Tag, also den 14. Juni. So möchte ich, damit alles gut läuft, für diesen Tag einige neue innovative Chip-Bauern-Regeln zur Auswahl stellen:

·         Regnet‘s auf Basilius, wird‘s für den Chip-Bauer ein Genuss.

·         Ist‘s Wetter auch beim Spatenstich rau, stört‘s nicht den Semiconductor-Bau.

·         Scheint zu Basilius die Sonne auf den Spaten, kann der Chip-Bauer durchstarten.

·         Bringt zu Basilius Olaf Millionius zum Pat-Paulinius,

Bördebezwinger Gelsinger, wird zum Chip-Fab-Bringer.

·         Der Landesvater Reiner, präsidial wie keiner

hält Reden, groß wie Basilius,

schippt Bördeboden, mit Genuss,

lässt sich loben, preisen, schlägt im Boden Schneisen.

·         Erster Spatenstich bei Strich-Regen? Werter Basilius, bring trotzdem Chip-Segen!

Vielleicht wird noch später im Hundertjährigen Intel-Kalender der Spatenstichtag nur rot angestrichen? Denn bis zu einem St.-Gelsinger-Day oder einen St.-Simone- oder gar einem St. Olaf-Tag – das ist ein weiter und harter Weg. Und wer will in Zeiten des Klimawandels schon wetterprognostische Regeln aufstellen?

Obwohl… wenn das von Pat Gelsinger formulierte Ziel, dass die Intel Corporation weltverändernde Technologien entwickelt, um das Leben aller Menschen auf dem Planeten zu verbessern, erreicht wird, dann wird er sich der Aufnahme in höhere Sphären wohl kaum entziehen können.

*) Am 6.4.24 korrigiert: Irrtümlich stand hier der 22. März 2024

Montag, 26. Februar 2024

# 043 Giulia und Latte macchiato am Hassel, EDTA bei Intel

Café „Square“ 

Treffpunkt 10:30 Uhr, Café „Square“ am Hassel ‒ im Schatten des Plättbolzens, in dem sich zurzeit die Magdeburger Intel-Dependance befindet ‒ für mich günstig fußläufig zu erreichen, ich wohne um die Ecke. „Fußläufig“, kommt mir in den Sinn, ist eigentlich „Verwaltungssprech“, aber darum soll es heute gerade nicht gehen, ich will doch möglichst locker wirken bei der Verabredung mit Giulia Bolognesi.

Mir fällt ein, dass ich kein Zeichen mit ihr vereinbart habe, an dem sie mich erkennen kann. Ich schaue mich vor dem und im Café um. An zwei Tischen jeweils zwei junge Frauen, die Studentinnen sein könnten. Eine schaut auf, die sich vorher auf Englisch mit ihrer Tischnachbarin ausgetauscht hat. Ich gehe hin und frage, ob wir verabredet seien. Sie ist irritiert. Ich versuche es mit Englisch. Sie schaut sich verunsichert um. Etwa nach Hilfe? Ich versuche, den Namen auszusprechen, den ich für einen spanischen oder italienischen halte. Meine Gesprächspartnerin hatte bei der Verabredung geschrieben, dass sie nicht so gut Deutsch spricht, aber nichts über ihre Nationalität. So versuche ich es mit der vermeintlich spanischen Variante: Giulia, am Anfang mit einer Art Rachenlaut, das klänge dann wie ein hartes Chulia [Xulia], was mir als Münsterländer besonders gut gelingt. Aber das löst bei beiden weiter Kopfschütteln, ja Abwehrgesten aus. Ob sie mich für einen alten CIS-Mann halten, der plump Annäherungen versucht? Ich bin überhaupt nicht locker. Ich verzichte auf weitere Kontaktversuche. Sie wird schon kommen, sage ich mir, immer wieder nach draußen schauend. Die junge Frau hinter der Selbstbedienungstheke, die mich nach meinen Wünschen fragt, vertröste ich: Gleich muss meine Verabredung hier sein.

 

Italienisch-Lektion in Magdeburg

Da tritt Giulia auch schon zur Tür herein. Ihr offener und suchender Blick trifft mich, sie lächelt, wir sprechen uns in Deutsch an, bestätigen durch einen Händedruck unser gegenseitiges Erkennen. Das hat schon mal geklappt. Sie hat sich wegen der Hassel-Baustelle etwas verspätet. Wir belegen mit unseren Taschen und Jacken einen Zweiertisch am Fenster und begeben uns zur Theke, um unsere Bestellungen aufzugeben: Für mich einen Chai-Latte, aber bitte aus der Dose mit dem grünen Etikett. Meine Gesprächspartnerin bestellt einen Latte macchiato. Das ist eine gute Gelegenheit, noch an der Theke, auf unsere Getränke wartend, ihre Nationalität zu klären: Giulia soll eher wie Julia ausgesprochen werden, also nicht das spanische Ch [X], erklärt sie. Sie ist Italienerin. Ihren Familiennamen Bolognesi soll ich wie „Bolognese“ bei Spaghetti aussprechen, also ohne „G“, aber am Ende mit „I“. Sie komme übrigens tatsächlich aus dem klassischen Bolognese-Land, aus der Nähe von Bologna zwischen Milano und Florenz.

