Beobachtungen beim: Öffentlichen Erörterungstermin der
Einwendungen zum Genehmigungsverfahren für die erste Teilgenehmigung zur
Intel-Ansiedlung am 29. Mai 2024 in Magdeburg.
So kompakt und nominal klang das in der Magdeburger
Johannis-Kirche. Über die Veranstaltung haben im Nachgang viele regionale, überregionale
sowie ausländische Medien, wie Volksstimme, MDR, Radio SAW, FAZ, dpa, Deutschlandfunk,
Tagesschau, wallstreet ONLINE, Kronenzeitung etc,. berichtet. Widerhall fand sie
auch in den online-Nachrichten der Börsen- und Finanzwelt. Das Narrativ von der
„Schwarzerde“ macht seitdem bei LinkedIn-Usern die Runde. In den Artikeln und
Berichten sind die fachlichen Details und die Vielfalt überschaubar, weil sie
sich inhaltlich zumeist auf die gleiche dpa-Meldung beziehen. Für diejenigen,
die sich schon länger und intensiver mit dem Thema beschäftigt haben oder
aufmerksame Leser und Leserinnen dieses Blogs sind, gab es grundsätzlich und inhaltlich
in der Veranstaltung nicht viel Neues. Einige Details während der Erörterungen
waren allerdings interessante Ergänzungen. Ich möchte die atmosphärische
Stimmung, das Setting und die aus meiner Sicht wichtigsten Punkte hier in den
Mittelpunkt stellen. Wegen der Vielzahl der Personen verzichte ich auf die
Nennung von Namen.
„Gottes Wort mit uns in
Ewigkeit“ steht in goldenen Lettern am Denkmalsockel der Statue eines übergroßen
Martin Luther. Die Johannis-Kirche im Rücken, in der Rechten die Bibel, die
Linke auf dem Herzen, schaut er mit festem Blick auf das auf Rathaus gegenüber.
Der sonnige Maivormittag macht
mir die Fahrrad-Anfahrt möglich, vorbei an dem Martin-Luther-Denkmal zu den
noch reichlich vorhandenen freien Plätzen an den Fahrrad-Anlehnungsbügeln. Ich bin
wohl schon im zu erwarteten Bürokraten-Sprech-Modus.
Halb zehn, noch Zeit, mich
umzuschauen und mit mir bekannten Menschen der Presse, der Stadtverwaltung, von
Intel, auch mit einigen Einwendern und Einwenderinnen (wie sie hier genannt werden)
ins Gespräch zu kommen. Doch zuerst einen Platz im Zuschauerraum sichern. Allerdings
verwehren mir zwei stämmige Security-Herren den Zutritt: Zuschauer, also keine Verfahrensbeteiligte
(wie ihre Bezeichnung hier lautet) erhalten erst kurz vor dem offiziellen
Beginn Einlass.
Abwarten, was passiert. So
schaue ich mich weiter um, entdecke weiteres Sicherheitspersonal. Eine Frau von
der Pressestelle des Landesverwaltungsamtes trägt die Pressevertreter in eine
Liste ein. Sie spricht mich auch an und trägt meine Kontaktdaten und die Webseite
ein. Sie möchte im Nachhinein gern lesen, erklärt sie, was wir so schreiben. Auf
dem der Kirche schräg gegenüberliegenden Parkplatz, fast diskret von einer
hohen Hecke verdeckt, ein Kleinbus der Polizei.
Das Landesverwaltungsamt will
wohl auf Nummer sicher gehen. Erwartet man Störungen oder sind das mittlerweile
leider übliche Sicherheitsvorkehrungen? Oder befürchtet man ‒ die Ereignisse bei
Tesla in Grünheide im Hinterkopf ‒ ein Umschwenken von Teilen der Bevölkerung,
weg von der bisherigen insgesamt eher braven Pro-Intel-Stimmung?
Reformation früher /
Transformation heute? In einigen Wochen jährt sich zum fünfhundertsten Mal
das spontane und flächendeckende Umschwenken fast der gesamten Magdeburger
Bevölkerung und Kirchen vom katholischen zum evangelischen Glauben. In dieser St.-Johannis-Kirche
hat Martin Luther am 24. Juni 1524 Klartext gepredigt. Der Beginn der
Magdeburger Reformation. Steht am gleichen Platz hier heute ein wichtiger
Schritt zur Transformation der Magdeburger Stadtgesellschaft bevor?
