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Freitag, 10. Mai 2024

# 051 "K wie Karambolage"- Ein VR Movie

Ich hatte mich gleich bereit erklärt, den Ortstermin wahrzunehmen. Es passte in meinen Plan, von Prag aus auf seinen Spuren zu wandeln, nach und nach seine Reisen nachzuvollziehen. Magdeburg lag schon auf halber Strecke zur Insel Norderney, aber das behielt ich für mich. Dorthin hatte K. als junger Mann seine erste Reise unternommen. War er auch mit der Eisenbahn über Magdeburg gefahren, um sich dort über Fragen der Arbeitssicherheit zu informieren? Magdeburg war damals neben Böhmen ein wichtiges Industriezentrum.

Seit einiger Zeit häuften sich die Anfragen von meinen tschechischen Landsleuten, ob unser Schutz für die verschiedenen Policen auch gelte, wenn man für ein paar Jahre auf dieser Baustelle in Deutschland arbeiten und zugleich in Magdeburg leben würde. Dort sollte etwas Neues entstehen: Riesige Computerchip-Fabriken, Giga-Chip-Fabs. Kamen da neue Risiken auf unsere Versicherung zu?

Wandbild auf dem Weg von DELL
zum Hbf Halle (Saale)

„Wir müssen uns den neuen Technologien stellen, deren Umfeld und Risiken ausleuchten und vor allem die Rolle der KI begreifen“, verkündigte ich den Herren Direktoren. Denen gefiel das: „Da müssen jetzt die jungen Leute ran, das ist die Zukunft, also los!“, hieß es. Die Herren waren nun so gut gelaunt, dass ich ein paar Urlaubstage anhängen durfte.   

Jung war ich. Ich sprach auch Deutsch, in der Schule auf nachdrückliches Anraten meines Vaters gelernt. Beim Umstieg in Dresden kaufte ich die aktuelle „Süddeutsche“ und das „Handelsblatt“. Für meine Recherchen hatte ich auf meinem Notebook schon ältere Ausgaben der beiden Zeitungen sowie meinen Abo-Zugang zum E-Paper der „Magdeburger Volksstimme“, die ich im ICE nach Leipzig nach „Intel“ durchforstete. Mir fiel dabei zum ersten Mal bewusst das kleine, silbern glänzende Label neben meiner Notebook-Tastatur auf: „intel CORE i7 10TH GEN“, obwohl es dort schon seit zwei Jahren kleben musste.

Für den Zwischenstopp in Leipzig, der Stadt der Bücher, wollte ich mir etwas Zeit nehmen, um auf seinen Spuren zu wandeln, die in Prag schon zu ausgetreten waren. In Leipzig hatte er die ersten Verleger für „Die Verwandlung“ und „Das Urteil“ gefunden. Die Cafés und Kneipen, die damals seine Treffpunkte mit Ernst Rowohlt und Kurt Wolff waren, gab es nicht mehr. Vielleicht aber noch einen anderen, in seinem Tagebuch verschlüsselt mit „B“ nicht genau bezeichneten Verweilort. Das führte meine Überlegungen wieder zu meinem Auftrag zurück: Bis zu siebentausend Bauarbeiter, überwiegend Männer, über Jahre in Magdeburg, hatte ich gelesen. Zum Risiko der Transformation wird auch das Thema „B“ gehören. Da können und werden Unfälle und Zusammenstöße passieren.

Das nasskalte Wetter trieb mich früher als gedacht zum Kopfbahnhof zurück. Die monumentale Fassade ragte in der Dämmerung bedrohlich auf, verwandelte sich aber dahinter in die Glitzerwelt eines tiefgründigen Promenaden-Bahnhofs.

Ich hatte noch etwas Zeit, in der unterirdischen Geschäftswelt zu flanieren und einer meiner Lieblingsbeschäftigungen nachzugehen dem Beobachten von Menschen. Mir fiel gleich eine interessante Frau auf, die mich an Miluška, erinnerte. Nordisch kühl, mit pechschwarzen aufgesteckten Haaren, eine, die weiß, was sie will. Ich hätte sie aber niemals angesprochen, als sie mir mit seltsam angehobenem Haupt in der Einkaufspassage entgegenkam. Plötzlich änderte sie ihre Richtung, ging auf mich zu. Ich stoppte. Sie lief weiter. Ich trat im letzten Moment zur Seite. Zu spät. Sie touchierte mich an der linken Schulter, änderte darauf die Richtung und stieß mit dem Knie krachend einen Werbeaufsteller um. Sie blieb wie erstarrt stehen, als wenn jemand „Freeze!“ kommandiert hätte. Ich war in ein paar Schritten bei ihr. Sie war nicht ansprechbar. Ein Schock? Ein Blickkontakt stellte sich erst allmählich ein. Wir schauten uns zwar an, aber sie war wie in einer anderen Welt und kam nur langsam zu sich, sagte kein Wort. Sie fing an, mich anzufassen, drücke mit flachen Händen gegen meine Brust, packte mich an beiden Schultern und schüttelte mich, zuerst vorsichtig, dann kräftiger, dann wieder langsam wiegend, als ob sie mein Gewicht schätzen wollte. Ich war irritiert, wir kannten uns nicht, fand es „übergriffig“, aber mir fehlten auch die Worte.

„Sie sind ja echt …“, stammelte sie, ihr Blick war jetzt auf mich gerichtet, etwas ungläubig, als wenn ich ein Geist aus dem letzten Jahrhundert wäre. „Sie sind ja echt!“, rief sie, „wirklich echt!“ Sie ließ mich los und tastete mit beiden Händen ihren Kopf, ihr Gesicht ab, als wenn sie etwas suchte. Die Starre war in ihrem Gesicht einem freien Lachen gewichen, als wenn sie etwas begriffen hätte. Sie drehte sich weg und rannte, leicht humpelnd, in die Richtung, aus der sie gekommen war. Ich sah kurz Ihren schönen Nacken. Sie verschwand. Schade.

Kein ICE in Richtung Sachsen-Anhalts Landeshauptstadt? Im IC nach Magdeburg, der schon Norddeich-Mole, den Fähranleger nach Norderney, als Endstation auf der Anzeigentafel auswies, vertiefte ich mich wieder in mein Recherchematerial. Erst die Arbeit, dann das heimliche Ziel. So konnte ich trotz der vielen Mitreisenden ganz für mich sein.