Wie kommt man hier als Italienerin klar? Nun ja, ganz klassisch italienisch schmeckt der Magdeburger Latte macchiato nicht. Die Milch-Espresso-Milchschaum-Schichtung war nicht gelungen. Aber es gibt einige italienische Restaurants in Magdeburg, in einem jobbt sie zwei Tage die Woche als Kellnerin, die machen es richtig, weil sie eine Original-Espresso-Maschine haben. Sie erklärt mir das alles auf Deutsch, sie ist seit 4 Semestern hier. Ihr Deutsch ist besser als mein Englisch, stelle ich fest, als wir mit den Getränken unser Tischchen aufsuchen.

Unser Gespräch fließt. Ich frage, und sie antwortet ausführlich, aber ohne mäandernd abzuschweifen. Mir geht es um das Intel-Projekt. Unser Kontakt wurde von ihrer Professorin, Gilian Gerke, von der Hochschule Magdeburg-Stendal vermittelt, deren Wege sich mit meinen hin und wieder kreuzten. Zuletzt anlässlich des TASIMA-Kongresses im September, den Gilian Gerke hauptsächlich verantwortete (siehe Blogbeitrag aus dem Oktober 2023 - https://herbert-karl-von-beesten-intel-blog.blogspot.com/2023/12/28-oktober-2023-der-raum-die-o-tone-die.html).

Über Gerkes und die Posts von Intel-Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen bei LinkedIn wurde ich auf ein gemeinsames Projekt der Hochschule mit Intel aufmerksam, und Giulia Bolognesi war eine der Studierenden, die da dabei waren.

 

Feelings

Was mich dabei interessiert? Natürlich das Projekt selbst, aber auch das „Drumherum“, das Feeling, ihre Erfahrungen. Sie ist immer noch begeistert: Erzählt, wie es in München in der Intel-Deutschlandzentrale auf dem Campeon war (siehe auch meine Chip-Visite Besuch dort, Februar 2023 - https://herbert-karl-von-beesten-intel-blog.blogspot.com/2023/12/07-chip-visite-im-februar-2023.html ), sie schildert das Vorgehen bei der Abschlusspräsentation im Intel-Werk in Irland. Dabei kennt Giulia sich in der Welt aus, lässt sich nicht so schnell beeindrucken, sie kennt das coole Milano, hat ein Jahr in den Staaten gelebt, ist immer wieder im hippen Berlin. Die praktische Zusammenarbeit in einem weltweit agierenden Technologiekonzern von innen kennenzulernen und dort eingebunden zu sein, das sei schon etwas Besonderes. Die Intel-Leute würden fundiert und sehr planvoll vorgehen, wollen alle mitnehmen, Widersprüche gelten nicht als Eklat, weil man einer gemeinsamen Vision folgt.

 
Campeon Munich - Studierende, Professoren und Professorinnen der Magdeburger Hochschule - Foto Privat

EDTA

Welche Aufgabe hat Intel gestellt? Es sollte eine Lösung entwickelt werden, um die Chemikalie „EDTA“ (Ethylendiamintetraessigsäure), die nach der Chip-Produktion im Abwasser zu finden ist, entfernen zu können. Im Original: „Removal of EDTA from semiconductors wastewater“. Es wurden 5 Teams aus Studierenden im 4. Semester des Studiengangs „Sustainable Resources, Engineering and Management“, kurz StREaM (Nachhaltige Ressourcen, Ingenieurwesen und Management) gebildet, die ein Semester lang intensiv in einem Wettbewerb um die beste Lösung gerungen haben.

Warum alles in Englisch? Es ist ein internationaler Studiengang. Das heißt, dass alle Veranstaltungen in englischer Sprachs stattfinden. Giulia Bolognesi erzählt, dass in ihrer Studiengruppe 15 verschiedene Nationalitäten zu finden sind. Sie zählt die meisten auf, aus Europa, Asien, Afrika, Naher Osten, alles vertreten.

Gruppe der Hochschule Magdeburg-Stendal bei Intel in Dublin
Foto: Louis Deacy - Intel-Campus 
 


Warum hat sie gerade diesen Studiengang gewählt? Weil sie sich für die Umwelt engagieren möchte und sich für Anwendungen von „Grünen Technologien“ interessiert, sodass sie nach dem Erreichen des Bachelors viele Möglichkeiten haben möchte, was und wo sie arbeitet. Oder sie studiert weiter. Dieser Studiengang sei in dieser Kombination einzigartig, und in Deutschland gibt es nur an zwei, drei Hochschulen etwas Ähnliches, aber nichts Identisches. Deswegen kam nur Magdeburg infrage.

Zurück zur EDTA-Aufgabe. Auf welche Lösung kam ihre Gruppe? Es wurde intensiv recherchiert, sowohl in der technischen als auch in der rechtlichen Literatur. Wöchentlich mussten die Teams den beiden betreuenden Professoren, Frau Dr.-Ing. Gilian Gerke und Herrn Dr.-Ing. Benedikt Lamontain, die Zwischenergebnisse präsentieren. Es ergaben sich tatsächlich 5 verschiedene theoretische Ansätze für eine kleintechnische Lösung. Giulias Gruppe entwickelte eine Lösung mit einer Nano-Membran, einer speziellen, hauchdünnen Folie, die beim Vorbeiströmen von Abwasser EDTA zurückhält. Eines der Probleme war, die Folien wieder zu reinigen, damit sie länger effektiv funktionieren. Aber theoretisch wäre „nur“ eine neunundneunzigprozentige Reinigung bei diesem Lösungsansatz möglich. In Deutschland müsste die EDTA-Reinigung, anders als in anderen europäischen Ländern, einhundertprozentig sein.