Mittlerweile lehnen sich viele
Fahrräder an. Lässt das auf den Charakter der Zuschauer schließen? Aber ein Ansturm
wie vor 500 Jahren – damals fasste das Kirchenschiff nicht die Zuhörer – ist
hier nicht zu erkennen.
Einlass: Taschen und Rucksäcke müssen
an der Garderobe abgeben werden, heißt es kurz vor zehn. Und: Bitte beachten
Sie das Fotografier- und Filmverbot während der Veranstaltung. Etwas
eingeschüchtert bin ich schon. Die hier präsentierten Fotos entstanden selbstverständlich
legal vor und nach der Veranstaltung oder in der Pause.
Anspannung liegt in der Luft.
Keiner weiß genau, wie das hier ausgehen wird. Zwischen entspannt-harmonisch
und hektisch-kontrovers scheint alles möglich zu sein. Wer ist da? Ist
jemand „auf Krawall gebürstet“?
Aus Gesprächen schnappe ich auf:
Die Räumlichkeiten sind heute bis 21 Uhr reserviert, und wenn das nicht reicht,
soll es morgen weitergehen. Gut, dass ich vorsorglich etwas zu trinken und
Butterbrote eingepackt habe. Noch schnell zur Toilette im Kellergeschoss des modernen
Kirchen-Anbaus im Bauhausstil. Dort erinnern die Reste einer Gruft an Otto von
Guericke, den Innovator und Politiker des 17. Jahrhunderts, neben Kaiser Otto
I. auch ein früher Influencer der „Otto-Stadt“ Magdeburg.
Das Setting und die Regie. Was
sagt mir das gewählte „Setting“ des Veranstalters in der entweihten Kirche, die
nach ihrer vierten Zerstörung im letzten Weltkrieg im Jahr 1999 auferstand aus
einer Ruine als weltliches Veranstaltungs- und Konferenzzentrum?
Im erhöhten, ehemaligen Altarraum,
zentral an einem Tisch, die schwarz-weißen Kirchenfenster im Rücken, drei „Hohepriester“
des Landesverwaltungsamtes. In der Mitte die Moderatorin und Leiterin, die
souverän in die Veranstaltung einführt und noch ein beachtliches Textpensum
absolvieren wird. Die beiden Herren links und rechts schweigen und werden nach
meiner Beobachtung auch im Verlauf der offiziellen Veranstaltung kein Wort
sagen. Alle stellen sich persönlich vor, nur die beiden lassen sich von der
Moderatorin präsentieren. Sind sie „Back-ups“ oder Aufpasser?
Rechts, vom Zuschauerraum aus
gesehen, auf gleicher Höhe, schräg aufgestellt eine Tischfront, dahinter noch
zwei weitere Tischreihen mit insgesamt ca. 20 Vertretern der „Antragsstellerin“,
also mit Personen von Intel oder mit von Intel beauftragten Personen. In der
ersten Reihe links ein Rechtsanwalt, der sich als eloquenter Wortführer der
Intel-Interessen herausstellen wird. Daneben in der ersten Reihe weitere Berater
und Beraterinnen von Intel für spezielle Fachfragen. In der zweiten und dritten
Reihe sind auch einige nur Englisch sprechende Mitarbeiter von Intel, die über
Kopfhörer eine Simultanübersetzung hören können. Von der zweiten und dritten
Intel-Reihe wird man im Verlauf der Veranstaltung nichts öffentlich hören,
außer von der Geschäftsführerin der „Intel Magdeburg GmbH“, die auch in der
hinteren Reihe ihren Platz hat. Sie eröffnet den Vortragsreigen zu Beginn mit
einem „Goodwill speech“ als atmosphärischer Lockerungsübung, unterstützt durch repräsentative
und gestylte PowerPoint-Folien auf dem Großbildschirm, der wie von unsichtbaren
dünnen Fäden über dem Intel-Team in der Schwebe gehalten wird. Wir sind
gekommen, um zu bleiben und wollen eine gute Nachbarschaft. Das ist der Kern ihrer
Botschaft.