Richtig voll wurde der Zug in Halle, fast bis auf den letzten Platz. Ein älterer Herr fragte höflich, aber bestimmt: „Sorry, ist der Platz neben Ihnen noch frei?“, sodass ich meinen Rucksack von dort wegnahm. Er streckte sein linkes Bein vorsichtig in den Gang und stöhnte dabei, den Kopf schüttelnd. Ein wenig zu laut, wie ich fand. Ob von ihm beabsichtigt oder nicht: Es ließ sich nicht vermeiden, dass er zusah, wie ich die verschiedenen Zeitungsartikel auf dem Laptop-Bildschirm aufrief. Ungeniert verfolgte er alles. Selbst als ich mich demonstrativ zurücklehnte, die Arme vor der Brust verschränkte, ihn direkt und ernst ansah, bewirkte dies nur, dass der ungebetene Mitleser sich zu meinem Computer vorbeugte, seine Brille aufsetzte, um wohl auch noch die letzten Feinheiten erkennen zu können.

„Soll ich es für Sie noch etwas vergrößern?“, fragte ich etwas scharf und laut genug, sodass einige der Umsitzenden aus ihrem Dämmern mit einem kaum wahrnehmbaren Ruck auffuhren.

„Entschuldigen Sie, sorry, ich weiß, das ist nicht höflich, ich war so überrascht, aber ich befasse mich gerade viel mit Intel, und, wie ich sehe, Sie auch?“

„Meine Befassung mit dem Thema ist beruflicher Natur. Vertraulich, wenn Sie wissen, wie ich das meine.“

„Ich glaubte, gleich eine Ahnung zu haben, als ich den freien Platz neben Ihnen entdeckte“, sagte er, gerade so laut, dass ihm auch die Aufmerksamkeit der anderen gewiss war.

„Eine Ahnung?“

„Wissen Sie, was ich gerade erlebt habe?“

Wusste ich nicht, aber dass es mit meiner beschauliche Recherchearbeit zu Ende war, das wusste ich und klappte mein Notebook zu. „Was denn?“, fragte ich, nun in einem etwas mehr interessierten und leiseren Tonfall.

„Ich möchte nicht stören. Machen Sie ruhig weiter“. Er war auch leiser geworden, sodass bei   Sitznachbarn die Lider wieder schwerer wurden und sie sich wieder dem Dösen hingaben.

„Und was haben Sie erlebt?“, wandte ich mich ihm zu und signalisierte mit einer auffordernden Geste, dass ich bereit wäre, ihm, dem Ahnungsvollen, zuzuhören. Vielleicht konnte ich meine Recherchen auf eine andere Art fortsetzen.

„Das hätten Sie sehen müssen, bei DELL, vom Polylux zum Ätsch -Em-Di.“

„DELL … Poly… was?“

„DELL, der amerikanische Computerhersteller, der mit Intel zusammenarbeitet, hat in Halle eine große Niederlassung.“

„Ach so, wusste ich nicht.“ Unauffällig verdeckte ich mit meiner Hand das DELL-Logo meines Notebooks und lenkte ab: Und was ist noch mal Poly-Jux?“

„Lux. Polylux. Den hatte man früher in den Schulen, man schrieb mit Stiften auf eine Folie, das Bild wurde dann an die Wand projiziert.“

„Ach so, Sie meinen wahrscheinlich einen Overhead-Projektor!“

„Sie kommen wohl nicht von hier, was?“

„Nein. Und wie hieß das andere? Ätsch-Em-Di? Mein Deutsch ist nicht so gut.“

„Das ist ja auch Amerikanisch. Die drei Buchstaben HMD für Head-Mounted-Display.“

„Kenn ich nicht.“

„Man sagt auch VR-Brille dazu, VR für Virtual-Reality“, belehrte mich mein Sitznachbar, tastete dabei sein linkes Schienbein ab und verzog das Gesicht schmerzlich.

„Ah, Virtual-Reality, das habe ich schon mal gehört oder im Internet gesehen.“

„Also, die haben da den Klassenraum der Zukunft eröffnet, alles elektronisch, der ganze Raum voller Computer, große und kleine, Bildschirme, vor allem große und ganz große, und Kameras, überall, die alles übertragen für Webkonferenzen zwischen Lernenden und Lehrenden. Unser Ministerpräsident, der Wirtschaftsminister und die Geschäftsführer von Deutschland waren da. Insgesamt bestimmt 250 Personen. Ich sage Ihnen, die haben alle Register gezogen, ich bin jetzt noch richtig erschlagen.“

„Und wer sind ‚die‘?“, versuchte ich ihn daran zu erinnern, dass ich neben ihm saß.

„Intel und DELL!“

„Ah, jetzt verstehe ich: Intel auch. Unser gemeinsames Thema. Und der Bundeskanzler war da?“

„Der Bundeskanzler? Nein.“

„Sie sagten doch ‚Geschäftsführer von Deutschland‘.“

„Nein, ich meinte die Geschäftsführer von DELL Deutschland und die Geschäftsführerin von Intel Deutschland!“

„Und was haben Sie da gemacht?“

„Heute war doch die offizielle Eröffnung des ‚Classroom of the Future‘. Gäste aus Politik, Wirtschaft und Medien. Ich war auch eingeladen.“ Dabei zelebrierte der euphorisierte und wieder aufdringlicher werdende Mitreisende einen Augenaufschlag, den man fast klappern hören konnte und setzte fort: „Ich habe dann auch die VR-Brille aufgesetzt und etwas probiert.“

Kurz kam mir der Gedanke, dass man ihn als Repräsentanten von „Oma und Opas for Future“ eingeladen haben könnte. Aber die Bemerkung verkniff ich mir. „Und wie war‘s?“

„Unglaublich, als wenn man wirklich in einer anderen Welt wäre, so realistisch durch die 3-D-Technik. Ich habe eine kleine Fabrik gebaut und gleich simuliert. Eine virtuelle Trainerin gab mir am Schluss die Anweisung, auf den virtuellen KI-Knopf zu drücken und dann …“, er strich dabei über sein im Gang ausgestrecktes Bein, kniff die Augen etwas zu.