 

Finish in Dublin


Prof. Dr. Manuela Schwartz (Rektorin), die Preisträger Robert Rehberg, Giulia Bolognesi und Milan-Lars Lorenzen (Studierende und Scholarships), Bernie Capraro (EU Talent Development Programme Manager, Intel) Foto: Ruth Callinan UCD-Campus









Und wie ging der Wettbewerb aus? Mit der Präsentation des Lösungsansatzes bei Intel in Irland war ihre Gruppe unter den drei besten. Drei Studierende – darunter auch Giulia – haben als Preis ein Stipendium von Intel erhalten. Das hilft ihr, neben einem weiteren Stipendium, finanziell über die Runden zu kommen. Dazu trägt auch ihr Job als Kellnerin in einem italienischen Restaurant bei. Ein günstiger Nebeneffekt: Sie kann aus ihrer „englischen Blase“ herauskommen und bei der Bedienung von Magdeburgern weiter Deutsch lernen.

Kann sie sich vorstellen, bei Intel zu arbeiten? Nach dem, was sie von Intel kennengelernt hat: Die Menschen, die Technologie, die langfristige Strategie und der Umgang mit- und untereinander: Ja, sie kann es sich gut vorstellen. Auch mit der Stadt Magdeburg freundet sie sich an.

 

Perspektive

Giulia Bolognesi wird ihren Bachelor wahrscheinlich Ende 2025 in der Tasche haben. Dann noch ein Masterstudium? Das Timing könnte für Intel-Magdeburg gut passen. Sie weiß, dass ihr in vielen Bereichen die Welt offensteht, als gut ausgebildeter Frau, international erfahren und engagiert. Vielleicht Teil der zukünftigen Magdeburger jungen Generation? Das erinnert mich an meine Hoffnungen, meinen Idealismus von einst. Der Nachwuchs ist am Zuge. Man sagt auch „capacity building“ dazu, nicht nur bei Intel. Wir brechen auf.

Beim Verlassen des Cafés treten wir auf den aufgerissenen Hassel-Square, Ende Februar weit entfernt von einem mediterranen Hassel-Piazza-Feeling. Ich zeige ihr, bevor wir uns trennen, noch den benachbarten Plättbolzen, den kleineren, provinziellen, aber drei Jahre älteren Bruder (oder die Schwester?) des New Yorker Flatiron-Buildings. Aber was die Magdeburger mit „Plättbolzen“ meinen, ihr das zu vermitteln, gelingt mir nicht.


Wieder allein unterwegs, fällt mir ein, dass ich nicht, wie sonst üblich, weder mein Aufnahmegerät noch meinen Fotoapparat benutzt habe. Ich wollte nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen. Danach war unsere Unterhaltung so anregend, dass ich nicht mehr daran gedacht habe. Das intensive Gespräch habe ich aber in guter Erinnerung, wie man lesen kann, und an ein oder zwei Fotos komme ich vielleicht noch.

Donnerstag, 22. Februar 2024

# 042 Ankündigung: Intel-Ansiedlung literarisch! Geht das?


·         Technologie trifft Literatur – Blog zur Transformation

·         Herbert Karl von Beesten im Gespräch mit dem Schriftsteller Albrecht Franke

·         Ingenieurskunst und Schriftstellerei

Seit Anfang 2023 begleitet Herbert Karl von Beesten mit seinem Blog das Intel-Ansiedlungsprojekt in Magdeburg. Das heißt, dass er zur „Transformation“, (wie verändern sich die Stadt und die Umgebung durch das Industrieprojekt, was bedeutet das für die Menschen, was sind ihre Hoffnungen, welche Bedenken gibt es?) – regelmäßig im Internet Texte, Grafiken und Bilder zum Thema veröffentlicht.  Wer Zugang zum Internet hat, kann sich das ansehen.

Unterstützt wird er dabei vom Schriftsteller Albrecht Franke. Beide arbeiten schon seit einigen Jahren bei literarischen Projekten zusammen. Außerdem strahlt Intel auch auf Stendal aus, wo Albrecht Franke wohnt. So wurde in der „Stendaler Volksstimme“ vom 7. Februar 2024 mit der Schlagzeile getitelt: „Intel: Chancen für die Altmark“. Als gebürtiger „Bördianer“ hat Albrecht Franke auch eine emotionale Beziehung zum Bördeboden.

Beide Autoren werden am Montag, 4. März 2024, ab 17 Uhr in der Stadtbibliothek Magdeburg, Breiter Weg 109, über die Arbeit an dem Blog sprechen und daraus zitieren.