Links im Altarraum ‒ oder nennen
wir ihn doch lieber Bühne? ‒ auch eine schräg aufgestellte Tischfassade und
eine zweite Reihe dahinter, mit ca. 15 Plätzen für die Vertreter und
Vertreterinnen der Unternehmen, die für die Infrastruktur des Projektes verantwortlich
sind: SWM (Stadtwerke Magdeburg), HTP (High-Tech-Park-Sachsen-Anhalt), TWM
(Trinkwasserversorgung Magdeburg), Gelsenwasser (Abwasserreinigung) und Stiftung
Kulturlandschaft Sachsen-Anhalt.
Die drei, mit cremefarbenen
Tischhussen repräsentativ ausgestatteten Tischfronten, präsentieren sich pompös
und öffnen sich zum drei Stufen niedrigeren Zuschauerraum. Dort vorn zwei nackte
Tischreihen (also ohne Hussen) für insgesamt ca. 30 Einwender und
Einwenderinnen mit Blickrichtung auf die erhöhte Bühne. Nicht alle Plätze sind dort
besetzt. Dahinter im ehemaligen Kirchenschiff die Stuhlreihen für die „Passagiere“,
die bei den öffentlichen Erörterungen mitgenommen werden möchten. Rederecht
haben sie nicht, wird von der Moderatorin klargestellt. Jeder der Plätze an den
Tischen, oben wie unten, ist mit einem Mikrofon ausgestattet. Wie überhaupt
alles Technische gut ausgestattet und im Ablauf gut organisiert ist.
Publikum. Ich habe den
Eindruck, dass mehr Menschen an den Tischen auf und vor der Bühne sitzen als auf
den Einzelsitzen im Zuschauerraum. Aber die Reihen füllen sich nach und nach weiter
mit vielleicht 100 bis 120 Personen. Hier und da entdecke ich Kommunal- und
Landespolitiker und Politikerinnen. Vor mir verfolgen die Wirtschaftsbeigeordnete
und der Baubeigeordnete der Stadt Magdeburg interessiert die Vorträge von den
Zuschauerrängen aus. Gefühlt bleiben ca. 200 Stühle im Zuschauerraum leer. Warum
ist das Interesse nicht größer? Sollte für die Magdeburger und Magdeburgerinnen
schon alles in trockenen Tüchern sein? Die Einwender und Einwenderinnen bekamen
keine Extra-Einladung, da der heutige Termin mehrfach öffentlich in der Zeitung
und im Amtsblatt ausgewiesen war. Andererseits ist ein Tagestermin, aus dem
auch zwei Tage werden könnten, für die arbeitenden Menschen schwierig
einzurichten. Ich freue mich über meine „privilegierte“ Situation, die mir die
Teilnahme ermöglicht.
Wasser. Gleich zu Beginn
geht es um die Wasserversorgung. Woher kommen die ca. sieben Millionen
Kubikmeter Wasser pro Jahr? Die Intel-Vertreter können sich bezüglich der
Wasserversorgungsproblematik formal zurücklehnen, da die Stadt Magdeburg in den
Verhandlungen die Versorgung mit geeignetem (Trink)Wasser vertraglich garantiert
hat. Der Rechtsanwalt und Intel-Redeführer weist auch darauf hin, dass deshalb
die Frage, woher das Wasser kommt, nicht Gegenstand dieses Genehmigungsverfahrens
ist. Das Verfahren ist im Übrigen (nur) eine Teilgenehmigung für den Bau der
Anlage. Später (2025, 2030?) wird noch eine weitere (Teil)Genehmigung für den
Betrieb der Anlage notwendig werden. Trotzdem wird von einem Vertreter der Gemeinde
Burgstall – nördlich von Magdeburg gelegen – eine weitere extreme Absenkung des
Grundwassers sehr befürchtet. Es wird in den Diskussionen deutlich, dass das in
einem Video https://youtu.be/GssEFGhRjjk?si=-_xKEhiRputtsclS
auf der Homepage der Stadt Magdeburg vorgestellte Konzept (kurz: Wasser aus der
Elbe über den Mittellandkanal in die Ohre zur weiteren Versickerung als
Grundwasser für das Wasserwerk in Colbitz leiten) noch nicht mit realen
Planungen und Konzepten unterlegt ist, es somit fraglich ist, ob es auch funktioniert
und in einem anderen Verfahren genehmigt werden muss.