 Und dann?“

„Dann musste ich so einem fahrenden Roboter aus dem Weg gehen, ganz schnell, und schon tat‘s richtig weh.“

„Der Roboter hat Sie erwischt?“

„Da konnte ich noch ausweichen, weil diese nette Trainerin, also der Avatar in der VR-Welt ‒ oder sagt man die Avatarin? ‒ egal ‒ mich warnte und mir die Fluchtrichtung anzeigte. Dahin bin ich gerannt, in Echt, hatte in dem Moment nicht bedacht, dass ja eigentlich nichts passieren konnte, es war ja alles nur virtuell, nicht echt.“

„Ich verstehe. Ihr Bein?“

„Ja, da stand in der Realität ein Stuhl im Weg und ich dann voll … Oh, Mann … hier genau, an dieser Stelle“. Meine Zufallsbekanntschaft hob sein Bein, um mir exakt die Stelle des Grenzkonfliktes zwischen Virtualität und Realität zu zeigen und setzte fort: „Ich habe mich dann gleich entschuldigt.“

„Beim Stuhl?“

„Nein. Auf dem Stuhl saß eine junge Frau. Ihr ist aber nichts passiert, bis auf den Schreck. Aber wir haben uns nach meiner Verarztung noch nett unterhalten. Sie ist Professorin am hallischen Fraunhofer Institut für Mikrostrukturen, thematisch nah an dem Intel-Thema dran, näher als die Forschungsinstitute in Magdeburg. Darf man in Magdeburg aber nicht so laut sagen.“

„Und die Frau wollte auch den ‚Classroom for the future‘ nutzen?“, insistierte ich, bevor er wieder abschweifen konnte.

„Es war schon beeindruckend zu sehen, was da auf unsere Schulen zukommt.“

„In dem Raum werden jetzt Schulklassen unterrichtet?“

„Nicht direkt. Es ist ein Raum für Lehrer und Lehrerinnen aus der Region für ‚Learning by doing‘, damit sie wissen, was es alles gibt und was sie in der Schule gebrauchen könnten. Sie lernen, um dann besser als die Schüler und Schülerinnen in den oberen Klassen oder in der Berufsschule mit der Hard- und Software umgehen zu können.“

„Hört sich auch etwas nach ‚Showroom‘ an, auf Deutsch: ‘Verkaufsraum‘.“

„Mag sein. Ja, stimmt. Jemand sprach davon, dass dieser ‚Digitalpakt Schule‘ noch bis Ende 2024 läuft, und die Gelder noch nicht ausgeschöpft wären.“

Einige Fahrgäste wurden unruhig, und mein lädierter Sitznachbar erhob sich vorsichtig. „Wir sind gleich in Magdeburg, ich muss da raus. Fahren Sie weiter?“

„Heute noch nicht, ich steige auch aus und schaue mir Magdeburg ein paar Tage an. Mich interessiert die Verwandlung von Magdeburg im Rahmen des zu erwartenden Transformationsprozesses durch die Intel-Ansiedlung. Was das mit den Leuten hier macht, auch mit den Arbeitern und Arbeiterinnen aus dem Ausland während der Bauphase. Welche Risiken oder Probleme sehen Sie für die Beschäftigten im Zuge der Intel-Ansiedlung?“

„Was meinen Sie mit Ausland?“

„Tschechien.“

„Ach so, Tschechien. Da sehe ich kein so großes Risiko. Aber warten wir die nächsten Wahlergebnisse ab.“

„Sie scheinen sich hier ja gut auszukennen. Auch mit Intel, sagten Sie?“

„Oh, da kann ich Ihnen einiges erzählen.“

Da musste ich zufassen: „Schön, dann könnten wir uns vielleicht mal bei einem Kaffee treffen und Sie erzählen mir einiges, auch wie das genau war, mit Ihrer realen Verletzung durch VR und KI. Was hätten Sie gemacht, wenn die Verletzung schlimmer gewesen wäre? Welche Versicherung wäre dann der Kostenträger für die Behandlung und die Reha gewesen?“

„Also, darüber habe ich noch nie nachgedacht.“

„Sehen Sie, das zu klären, ist nun mein Job. Da kann schnell ein vertrackter Prozess anhängig werden.“

Wir trafen uns mehrmals in den nächsten Tagen. Es wurde vertrauter, wir kamen zum Du, und ich konnte die in mir angestauten Fragen beim Bier im M2 am Hasselbachplatz anbringen:

„Jan, ich habe so viel Widersprüchliches gelesen: In der ‚Volksstimme‘ viel Jubel, dann wieder Wasser- und Bodenzweifel, in der ‚Süddeutschen‘ wird das Magdeburger Projekt verglichen mit den neuen Chip-Projekten in Dresden, München und im Saarland, die wohl näher am deutschen Markt sind und deswegen mehr Sinn machen. Joachim Hofer vom ‚Handelsblatt‘, der scheint ja ein internationaler Halbleiter-Spezialist zu sein und müsste es wissen, rät Intel, sich diese Investition in Magdeburg zu sparen, weil sie sich wirtschaftlich nicht rechnen würde. Dann bin ich wieder auf mehrere ‚Volksstimme‘-Artikel von vor einigen Monaten gestoßen, in denen es hieß, dass eigentlich alles in trockenen Tüchern wäre. Dann vor kurzem nicht nur in der ‚Volksstimme‘, aber da auf Seite eins, die Hiobsbotschaft, dass Intel in der Vergangenheit hohe Verluste gemacht hat und auch in Zukunft machen wird. Wie passt das alles zusammen?“

Jan reagierte nicht, er dachte wohl nach, und nachdem ich wieder zu Atem gekommen war, setzte ich fort: „Und wie passt dazu, dass die Intel-Kollegen die 10 großen Neubauprojekte neulich bei LinkedIn schön säuberlich aufgelistet gesehen haben, darunter auch Magdeburg, und so auf insgesamt über 100 Milliarden Dollar Investition kommen? Da schwebt für mich doch ein Fragezeichen über allem, ob das nicht zu viel des Guten ist. Spuren von Selbstzweifel sehe ich bei Intel aber nicht. Wird dir da nicht angst und bange um deine schöne, ambitionierte Giga-Chip-Fab hier? In Frankfurt/Oder wurde schon mal ein Intel-Projekt in den brandenburgischen Sand gesetzt, obwohl das Gebäude schon stand, weil eine öffentliche Bürgschaft nicht rechtzeitig kam, das kannst du nachlesen.“

„Also, erstmal, lieber Václav, ist das nicht ‚mein‘ Intel und ‚mein‘ Projekt ist es auch nicht. Selbstzweifel bei Intel sowie den lokalen Wirtschafts- und Politikleuten kann ich beim besten Willen nicht entdecken. Einzelne Meldungen und Artikel muss man genau und komplett lesen, auch wenn das manchmal mühsam und kompliziert ist. Dann löst sich der eine oder andere Widerspruch auf. Vielleicht.“