Das verspricht interessant zu werden, kommen hier doch zwei vermeintliche Gegensätze zusammen: Auf der einen Seite Herbert Karl von Beesten, gebürtig aus dem Münsterland und gelernter Ingenieur, der schon Ende der 70er-Jahre unter Verwendung des Intel-8085-Prozessors Mess- und Analysesysteme für Sonnenergieanlagen entwickelt hat und als autodidaktischer Quereinsteiger ins literarische und darstellende Fach wechselte. Auf der anderen Seite Albrecht Franke, in der Börde aufgewachsen, Lehrerstudium, Veröffentlichungen in DDR-Verlagen und nach 1989 – neben seiner Tätigkeit als Gymnasiallehrer für Deutsch und Philosophie - weiterhin als Schriftsteller tätig. Durch das „Intel-Projekt“ hat er sich auch auf die komplizierten Themen der Halbleitertechnologie eingelassen müssen.

Gemeinsames Anliegen der beiden ist, das gesellschaftlich relevante Thema der Transformation durch die Intel-Ansiedlung nicht nur sachlich zu beschreiben, sondern auch durch literarische, essayistische, erzählende und satirisch-ironische Texte anders zu beleuchten: Visionäre Perspektiven mit einem Augenzwinkern nicht ausgeschlossen.

Im Gespräch der beiden Autoren, an dem sich die Zuhörer gern mit Fragen beteiligen können, wird auf die Arbeitsweise und die Themensuche eingegangen. Interessant dürfte das Abwägen des „Für und Wider“ werden, nämlich, ob Literatur in dieser Form etwas bewirken kann, abgesehen von den monatlich ca. 1.000 Aufrufen des Blogs. 

Dienstag, 17. Oktober 2023

# 028 - Oktober 2023 - Der Raum – Die O-Töne – Die Tagung – Der Vortrag – Das Büfett – Aussicht auf Schnitzel

Schwierige Geschichten im Ohr ‒

Raumwandler

Mein hilfloses Schweigen im Raum der schemenhaften Wände, mein Denken zwischen Bildschirmen eingesperrt. Nachgeburten von Ereignissen, Stimmungen füllen den Raum mit abgelegt geglaubten Momenten. Geschichten kriechen in meinen Kopf.

Unterwegs in Magdeburg ‒ in der Remtergasse hinter dem Dom ‒ stelle ich mir vor, dass dieser Raum schon vor 500 Jahren so ausgesehen haben könnte. Hat alles überstanden. Der Knopf im Ohr serviert mir anlässlich „100 Jahren öffentlicher Rundfunk“ ein Feature mit O-Tönen aus ikonografischen Radiosendungen.

Bericht aus dem Elbe-Saale-Camp

Am 25. Juli war ich im Elbe-Saale-Camp (www.elbe-saale-camp.de) bei Barby zu einem Vortrag und einer Diskussion eingeladen. Thema: Intel. Die Wasserfrage stand hier selbstverständlich im Mittelpunkt. Ich las einige Passagen aus dem Blog vom März 2023. Ich berichtete von meinem Gespräch mit dem Wasserwissenschaftler Dr. Karsten Rinke vom Helmholtz-Institut und meiner ausführlichen Exkursion mit dem Börde-Landwirt Jörg Claus. Für mich blieben damals in Wasserangelegenheiten Fragen offen, denn solange aus den noch ausstehenden Genehmigungsunterlagen nicht deutlich wird, wie viel Intel-Wasser tatsächlich benötigt wird und wie dieser Bedarf gedeckt werden soll, kann man keine Bewertung vornehmen.

Bei der anschließenden Diskussion im Camp blieben die Zuhörer skeptisch, weil in der Vergangenheit beim Widerstand gegen den Elbe- und Saaleausbau die Informationslage immer „schwierig“ war. Einige Teilnehmer waren konträrer Meinung zu den Stimmen meiner Quellen, nämlich, dass die Intel-Wasserversorgung umweltverträglich und mengenmäßig zu schaffen sei. Ich war nicht in der Lage, hier zu bewerten. War das für die Camp-Teilnehmer enttäuschend? 

 

Zeitenwandler

Nun wieder O-Töne im Ohr: Absturz des Luftschiffes „Hindenburg“ 1937, der Reporter weint. Die martialische Stimme des Senders Gleiwitz 1939, der Krieg beginnt, endet mit: „… hier ist der Reichssender Flensburg. Deutsche Männer und Frauen …“ Der 17. Juni. Dann: „I have a dream“, Panzerketten-Albtraum 68 in Prag. Die verhaltene, leise Reporterstimme beim Kniefall von Willi Brandt, „Grândola, Vila Morena“ zum Mitsingen, Embedded Journalism – live aus dem Panzer im Irak.

Vergangenheit. Jetzt wird mein Raum von Geschichten belagert, auf überdimensionalen Monitorwänden. Links die „Tageschau“: Ein großer starker Mann, Israeli, dreht sich weg bei der Schilderung der Entführung seiner beiden Töchter, seine Stimme bricht, er weint vor der Kamera, Stolz verrichtet nichts.


Rechts, der andere Krieg auf Facebook! Talkshow-Generäle verrechnen Geländegewinne mit Menschenverlusten in der Ukraine. Lassen mich über die „nur“ 36 Toten beim Zeppelinabsturz der „Hindenburg“ lächeln. Fängt so Relativierung an?

Die Videowand hinter mir mit Szenen von Dürren und Fluten, Stürmen und Fluchten. Eine Katastrophenschutzübungsszenariumsreportage aus Paris: Mit Wortmonstern gegen künftige 50-Grad-Sommerhitze-Ungeheuer.