Vom „pro Elbe e.V.“ wird
gefordert, dass eine Wasserentnahme aus der Elbe nur beim Wasserstand oberhalb
des mittleren Pegels erfolgen dürfe. Dass die Erhöhung der Fördermengen für die
Versorgung von Intel dem Niveau um 1990 entspricht und die derzeitige geplante
Entnahmemenge selbst bei niedrigem Elbpegel nur ca. 1% des Durchflusses
entspricht, ist für die Einwenderin nicht überzeugend. Auch wenn die TWM auf
ausreichende Wasserrechte aus „alten DDR-Zeiten“ verweist. Der Aspekt des seitdem
fortgeschrittenen Klimawandels und die weiteren Wasserentnahmen durch neue
Industrieanlagen entlang der Elbe bedeutet für die Einwender eine ungünstige
Perspektive für die Elbe und Grundwasser. Die Wasserprobleme werden nicht
kleiner. Aber, wie gesagt, strenggenommen ist das Thema „Wasser“ gar nicht
Gegenstand dieses hier verhandelten Genehmigungsverfahren.
Abwasser. Ich bin nicht
sicher, ob ich den Hinweis des Rechtsanwaltes und Intel-Redeführers richtig
verstanden habe, dass auch das Thema Abwasser nicht Gegenstand der beantragten
Genehmigung sei. Die Stadt Magdeburg oder die HTP-Sachsen-Anhalt bzw. die von
ihr beauftragte Gelsenwasser-AG hat die Aufgabe, das Problem zu lösen,
möglicherweise mit einem anderen Genehmigungsverfahren.
Übrigens: „Das ist nicht Gegenstand
dieses Genehmigungsverfahrens!“ und „Das Thema ist bislang hinreichend erörtert
und ich beziehe mich auf die bisherigen Stellungnahmen in diesem Verfahren!“, sind
die vom Intel-Wortführer an diesem Tag gebetsmühlenartig gebrauchten Sätze.
Aber dafür hatte er bei der Einführung schon um Nachsicht und Verständnis
gebeten, weil formal-juristisch notwendig.
Trotzdem stellt einer der Einwender
die Frage, ob die Vertreterin der Fa. Gelsenwasser, die auf die
Trinkwasser-Qualität am Abfluss der zukünftigen Kläranlage hinwies, das Wasser auch
selbst trinken würde. Darauf antwortet sie nicht. Es wird aber deutlich, dass
das „Trink-Abwasser“ nicht die ausreichende Qualität haben wird, um es wieder
dem Prozess der Reinstwasser-Aufbereitung für die Chip-Produktion zuzuführen. Schade,
das wäre ein wünschenswertes Wasser-Abwasser-Wasser-Kreislauf gewesen. Die
Frage der „pro Elbe e.V.“-Vertreterin nach PFAS, den so genannten
Ewigkeitschemikalien im Abwasser, wird wie andere Fragen und Hinweise vom
Landesverwaltungsamt im Rahmen der Genehmigungsprozedur zu Protokoll genommen
und im weiteren Verfahren von der Genehmigungsbehörde bewertet.
Nun geht es in eine 30-minütige
Mittagspause. Danach sind weniger Zuschauer zu sehen und auch einige Plätze bei
den Einwendern nicht mehr besetzt. Die Mittagssonne lässt die vor einigen
Jahren neu gestalteten Kirchenfenster im südlichen Seitenschiff der
Johanniskirche intensiv und farbig aufflammen.
Boden. Ein ausführlich
behandelter Diskussionspunkt ist der Bodenschutz. Die Vertreter vom BUND und von
einer Vereinigung zum Bodenschutz tragen ihre Bedenken engagiert und fachkundig
vor, sodass ich den sich entwickelnden Fachgesprächen zwischen Einwendern und
Vertretern des HTPs sowie der Stiftung Kulturlandschaft kaum folgen kann. Aber
es ist trotz unterschiedlicher Einschätzungen ein sachlicher und respektvoller
Umgang, wie es anfangs und auch zwischenzeitlich von den Personen auf der Bühne
gewünscht wurde. Beim Bodenabtrag gibt es anscheinend eine Aufgaben- und
Verantwortungsteilung zwischen der HTP und Intel, sodass beide für eine Lösung
in der Pflicht stehen. Es wird – ähnlich wie bei der Wasserfrage - deutlich,
dass das bisher in den Genehmigungsunterlagen dargestellte sehr pauschale und einfache
Konzept nicht greift und grundsätzliche Konzepte und Verfahren noch erarbeitet
werden müssen.