„Warum habe ich dann kein klares Bild in dieser Angelegenheit? Da ist noch allenthalben auch noch die Fachkräfteflaute! Deine Bemerkung von neulich habe ich noch in Erinnerung, dass es hier mit der Willkommenskultur besser werden muss. Mann, ich brauche eine Grundlage für meine Risikobeurteilung! Das kommt mir manchmal vor, als wenn ein großer Dampfer auf etwas zufährt und viele am Steuerrad zerren, damit es zu keiner Kollision mit dem Eisberg kommt.“

„Abwarten kann ich nur sagen, abwarten und noch ein Bier auf dem Sonnendeck des Dampfers trinken, der erst richtig Fahrt aufnimmt. Die Einspruchsfrist bezüglich der Genehmigungsunterlagen ist abgelaufen. Ende Mai ist die Verhandlung der Einsprüche, dem Ereignis angemessen, in der heiligen Halle der Johanniskirche. Ob dann eine Beichte erfolgt, Reue gezeigt wird oder mit einem Kurswechsel gebüßt wird, das wird man sehen.“

„Apropos Buße, Reue, Prozess, vielleicht sogar Strafkolonie: Kennst du eigentlich K?“

„K? Meinst du Josef K? Oder Kafka? Da ist wieder einmal ein Gedenkjahr.“

„Genau. Ich versuche auf seinen Spuren zu wandeln, aber dass diese Intel-Sache hier für mich so verschlungen und unübersichtlich wird, war nicht mein Plan. Was soll ich nach Prag berichten?“

„Sag doch, du hättest in mir einen Guide, einen Aufpasser gefunden, der dich daran hindert, zum Kern der Sache vorzustoßen, dass du nicht den Mut aufbringst, selbst der Sache auf den Grund zu gehen. Schreib, dass das wahrscheinlich von langer Hand eingefädelt worden und dass das Kennenlernen im Zug möglicherweise arrangiert, also kein Zufall gewesen sei. Der Aufpasser tue nur so, als ob er alles wisse, relativiert dies aber gleichzeitig, verweist auf die offiziellen Zeremonienmeister der Stadt, der Regierung, an die du nicht herankommen kannst, und dass du dir zugleich nicht sicher bist, dass der Guide sie tatsächlich kennt. Du müsstest ganz von vorn anfangen, brauchtest noch Zeit. Alles würde sich stetig wandeln, hat einen für dich noch nicht erfassbaren Prozess eben.“

„Die halten mich doch für verrückt!“

„Bist du ja auch, vielleicht, ein bisschen, wer weiß.“

„War unser Treffen im Zug doch nicht zufällig?“

„Václav, jetzt bist du wirklich verrückt! Du musst nur noch behaupten, dass der Zug geheime Abteile hatte, wo man Intel-Erlaubnisscheine holen muss.“

„Das ist mir zu viel. Erlaubnisscheine. Aufpasser. Ich muss jetzt ins Hotel, morgen gehts sehr früh weiter.“

„Stimmt, ja, nach Norderney.“

Wir verabschiedeten uns mit dem Versprechen, in Kontakt zu bleiben. Im Hotel konnte ich nicht einschlafen. Ich war beunruhigt. Stand wieder auf. Wanderte durchs Zimmer. Ich fühlte mich beobachtet, ausgerechnet und manipuliert. Ich hatte mit Jan über Reiseziele gesprochen. Der schwärmte, anders als ich von der Nordsee, von der deutschen Ostseeküste, von Hiddensee und Usedom. Ich warf den Computer an und recherchierte: K. war tatsächlich auch an der Ostsee gewesen, in Müritz! Ich buchte kurzentschlossen um.

Ich musste lächeln, als ich mir am nächsten Morgen im Zug Richtung Ostsee vorstellte, wie Jan mich vergeblich im Zug nach Norddeich-Mole wieder zu treffen versuchte. Natürlich „rein zufällig“.

Ich genoss die Zugfahrt. Im Schwebezustand zwischen Denken und Dämmern fuhr ich dahin, machte schon Pläne, wie ich am nächsten Tag an der Seebrücke Graal-Müritz in Erinnerungen an K. versinken würde, als jemand freundlich fragte, obwohl fast alle anderen Plätze im Wagen noch frei waren: „Sorry, ist der Platz neben Ihnen noch frei?“ 

Sonntag, 31. März 2024

# 047 - Bauernregeln und KI – Im Märzen der Chip-Bauer den Spatenstich einplant … zu Basilius?

Transformation – der erste Schritt wird sichtbar

„Wie man so hört“, sagt man, soll der erste Spatenstich auf dem Bördeacker für die Intel-Ansiedlung in einigen Monaten mit einem großen Event zelebriert werden. So steht auf diesem Stück Land der nächste, erstmals klar sichtbare Transformationsschritt bevor.

Magdeburg, „Stadt der Verwaltung und Wissenschaft“, erweitert sich auf dem Bördeacker zu einem großen Hightech-Produktionsstandort. So verdrängt dort künftig der KI-Protagonist Intel die heutige Agrarindustrie, wo bis vor siebzig, achtzig Jahren die Bauern in kleinteiliger Landwirtschaft noch nach Bauernregeln und dem Hundertjährigen-Kalender gelebt haben.

Symbolbild Spatenstich - Bild: Herbert Beesten und KI 

Bauernregeln und KI – geht das zusammen?

Die Bauernregeln für das Wetter, von dem die Landwirtschaft besonders abhängig war, basieren auf Beobachtungen über viele Generationen hinweg. Im März, dem Übergang vom Winter in die Vegetationsphase, in die Zeit des Säens, weisen erfahrungsgemäß bestimmte Wetterphänomene auf die Wetter- und Klimabedingungen bis in den Herbst, die Erntezeit, hin.

Für Wetterprognosen wird in Forschungsprojekten auch mit KI experimentiert. Beide, KI und die Bauernregeln, basieren auf vielen Informationen. In einem Fall auf jahrhundertlanger Beobachtung der bäuerlichen Landbevölkerung, im anderen auf Hunderten, vielleicht auch auf Tausenden Gigabyte Daten aus Wetter- und Klimamodellen. Das eine basiert auf neuronalen Netzen im menschlichen Gehirn, das andere auf künstlichen, mit Software nachempfundenen neuronalen Netzen.

Was liegt also näher, als mit Bauernregeln auf das bislang landwirtschaftlich, aber zukünftig von einem der weltweit größten KI-Protagonisten genutzte Areal zu schauen und auch Bauernregeln einem Transformationsprozess zu unterziehen?