„Chip, Chip Hurra“         

„Chip, Chip Hurra: Geht im Osten jetzt die Sonne auf?“ ‒ der Titel einer Veranstaltung der Rosa-Luxemburg-Stiftung am 19. September 2023 in der Magdeburger Universitätsbibliothek ( Chip, Chip Hurra: Geht im Osten jetzt die Sonne auf? - Rosa-Luxemburg-Stiftung (rosalux.de), an der ich als Zuhörer teilgenommen habe. Der Veranstaltungsraum war mit ca. 60 Teilnehmern sehr gut gefüllt, die Stühle reichten nicht. Auf dem Podium neben dem Moderator zwei Wirtschaftswissenschaftler und ein politisch engagierter Student. Einig war man sich darin, dass die Intel-Ansiedlung wirtschaftlich für Magdeburg und Sachsen-Anhalt positive Effekte erzeugen wird.

Der Leipziger Humangeograph und ausgewiesene Spezialist für die ostdeutsche Wirtschaft, Dominik Intelmann, – ja, so heißt er wirklich – sah weiter die Gefahr, dass es den ostdeutschen Menschen wie nach der Wende nicht gelingen werde, angemessenes Vermögen zu bilden. Ursache dafür sei – vereinfacht ausgedrückt – dass bei der Wiedervereinigung das Volksvermögen nicht in ostdeutsche Erbschaften umgemünzt wurde und noch heute die Einkommen niedriger als in den alten Bundesländern sind, in denen zusätzlich noch potente Erbschaften die Regel waren und sind. Das wäre auch der Grund dafür, dass es immer noch einen erheblichen Finanztransfer von den alten in die neuen Bundesländer gibt. Der Humangeograph schätzte es wohl so ein, dass sich durch die Intel-Ansiedlung grundsätzlich nicht viel daran ändern würde.

Prof. Dr. Andreas Knabe, Volkswirtschaftler von der Uni Magdeburg, stimmte zum Teil zu, aber aus Deutschland- und Europasicht wäre es fraglich, ob die Subventionen nicht mittel- und langfristig für die Entwicklung anderer, neuer Technologien sinnvoller seien. Die Subventionen, die über Steuern von uns allen gezahlt werden, könnten nur einmal ausgegeben werden. Die anschließende Diskussion war rege, indem das Für und Wider der Intel-Ansiedlung diskutiert wurde. Skepsis war im Raum bei den Zuschauern, keine Hipp-Hipp-Hurra-Stimmung. Am Ende ging es auch um die Wasser- und Bodenfrage sowohl aus Umweltsicht als auch um den kapitalistischen Umgang mit volkswirtschaftlichen Ressourcen als Produktionsmitteln.


Mein nicht ganz ernst gemeinter Diskussionsbeitrag an dem Abend: Mit den Subventionen aus Steuern für Vermögen, Einkommen und Erbschaften, die, wie beschrieben, zum größten Teil aus den alten Bundesländern stammen, sollte Intel in Magdeburg aufgebaut werden. Umsatz und Unternehmenswert von Intel steigen durch die gute Mitarbeit der Magdeburger. Da Intel und weitere Zulieferer gute Gehälter zahlen werden, könnten wir Ostdeutsche davon Intel-Aktien kaufen und dank steigender Intel-Aktienkurse und satter Renditen endlich Vermögen bilden. So würde ein Vermögenstransfer von denen im Westen zu uns in den Osten erfolgen. Eine Zuschauerin unterstützt mich begeistert: „Und dann können wir auch vererben!“ Genau.

Under pressure ‒ Unter Druck

Ein großer Bildschirm über mir, er senkt sich langsam, schiebt sich zwischen die Wände, Populistenfratzen schauen auf mich herab, ich ducke mich, der Bildschirm senkt sich langsam weiter wie in einer Schrottpresse, immer tiefer, ich probiere noch ein Tänzchen auf dem Vulkangestein.

Cliffhanger, der Vorhang fällt noch nicht endgültig. Pause. Ich bleibe. Der Vorhang hebt sich. Ich liege zwischen den Monitorwänden, das Stück heißt „Eindimensionales Plattmachen“, die Presse senkt sich weiter.

Die Welt verbrennt in mir, zündelt am Schreibbegehren, an der Lust, klein, klein über andere Räume zu schreiben. Was ist das für eine Zeit, in der ein Blog über die Intel-Ansiedlung zugleich ein Schweigen über so viele …  Das habe ich mir fein ausgedacht, oder? Ein Schmuckspruch, geklopft außerhalb der Hörweite des Kanonendonners, nicht in Reichweite der Marschflugkörper.

Ist das Intel-Thema für Magdeburg, für mich wirklich noch wichtig in Anbetracht der Weltlage? Meine literarischen Fingerübungen und Hütchenspiele nichts als zerplatzende Sprechblasen, ein Luxusproblem? Eskapismus?

 

Zitate aus Internet-Artikeln im Oktober 2023 zur Situation von Intel in Israel:

Aus US-News/Reuters

      9. Oktober 2023 Google-Übersetzung ins Deutsche:

How Israel's Tussle With Hamas Negatively Impacting The Global Semiconductor Industry (circuitdigest.com)

Ein Sprecher des Chipherstellers Intel, Israels größtem privaten Arbeitgeber und Exporteur, sagte, das Unternehmen beobachte „die Situation in Israel genau und ergreift Schritte, um unsere Arbeiter zu schützen und zu unterstützen".

Der Sprecher lehnte es ab, zu sagen, ob die Chipproduktion von der Situation betroffen ist. Der Aktienkurs von Intel fiel am Montag um0,5% https://www.usnews.com/news/technology/articles/2023-10-09/israels-tech-sector-could-face-disruptions-after-attacks-investors

 

 Aus eps-news

11. Oktober 2023 - Google-Übersetzung ins Deutsche:

Krieg in Israel wirkt sich auf die Elektronik-Lieferkette aus

„Unsere Absicht, die Produktionskapazitäten in Israel zu erweitern, wird von unserem Engagement angetrieben, den zukünftigen Produktionsanforderungen gerecht zu werden. Wir schätzen die anhaltende Unterstützung der israelischen Regierung", sagte Intel in einer Erklärung.

Da sich die Fabriken relativ nah am Konfliktgebiet befinden, gibt es Bedenken hinsichtlich der Sicherheit dieser Einrichtungen und ihrer Mitarbeiter. Wie andere Unternehmen beobachtet auch Intel die Situation genau und ergreift Maßnahmen, um die Sicherheit und Unterstützung seiner Mitarbeiter zu gewährleisten.

„Wir beobachten die Situation in Israel genau und ergreifen Maßnahmen, um unsere Mitarbeiter zu schützen und zu unterstützen", sagte ein Intel-Sprecher am Montag.

https://epsnews.com/2023/10/11/war-in-israel-to-impact-electronics-supply-chain/

Aus circut digest

17. Oktober 2023 Google-Übersetzung ins Deutsche

Wie sich Israels Streit mit der Hamas negativ auf die globale Halbleiterindustrie auswirkt (Circuitdigest.com)

Intel verfügt über fünf große Standorte, die 12.800 Menschen beschäftigen, und die Arbeit umfasst KI und autonome Fahrzeuge. Haifa hat einen Anteil am Server- und PC-Markt des Unternehmens. Neben Haifa ist Kiryat Ghat ein weiterer wichtiger Standort für die Chipproduktion. Der Punkt ist nun, welche negativen Auswirkungen die geopolitischen Auseinandersetzungen auf die Halbleiterindustrie haben. Ein Ingenieur von Nvidia wurde von den Militanten entführt und später musste das Unternehmen seine KI-Konferenz absagen, die für den 15. Oktober geplant war.

Vorwort zum Quartalsbericht (30.9.23) vom Intel CEO Pat Gelsinger vom 26. Oktober 2023

CEO/CFO Earnings Call Comments (pdf)

• Bevor wir beginnen, sind wir angesichts unserer bedeutenden und mittlerweile fast 50-jährigen Präsenz in Israel zutiefst betrübt über die jüngsten Angriffe und ihre Auswirkungen auf die Region.

Unsere höchste Priorität ist die Sicherheit und das Wohlergehen unserer Menschen in Israel und ihrer Familien, aber ich möchte auch die Widerstandsfähigkeit unserer Teams anerkennen, die unseren Betrieb am Laufen gehalten und die Erweiterung unserer Fabrik vorangetrieben haben.

Unsere Gedanken sind bei allen, die vom Krieg betroffen sind, und ich bete für eine baldige Rückkehr zum Frieden.

 

Der Wandel – In schwierigen Zeiten

Intel arbeitet jetzt schon in Israel mit viermal so vielen Bediensteten, wie voraussichtlich in der ersten Phase in Magdeburg arbeiten werden. Das ist Intels größter und wichtigster Standort für Entwicklung und Produktion außerhalb der USA, wo in den nächsten Jahren weitere 25 Milliarden Dollar investiert werden sollten, fast so viel wie in Magdeburg. Oder war diese Israel-Investition schon vor einigen Monaten ganz oder teilweise abgesagt? („Volksstimme“ vom 28.1.2023: „Intel rutscht in die Verlustzone“, heißt es da. Der letzte Quartalsbericht bis September 2023 zeigt wieder deutliche Gewinnzahlen bei zurückgehenden Umsätzen.)

Die Zulieferprobleme der Automobilindustrie durch den Ukrainekrieg haben Magdeburg bislang nur vom Hörensagen tangiert, nämlich durch die Wolfsburg-Pendler. Raketenexplosionen in der Ukraine gaben schon den Takt für die Begleitmusik zur offiziellen Ankündigung der Magdeburger Intel-Ansiedlung. Was in Israel passierte und wie es dort weitergeht, wird auch den weiteren Magdeburger Intel-Takt beeinflussen: Sicherheit für Menschen und Fabriken, politische Stabilität, Risikoverteilung und Zuverlässigkeit rücken in den Vordergrund. Wo steht Magdeburg in der bedrohten Lieferkette, wenn es in Israel noch schwieriger wird, so dass das, was möglicherweise dort für die Magdeburger Intel-Produktion entwickelt werden sollte, ausfällt? Magdeburg am Ende der Kriegsnahrungskette? Bedeuten diese Art „Sorgen“ eine Relativierung des Leids?