Damit man früher die Wetterbeobachtung an bestimmten „Stichtagen“ nicht verpasste, wurden Namenstage – also Tage im kirchlichen Kalender, an denen bestimmte Heilige besonders verehrt wurden – als „Trigger“ verwendet. Man brachte die Namen der Heiligen oft in Reimform mit den Wetterereignissen zusammen. So konnte man sie sich besser einprägen.

 

März-Events und Weichenstellung

So habe ich meine Märzbeobachtungen in Sachen Intel, anders als in meinem Beitrag aus dem März 2023 (Aufwärtskompatibel? Neue Industriekultur in Magdeburg durch Intel?: # 008 Im Märzen der Bauer … ein Fließtext aus 2023 (herbert-karl-von-beesten-intel-blog.blogspot.com),  mit Bauernregeln zusammenzubringen versucht , um daraus eine Prognose für den weiteren Verlauf der Intel-Ansiedlung abzuleiten.

Am 13. März 2024 fand der „Zukunftstag BVMW“, also des Bundesverbandes Mittelständische Wirtschaft, in der Magdeburger Johannis-Kirche statt. Ein Bekannter, der daran teilgenommen hat, berichtete mir:

Bild: BVMW - LinkedIn-Seite

Es wurde diskutiert, inwieweit die mittelständische Wirtschaft in der Magdeburger Region vor allem bei der Fachkräftebeschaffung gegenüber Intel das Nachsehen haben könnte. Der Vorsitzende des BVMW, Christoph Ahlhaus, die Magdeburger Wirtschaftsbeigeordnete Sandra-Yvonne Stieger und der Direktor der Arbeitsagentur Magdeburg, Matthias Kaschte, zeigten Perspektiven auf, wie Fachkräftebeschaffung nebeneinander möglich sein kann, wobei sie auch unabhängig von der Intel-Ansiedlung schwieriger werden wird. Es wird ein stärkerer Wettbewerb um Fachkräfte entstehen, dem sich auch die mittelständische Wirtschaft stellen muss. Es wurde deutlich, dass Intel überregional und international Ausschau hält. Unter Bauern könnte man sagen: „Das Gras beim Nachbarn ist immer grüner.“

Vom 11. bis zum 15. März veranstaltete die Microtec Academy in der Handwerkskammer Magdeburg das Seminarprogramm „Einführung in die Fertigungs- und Prozesstechnologien der Halbleitertechnik“. Das war zugleich die Einstiegsveranstaltung der Uni Magdeburg in die überregionale und überbetriebliche Berufsbildungsakademie, speziell für die Mikro- und Nanotechnologien. Ich konnte am 14. März einen interessanten, auf Deutsch gehaltenen Vortrag, der Intel-Mitarbeiter Werner Ertle und Peter Baumgartner mit dem Titel „The world of semiconductor“ verfolgen. Die Überschrift hörte sich zwar allgemein an, es war aber keine Marketingveranstaltung, sondern es wurden realistisch (man war unter Fachleuten) viele Details erläutert, und man verwies auf die hohen Ansprüche, Möglichkeiten, aber auch Grenzen und Probleme der Halbleiterfertigung. Zum Teil auch mit Bezug auf die Pläne für Magdeburg. Natürlich wurde das Moore’sche Gesetz als „Chip-Bauer-Regel“ zitiert, aber Gordon Moore (noch) nicht in den Himmel gehoben.

In der Pause traf ich Giulia Bolognesi (Aufwärtskompatibel? Neue Industriekultur in Magdeburg durch Intel?: # 043 Giulia und Latte macchiato am Hassel, EDTA bei Intel (herbert-karl-von-beesten-intel-blog.blogspot.com) und auch Jörg Vierhaus (Aufwärtskompatibel? Neue Industriekultur in Magdeburg durch Intel?: # 026 Artikel über Partikel aus der Grauzone im September 2023 (herbert-karl-von-beesten-intel-blog.blogspot.com) wieder.

Beim Lunch am Stehtisch waren, neben Peter Baumgartner von Intel, ein weiterer Referent des Seminars, Gerfried Zwicker, vom Fraunhofer-Institut für Siliziumtechnologie in Itzehoe, sowie zwei junge Frauen aus süddeutschen Chip-Zulieferbetrieben meine Gesprächspartner. Meine spontane Frage an eine der jungen Damen, ob sie sich demnächst einen Job bei Intel in Magdeburg vorstellen könnte, beantwortet sie freiweg mit: „Auf jeden Fall!“ Gerfried Zwicker konnte ich mit der Vermittlung eines Kontaktes zu einer Human-Resources-Ansprechpartnerin bei Intel helfen, weil er einen taiwanesischen Doktoranden betreut, der einen Job in der Halbleiterindustrie sucht. Ich wies auch auf die aktuellen und sich in letzter Zeit häufenden Stellenanzeigen bei LinkedIn und XING hin, mit denen Intel Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen weltweit schon jetzt für den Standort Magdeburg gesucht werden. Die strategische Personalsuche für Magdeburg setzt bei Intel also schon frühzeitig ein.

Die Bauernregel am 15. März, am Ende der Veranstaltung: „Lukretia feucht, Kornsäcke leicht.“ Da das Wetter an diesem Tag sonnig und trocken war, müssten also perspektivisch die Säcke der Chip-Bauer schwer werden.

Am 22. April 2024 endet*) die öffentliche Auslege- und Einspruchsfrist zum Intel-Bauvorhaben „Errichtung einer Halbleiterfabrik“. Für den 21. März lautet die Bauernregel: „Soll das Korn gar üppig stehen, soll man es an St. Benedikt säen.“ Dann schauen wir doch mal, wie die Saat am 29. Mai 2024 bei der öffentlichen Verhandlung von Einsprüchen in der Magdeburger Johannis-Kirche aufgeht. Auch hier hilft eine Bauernregel: „Mai kühl und nass, füllt's dem Bauern Scheun und Fass.“ Ja, Wasser ist wichtig!