Die Tagung

Mitte September 2023 saß ich im weiten, gut besetzten Rund des Auditoriums der „Tagung Siedlungsabfallwirtschaft Magdeburg“, kurz TASIMA (www.h2.de/tasima), der Hochschule Magdeburg-Stendal. Zwei Tage auf dem Campus am Herrenkrug wollte ich mir gönnen, um wie in alten Zeiten an einer Art Symposium teilzunehmen. Außerdem war ein interessanter Intel-Kongressbeitrag angekündigt.


Zur TASIMA-2016 hatte ich als Kulturbeitrag eine Performance zum Thema „China“ präsentiert. Das war damals ein großes Thema. Der Energiekonzern Energy from Waste GmbH (EEW), zu dem auch mehrheitlich das Magdeburger Müllheizkraftwerk (MHKW) in Magdeburg-Rothensee gehört, wurde damals komplett von einem chinesischen Staatskonzern übernommen. Das war bis dahin die größte chinesische Direktinvestition in ein deutsches Unternehmen. Später wich die China-Euphorie dem Intel-Hype. Am ersten Konferenztag stand nach der Mittagspause der Vortrag „Intel‘s commitment to sustainabillity“ im Programm, „Intels Engagement für Nachhaltigkeit“. Vielleicht würde ich da Konkretes erfahren über den zukünftigen Wasserverbrauch der geplanten Werke in Magdeburg.


Am Vormittag des ersten Tages waren zwei ernüchternde Vorträge zu verkraften. Nach den Grußworten folgte eine ZOOM-Übertragung aus Berlin vor schmucklosem Bürohintergrund, Frau Dr. Susanne Lottermoser, Ministerialdirektorin im Bundesministerium für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt. Der harmlos klingende Titel: „Aktuelle Entwicklungen in der Kreislaufwirtschaft“.

Im Vortrag wurde deutlich, dass aufgrund der vielen neuen Werkstoffe, chemischen Substanzen und Stoffgruppen, viele Regelungen und Gesetze der Kreislaufwirtschaft überarbeitet oder als neue Gesetze verabschiedet werden müssen. Nach der nationalen Klärung und Auseinandersetzung mit Interessenvertretern und Anspruchsgruppen, den so genannten Stakeholdern, muss die europäische Abstimmung erfolgen. Wenn ich das richtig verstanden habe, sah sie den Zeithorizont dafür bis 2030. Ihr Hinweis, dass parallel dazu immer wieder neue, weitgehend unbekannte Stoffe von der Industrie entwickelt werden, um andere, heute als kritisch betrachtete Stoffe, abzulösen, erinnerte mich an das Märchen vom Wettlauf zwischen Hase und Igel.

Der zweite Vortrag „Die Umweltbelastung mit Chemikalien und ihre planetaren Grenzen“ von Prof. Dr. Werner Brack vom Leipziger Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH (UFZ) war noch niederschmetternder. Der lockerere Vortragstil und dass der Professor mich irgendwie an Otto von Guericke erinnerte, standen im Kontrast zu seinen harten Fakten: Global 10 Millionen Tote pro Jahr durch Umweltverschmutzung, Auslöschung von Tierpopulationen durch Anreicherung von PCBs (polychlorierte Biphenyle) in Nahrungsketten. Ich verstand nicht, was PFAS (Per- und polyfluorierte Alkylverbindungen) sind, aber dass es eine europäische Initiative gibt, 10.000 PFAS-Varianten als so genannte resistente Ewigkeitschemikalien zu verbieten. Mikroplastik im Meer, Sonnenschutzmittel lassen Korallen absterben, Reifenabrieb setzt Antioxidationsmittel frei, Pestizideinsatz bewirkt … Stopp, Stopp … die planetaren Grenzen sind überschritten! Keine Neuigkeit. Genug! Ich bekomme den Vortrag als Tagungsdokumentation nach Hause geschickt, da kann ich alles schwarz auf weiß nachlesen.

Ich erinnerte mich an meinen Besuch im Halbleiter-Reinraumlabor der Uni-Magdeburg (Artikel über Partikel in meinem September-2023-Blog), wo ich gelernt habe, dass auch bei der Chipherstellung mit vielen chemischen Substanzen gearbeitet wird. Ich lese in anderen Quellen nach, dass der PFAS-Einsatz in der Halbleitertechnologie üblich, ja unabdingbar ist. Wie muss die PFAS-Problematik in Bezug auf die Intel-Ansiedlung eingeordnet werden? 

Beim Mittagessen und bei Gesprächen mit einigen TASIMA-Protagonisten und Protagonistinnen versuchte ich mich wieder aufzubauen. Eine Aufhellung der Stimmung durch erhöhte Nahrungsaufnahme war nicht möglich, da die Speisen so knapp bemessen waren, dass das Büfett schnell restlos abgeräumt war. Auf diese Weise wanderten keine Speisereste in den Abfall, wie sich das für eine nachhaltige Veranstaltung gehört. Gut, dass ich mir schon im September Spekulatius als Notration gekauft hatte.

Der Vortrag

Die nächste Vortragende war Anneclaire Mohr von der Intel Deutschland GmbH, München. Ein Vortrag in Englisch und ein erfrischender Kontrast zum Vormittagsprogramm: Aufgeräumte professionelle Folien, 1-A-Corporate Design mit Intel-Blau in Himmelblau, Natur-Hochglanzhintergrundbilder, positive Perspektiven und Erfolgsmeldungen in Sachen Energieeinsparung, CO₂- und Abfallreduzierungen bis fast auf „Zero“, sehr hohe Anteile regenerativer Energie, Milliarden Dollar Investitionen in Wasser- und Kreislaufwirtschaft. Was noch nicht als absolutes Ergebnis erreicht war, soll bis 2030, spätestens 2040 erledigt sein. Es war ein allgemeiner Überblick über alle Intel-Einrichtungen an 13 Standorten, auch in Israel, einschließlich der gerade geplanten oder im Bau befindlichen neuen Werke in Ohio, Polen und Magdeburg. Aber keine Details zu Magdeburg. Nichts zum Wasserverbrauch auf dem Eulenberg, zum Bördeboden und nichts zur Abwasserableitung und zu dem lokalen Energiethema. Auch nichts zur aktuellen Branchendiskussion, inwieweit ein europäisches PFAS-Verbot den Chips-Act gefährden könnte.

In der abschließenden Diskussion gab es so gut wie keine Fragen. Warum wurde nicht wie bei den anderen Beiträgen fachlich nachgefasst? Weil im Plenum fast nur ausgewiesene Umwelt-, Energie-, Wasser- und Abfallfachleute saßen? Vielleicht, weil die Rednerin juristische Fachfrau ist, zuständig bei Intel für Umweltrecht und globale Regierungsangelegenheiten? Oder enthielten die seit Anfang 2023 erschienenen über 300 Volksstimme-Artikel mehr Informationen für die Fachleute als der Intel-Präsentation zu entnehmen waren?

Den Power-Point-Vortrag, der wohl für Magdeburg etwas angepasst worden war, habe in ähnlicher Form vom November 2022 auch im Internet gefunden.

https://www.semi.org/sites/semi.org/files/2022-11/03_AnneclaireMohr_Intel.pdf.

Ich hatte mehr erwartet.

Bei der anschließenden Podiumsdiskussion spielte Intel keine Rolle mehr. Es wurden die neuen und geplanten Gesetze im Bereich der Recyclingwirtschaft und Energieversorgung diskutiert. Von mehreren Protagonisten auf dem Podium wurde bedauert, dass man wegen der sich ständig ändernden Gesetzeslage kaum mehr als ein Jahr Planungssicherheit hätte, obwohl für große Investitionen ein Zeithorizont von fünf bis zehn Jahren notwendig sei.

Ich ergriff das Wort während der geöffneten Diskussionsrunde, wies auf den Widerspruch hin, dass Intel, wie bei der vorhergehenden Präsentation beschrieben, schon bis 2030 in Deutschland konkret plant, obwohl die Runde auf dem Podium soeben von nur einem Jahr Planungshorizont gesprochen habe.

Der Moderator parierte die Frage mit dem Hinweis, dass man beim nächsten TASIMA-Kongress in einem Jahr darauf eingehen wolle, dann wisse man mehr, nach der TASIMA sei vor der TASIMA. Ich war ernüchtert. War doch schon Monate vor diesem Termin in der Presse die TASIMA-Beteiligung von Intel hervorgehoben worden. Also diesbezüglich: Außer Spesen nichts gewesen.

Der Kongressabend im OLI-Kino war dennoch interessant. Neben vielen Netzwerkkontakten wurde auch ein Blick in die Kinozeit der 70er-Jahre mit Ausschnitten aus der DDR-Kino-Wochenschau „Der Augenzeuge“ geboten. Internationale Vertreter oder Vertreterinnen von Intel waren meines Wissens nicht anwesend. Vielleicht ganz gut, denn der eine oder andere stramme sozialistische Kommentar zur Wachsamkeit gegenüber dem westlichen Klassenfeind aus dem „Augenzeugen“ hätte vielleicht bei ihnen Irritationen ausgelöst.

Das Büfett war diesmal viel zu üppig, so dass einiges davon bestimmt als Schweinefutter in die Kreislaufwirtschaft ging. So liegt es vielleicht beim nächsten TASIMA-Kongress wieder als Schnitzel auf dem Teller.

Kein Raum für die Relativierung schwieriger Geschichten 


Immer noch der Knopf im Ohr, Robert Habeck redet. Deutlich, scharf, pointiert: Trotz der Straßengeräusche dringen seine Sätze ein und haken sich fest:

Jüdische Kinder hätten Angst, zur Schule zu gehen –   heute, hier in Deutschland: 80 Jahre nach dem Holocaust! Darum sei Staatsräson keine Leerformel. Das Existenzrecht Israels dürfe nicht relativiert werden. Er setze sich dafür ein, dass Wasser, Medikamente, Hilfsgüter nach Gaza kommen. Israel müsse sich an das Völkerrecht halten. Das „Beide-Seiten-Argument“ führe aber in die Irre. Die Hoffnung auf Frieden dürfe nicht aufgegeben werden. Aber auch die Palästinenser hätten das Recht auf einen eigenen Staat. Jedes tote Kind ist eines zu viel. Antisemitismus dürfe nicht gerechtfertigt werden … Das wisse Deutschland.

Ich gehe nach Hause und werde, ohne Nebengeräusche, Habecks Rede noch einmal anhören:

 https://youtu.be/-JfiOOuXG2Y?si=bedTYNri_PJUk3dC