Eine Regel für den Chip-Bauer könnte heißen: „Sind der Einsprüche nicht zu viel, so ist dann Intel bald am Ziel.“

Am 25. März 2024 fand im Rahmen der Vortragsreihe „Wissenschaft im Rathaus" die Veranstaltung „Intel und die Magdeburger Hochschullandschaft“ statt.
Tino Grosche moderierte ein Gespräch mit der Rektorin der Hochschule Magdeburg-Stendal, Prof. Dr. Manuela Schwartz, und dem Rektor der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Prof. Dr.-Ing. Jens Strackeljan. Die Veranstaltung war gut besucht, 80 bis 90 Personen, und wenn ich mich umschaute, war es eine bunte „Besuchermischung“. Es gab eine Menge Fragen aus dem Publikum. Es überraschte nicht, dass der Rektor und die Rektorin die Ansiedlung insgesamt positiv sehen und davon ausgehen, dass alles glatt läuft. Die Rekrutierung von qualifiziertem Personal wird als die größte Herausforderung gesehen, die die Hochschulen nicht allein bewältigen können. Meine Frage, wie die notwendige Transformationsfähigkeit der Magdeburger gesehen wird, wurde von der Rektorin sinngemäß so beantwortet: Das könnte in zwei Phasen geschehen. Einmal durch Toleranz und Verständnis bei der unmittelbar anstehenden Errichtung der Fabriken mit Baustellen und Verkehr sowie Angebote an das internationale Baustellenpersonal. Zum anderen, in der zweiten Phase, wenn die Fabrik steht, mit der notwendigen Entwicklung einer internationalen Willkommenskultur. Zugleich wurde klar, dass die Hochschulen von Intel „nichts geschenkt bekommen“, dass also Gegenleistungen erwartet werden. Die Investition in die Ausbildung von Mikrotechnologen, z. B. für das Lehrpersonal, auch viele Millionen Euro für Gebäude mit einem großen Reinraum, muss wesentlich von der Uni, sprich aus den Landeskassen von Sachsen-Anhalt erbracht werden.

„Kann das Projekt noch scheitern?“, fragte eine ältere Dame aus dem Publikum. Wenn das geschähe, dann wäre Magdeburg als großer Industrieproduktionsstandort auf Jahrzehnte „verbrannt“. Von der Erwartung, dass Magdeburg einmal 300.000 Einwohner haben könnte, müsste man sich dann verabschieden, meinte der Rektor.  

Die Bauernregel für diesen hellen und klaren 25. März klingt für das Intel-Projekt hoffnungsvoll: „Mariä Verkündigung hell und klar, ist ein Segen fürs ganze Jahr.“ Also schließen wir uns den optimistischen Äußerungen der beiden Hochschulvertreter an, die sie am Anfang der Veranstaltung äußerten.


Welches Werkzeug ist das richtige für den ersten Spatenstich?

Der erste Spatenstich für die Intel-Ansiedlung sollte natürlich stilvoll, dem Bördeacker angemessen, mit einem Rübenspaten oder. einem Rübenheber vollzogen werden. Das ist ein spezielles Werkzeug, mit dem früher die Bauern in der Börde die Zuckerrüben einzeln aus dem Boden heben konnte. Diese Werkzeuge gab es für Rechts-, Links- oder Beidfüßler, so dass sich die Politiker und Politikerinnen die richtigen Rübenspaten entsprechend ihren politischen Orientierungen aussuchen könnten.

Rübenspaten und Rübenheber - www.alltagskulturen.lvr.de 

Wann ist der richtige Zeitpunkt für den ersten Spatenstich?

Mit meiner Chip-Bauer-Regel nach vorn schauen: „Sind Magdeburg und Umland im April und Mai sich einig, wird der Weg zur Silicon-Börde nicht weit, nicht steinig.“

Nach den eingereichten, öffentlichen Unterlagen für die Teilgenehmigung soll ab dem 1. Juni der Bau beginnen, also ist im Juni der offizielle „Erste Spatenstich“ zu erwarten. Aber an welchem Tag? Welche Bauernregel sollte zur Anwendung kommen, um der Sache einen gesegneten Verlauf zu verschaffen?  

Die Lösung in zwei Schritten: Mittels KI sollte eine Wetterprognose für den Juni erstellt werden und in einem zweiten Schritt sollte das mit Bauernregeln korreliert werden.

Alte Bauernregeln für den Juni

·         13. Juni: „Wenn an St. Anton gut Wetter lacht, St. Peter viel Wasser macht."

·         15. Juni: „Hat St. Veit starken Regen, bringt er unermesslichen Segen.“

·         20. Juni: „Hat Margarete keinen Sonnenschein, dann kommt das Heu nie trocken ein.“

·         24. Juni: „Regnet es am Johannistag, regnet es noch 14 Tag."

·         29. Juni: „Peter und Paul hell und klar, bringt ein gutes Jahr.“

 

Ein guter Zeitpunkt wäre zwischen St. Anton und St. Veit, also der 14. Juni, der „Basilius-Tag“, weil sowohl bei lachender Sonne am 13. Juni als auch bei Regenwetter am 15. Juni die Auswirkungen in den Bauernregeln jeweils positiv beschrieben werden. Außerdem hat einer der voraussichtlichen Spatenstecher, Kanzler Olaf Scholz, am 14. Juni Geburtstag, Intel-CEO Pat Gelsinger, dessen zweiter Vorname Paul ist, der am 13. Juni gefeiert wird. Das alles könnte man mit „Reiner“ kombinieren, dem Namenstag unseres Ministerpräsidenten am 17. Juni.

St.Basilius - Bild: Wikipedia

Basilius (330 - 379) auch „der Königliche oder der Große“ genannt, ist ein wichtiger Heiliger und hat auch zu seiner Zeit Transformationsprozesse vorangetrieben (siehe auch Basilius der Große – Wikipedia). Damit ist er ein guter Patron für diesen Tag.

 

Neue Chip-Bauer-Regeln zum Basilius-Tag

Alles konzentriert sich auf die Zeit um den Basilius-Tag, also den 14. Juni. So möchte ich, damit alles gut läuft, für diesen Tag einige neue innovative Chip-Bauern-Regeln zur Auswahl stellen:

·         Regnet‘s auf Basilius, wird‘s für den Chip-Bauer ein Genuss.

·         Ist‘s Wetter auch beim Spatenstich rau, stört‘s nicht den Semiconductor-Bau.

·         Scheint zu Basilius die Sonne auf den Spaten, kann der Chip-Bauer durchstarten.

·         Bringt zu Basilius Olaf Millionius zum Pat-Paulinius,

Bördebezwinger Gelsinger, wird zum Chip-Fab-Bringer.

·         Der Landesvater Reiner, präsidial wie keiner

hält Reden, groß wie Basilius,

schippt Bördeboden, mit Genuss,

lässt sich loben, preisen, schlägt im Boden Schneisen.

·         Erster Spatenstich bei Strich-Regen? Werter Basilius, bring trotzdem Chip-Segen!

Vielleicht wird noch später im Hundertjährigen Intel-Kalender der Spatenstichtag nur rot angestrichen? Denn bis zu einem St.-Gelsinger-Day oder einen St.-Simone- oder gar einem St. Olaf-Tag – das ist ein weiter und harter Weg. Und wer will in Zeiten des Klimawandels schon wetterprognostische Regeln aufstellen?

Obwohl… wenn das von Pat Gelsinger formulierte Ziel, dass die Intel Corporation weltverändernde Technologien entwickelt, um das Leben aller Menschen auf dem Planeten zu verbessern, erreicht wird, dann wird er sich der Aufnahme in höhere Sphären wohl kaum entziehen können.

*) Am 6.4.24 korrigiert: Irrtümlich stand hier der 22. März 2024

Montag, 26. Februar 2024

# 043 Giulia und Latte macchiato am Hassel, EDTA bei Intel

Café „Square“ 

Treffpunkt 10:30 Uhr, Café „Square“ am Hassel ‒ im Schatten des Plättbolzens, in dem sich zurzeit die Magdeburger Intel-Dependance befindet ‒ für mich günstig fußläufig zu erreichen, ich wohne um die Ecke. „Fußläufig“, kommt mir in den Sinn, ist eigentlich „Verwaltungssprech“, aber darum soll es heute gerade nicht gehen, ich will doch möglichst locker wirken bei der Verabredung mit Giulia Bolognesi.

Mir fällt ein, dass ich kein Zeichen mit ihr vereinbart habe, an dem sie mich erkennen kann. Ich schaue mich vor dem und im Café um. An zwei Tischen jeweils zwei junge Frauen, die Studentinnen sein könnten. Eine schaut auf, die sich vorher auf Englisch mit ihrer Tischnachbarin ausgetauscht hat. Ich gehe hin und frage, ob wir verabredet seien. Sie ist irritiert. Ich versuche es mit Englisch. Sie schaut sich verunsichert um. Etwa nach Hilfe? Ich versuche, den Namen auszusprechen, den ich für einen spanischen oder italienischen halte. Meine Gesprächspartnerin hatte bei der Verabredung geschrieben, dass sie nicht so gut Deutsch spricht, aber nichts über ihre Nationalität. So versuche ich es mit der vermeintlich spanischen Variante: Giulia, am Anfang mit einer Art Rachenlaut, das klänge dann wie ein hartes Chulia [Xulia], was mir als Münsterländer besonders gut gelingt. Aber das löst bei beiden weiter Kopfschütteln, ja Abwehrgesten aus. Ob sie mich für einen alten CIS-Mann halten, der plump Annäherungen versucht? Ich bin überhaupt nicht locker. Ich verzichte auf weitere Kontaktversuche. Sie wird schon kommen, sage ich mir, immer wieder nach draußen schauend. Die junge Frau hinter der Selbstbedienungstheke, die mich nach meinen Wünschen fragt, vertröste ich: Gleich muss meine Verabredung hier sein.

 

Italienisch-Lektion in Magdeburg

Da tritt Giulia auch schon zur Tür herein. Ihr offener und suchender Blick trifft mich, sie lächelt, wir sprechen uns in Deutsch an, bestätigen durch einen Händedruck unser gegenseitiges Erkennen. Das hat schon mal geklappt. Sie hat sich wegen der Hassel-Baustelle etwas verspätet. Wir belegen mit unseren Taschen und Jacken einen Zweiertisch am Fenster und begeben uns zur Theke, um unsere Bestellungen aufzugeben: Für mich einen Chai-Latte, aber bitte aus der Dose mit dem grünen Etikett. Meine Gesprächspartnerin bestellt einen Latte macchiato. Das ist eine gute Gelegenheit, noch an der Theke, auf unsere Getränke wartend, ihre Nationalität zu klären: Giulia soll eher wie Julia ausgesprochen werden, also nicht das spanische Ch [X], erklärt sie. Sie ist Italienerin. Ihren Familiennamen Bolognesi soll ich wie „Bolognese“ bei Spaghetti aussprechen, also ohne „G“, aber am Ende mit „I“. Sie komme übrigens tatsächlich aus dem klassischen Bolognese-Land, aus der Nähe von Bologna zwischen Milano und Florenz.

Wie kommt man hier als Italienerin klar? Nun ja, ganz klassisch italienisch schmeckt der Magdeburger Latte macchiato nicht. Die Milch-Espresso-Milchschaum-Schichtung war nicht gelungen. Aber es gibt einige italienische Restaurants in Magdeburg, in einem jobbt sie zwei Tage die Woche als Kellnerin, die machen es richtig, weil sie eine Original-Espresso-Maschine haben. Sie erklärt mir das alles auf Deutsch, sie ist seit 4 Semestern hier. Ihr Deutsch ist besser als mein Englisch, stelle ich fest, als wir mit den Getränken unser Tischchen aufsuchen.

Unser Gespräch fließt. Ich frage, und sie antwortet ausführlich, aber ohne mäandernd abzuschweifen. Mir geht es um das Intel-Projekt. Unser Kontakt wurde von ihrer Professorin, Gilian Gerke, von der Hochschule Magdeburg-Stendal vermittelt, deren Wege sich mit meinen hin und wieder kreuzten. Zuletzt anlässlich des TASIMA-Kongresses im September, den Gilian Gerke hauptsächlich verantwortete (siehe Blogbeitrag aus dem Oktober 2023 - https://herbert-karl-von-beesten-intel-blog.blogspot.com/2023/12/28-oktober-2023-der-raum-die-o-tone-die.html).

Über Gerkes und die Posts von Intel-Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen bei LinkedIn wurde ich auf ein gemeinsames Projekt der Hochschule mit Intel aufmerksam, und Giulia Bolognesi war eine der Studierenden, die da dabei waren.

 

Feelings

Was mich dabei interessiert? Natürlich das Projekt selbst, aber auch das „Drumherum“, das Feeling, ihre Erfahrungen. Sie ist immer noch begeistert: Erzählt, wie es in München in der Intel-Deutschlandzentrale auf dem Campeon war (siehe auch meine Chip-Visite Besuch dort, Februar 2023 - https://herbert-karl-von-beesten-intel-blog.blogspot.com/2023/12/07-chip-visite-im-februar-2023.html ), sie schildert das Vorgehen bei der Abschlusspräsentation im Intel-Werk in Irland. Dabei kennt Giulia sich in der Welt aus, lässt sich nicht so schnell beeindrucken, sie kennt das coole Milano, hat ein Jahr in den Staaten gelebt, ist immer wieder im hippen Berlin. Die praktische Zusammenarbeit in einem weltweit agierenden Technologiekonzern von innen kennenzulernen und dort eingebunden zu sein, das sei schon etwas Besonderes. Die Intel-Leute würden fundiert und sehr planvoll vorgehen, wollen alle mitnehmen, Widersprüche gelten nicht als Eklat, weil man einer gemeinsamen Vision folgt.

 
Campeon Munich - Studierende, Professoren und Professorinnen der Magdeburger Hochschule - Foto Privat

EDTA

Welche Aufgabe hat Intel gestellt? Es sollte eine Lösung entwickelt werden, um die Chemikalie „EDTA“ (Ethylendiamintetraessigsäure), die nach der Chip-Produktion im Abwasser zu finden ist, entfernen zu können. Im Original: „Removal of EDTA from semiconductors wastewater“. Es wurden 5 Teams aus Studierenden im 4. Semester des Studiengangs „Sustainable Resources, Engineering and Management“, kurz StREaM (Nachhaltige Ressourcen, Ingenieurwesen und Management) gebildet, die ein Semester lang intensiv in einem Wettbewerb um die beste Lösung gerungen haben.

Warum alles in Englisch? Es ist ein internationaler Studiengang. Das heißt, dass alle Veranstaltungen in englischer Sprachs stattfinden. Giulia Bolognesi erzählt, dass in ihrer Studiengruppe 15 verschiedene Nationalitäten zu finden sind. Sie zählt die meisten auf, aus Europa, Asien, Afrika, Naher Osten, alles vertreten.

Gruppe der Hochschule Magdeburg-Stendal bei Intel in Dublin
Foto: Louis Deacy - Intel-Campus 
 


Warum hat sie gerade diesen Studiengang gewählt? Weil sie sich für die Umwelt engagieren möchte und sich für Anwendungen von „Grünen Technologien“ interessiert, sodass sie nach dem Erreichen des Bachelors viele Möglichkeiten haben möchte, was und wo sie arbeitet. Oder sie studiert weiter. Dieser Studiengang sei in dieser Kombination einzigartig, und in Deutschland gibt es nur an zwei, drei Hochschulen etwas Ähnliches, aber nichts Identisches. Deswegen kam nur Magdeburg infrage.

Zurück zur EDTA-Aufgabe. Auf welche Lösung kam ihre Gruppe? Es wurde intensiv recherchiert, sowohl in der technischen als auch in der rechtlichen Literatur. Wöchentlich mussten die Teams den beiden betreuenden Professoren, Frau Dr.-Ing. Gilian Gerke und Herrn Dr.-Ing. Benedikt Lamontain, die Zwischenergebnisse präsentieren. Es ergaben sich tatsächlich 5 verschiedene theoretische Ansätze für eine kleintechnische Lösung. Giulias Gruppe entwickelte eine Lösung mit einer Nano-Membran, einer speziellen, hauchdünnen Folie, die beim Vorbeiströmen von Abwasser EDTA zurückhält. Eines der Probleme war, die Folien wieder zu reinigen, damit sie länger effektiv funktionieren. Aber theoretisch wäre „nur“ eine neunundneunzigprozentige Reinigung bei diesem Lösungsansatz möglich. In Deutschland müsste die EDTA-Reinigung, anders als in anderen europäischen Ländern, einhundertprozentig sein.

 

Finish in Dublin


Prof. Dr. Manuela Schwartz (Rektorin), die Preisträger Robert Rehberg, Giulia Bolognesi und Milan-Lars Lorenzen (Studierende und Scholarships), Bernie Capraro (EU Talent Development Programme Manager, Intel) Foto: Ruth Callinan UCD-Campus









Und wie ging der Wettbewerb aus? Mit der Präsentation des Lösungsansatzes bei Intel in Irland war ihre Gruppe unter den drei besten. Drei Studierende – darunter auch Giulia – haben als Preis ein Stipendium von Intel erhalten. Das hilft ihr, neben einem weiteren Stipendium, finanziell über die Runden zu kommen. Dazu trägt auch ihr Job als Kellnerin in einem italienischen Restaurant bei. Ein günstiger Nebeneffekt: Sie kann aus ihrer „englischen Blase“ herauskommen und bei der Bedienung von Magdeburgern weiter Deutsch lernen.

Kann sie sich vorstellen, bei Intel zu arbeiten? Nach dem, was sie von Intel kennengelernt hat: Die Menschen, die Technologie, die langfristige Strategie und der Umgang mit- und untereinander: Ja, sie kann es sich gut vorstellen. Auch mit der Stadt Magdeburg freundet sie sich an.

 

Perspektive

Giulia Bolognesi wird ihren Bachelor wahrscheinlich Ende 2025 in der Tasche haben. Dann noch ein Masterstudium? Das Timing könnte für Intel-Magdeburg gut passen. Sie weiß, dass ihr in vielen Bereichen die Welt offensteht, als gut ausgebildeter Frau, international erfahren und engagiert. Vielleicht Teil der zukünftigen Magdeburger jungen Generation? Das erinnert mich an meine Hoffnungen, meinen Idealismus von einst. Der Nachwuchs ist am Zuge. Man sagt auch „capacity building“ dazu, nicht nur bei Intel. Wir brechen auf.

Beim Verlassen des Cafés treten wir auf den aufgerissenen Hassel-Square, Ende Februar weit entfernt von einem mediterranen Hassel-Piazza-Feeling. Ich zeige ihr, bevor wir uns trennen, noch den benachbarten Plättbolzen, den kleineren, provinziellen, aber drei Jahre älteren Bruder (oder die Schwester?) des New Yorker Flatiron-Buildings. Aber was die Magdeburger mit „Plättbolzen“ meinen, ihr das zu vermitteln, gelingt mir nicht.


Wieder allein unterwegs, fällt mir ein, dass ich nicht, wie sonst üblich, weder mein Aufnahmegerät noch meinen Fotoapparat benutzt habe. Ich wollte nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen. Danach war unsere Unterhaltung so anregend, dass ich nicht mehr daran gedacht habe. Das intensive Gespräch habe ich aber in guter Erinnerung, wie man lesen kann, und an ein oder zwei Fotos komme ich vielleicht noch.