Mich überrascht, dass in der
ersten Ausbaustufe (mit zwei Chip-Fabs), entgegen vielen Befürchtungen nur ca.
15% der Fläche versiegelt werden sollen. Wie das bei insgesamt acht Chip-Fabs aussehen
wird, ist nicht Gegenstand dieses Genehmigungsverfahrens. Ich bin erstaunt, wie
komplex auch das Thema „Boden“ ist und wie viele Vorschriften und Gesetze
beachtet werden müssen, bevor der Boden transformiert werden darf. Die
Vertreter der HTP teilen mit, dass aktuell für über eine Million Kubikmeter
Boden Abnehmer in Aussicht stehen.
Da am heutigen Tag in der „Volksstimme“
berichtet wird, dass der Baustart um ein weiteres Jahr, jetzt auf 2025
verschoben wird, ergibt sich auch hier Möglichkeit, dass die Konzepte und
Planungen für die Entfernung der Schwarzerde nicht mehr mit der heißen Nadel gestrickt
werden müssen.
Naturschutz.
Intensiv wird die Diskussion noch einmal beim Arten- und Naturschutz, als
es um die gefährdeten Feldhamster- und Feldlerchenpopulationen geht. Ich habe
die Gelegenheit, auch zu diesem Thema einiges Neue zu lernen, auch die
Wichtigkeit zu erkennen, und warum dieses Thema nicht belächelt werden darf. In
einem FAZ-Artikel wird zwei Tage später unseriös getitelt werden, als ob versucht
würde, mit acht Feldhamstern eine 30-Milliarden Investition zu verhindern. Im
Gegenteil: Bei den Einwendern war von so einer Forderung überhaupt nicht die
Rede.
Abschluss. Es ist nicht einmal
16 Uhr und alle Punkte sind schon abgehandelt. Die Versammlung löst sich nach
vorsichtigem Beifall und Klopfen auf. Hier und da entstehen Grüppchen, die diskutieren.
Einige Medienvertreter machen noch Filmaufnahmen, interviewen Vertreterinnen
von Intel als auch Einwender. Es macht sich eine entspannte
Erleichterung, ein Aufatmen bei fast allen Beteiligten breit, wie das
abschließende, entlassende und entlastende Amen in der Kirche.
Eine Einwenderin ist nicht
zufrieden und sagt mir, dass sie sehr genau in das Protokoll schauen und
verfolgen wird, inwieweit ihre Einwendungen in dem weiteren Prozess
Niederschlag finden werden. Also ist möglicherweise die letzte Messe noch nicht
gesungen.
Mein Resümee. Ich habe
schon öffentlichen Erörterungen zu städtischen Bebauungsplänen beigewohnt, bei
denen es wesentlich lauter, hektischer und kontroverser zuging. Ich hätte es aber
passender gefunden, wenn man eine Anordnung gefunden hätte, bei der auch die
Einwender auf Augenhöhe gemeinsam mit den anderen Gruppen auf der Bühne positioniert
gewesen wären. Das umso mehr, weil auch die Einwender so genannte Verfahrensbeteiligte
sind, die Gruppe der „Infrastruktur“ formal nicht, wenn ich das richtig
verstanden habe.
In dem gesetzten Veranstaltungsrahmen
wurde themenbezogen vorstrukturiert, die Leitung der Veranstaltung war trotzdem
flexibel und offen. Es wurde immer wieder nach Wortmeldungen von den Einwendern
gefragt. Fast alle Einwender und Einwenderinnen gaben zu Protokoll, dass sie
dem Projekt prinzipiell positiv gegenüberstehen und nicht das Ziel haben, es zu
verhindern. Das trug insgesamt zur kooperativen Stimmung bei. Die Einwender und
Einwenderinnen sollten weiterhin mit ihren Argumenten ernstgenommen werden, denn
sie erwarten ein Überdenken von vielen bislang noch nicht ausgegorenen Details
des Vorhabens. Auch seitens der beteiligten Planer wurde deutlich, dass durch
die zeitliche Verschiebung des Baustartes die zusätzliche Zeit genutzt werden muss,
die Wasser- und Boden-Konzepte zu konkretisieren. Letztlich wird es darauf
ankommen, was die Genehmigungsbehörde, also das Landesverwaltungsamt
Sachsen-Anhalt, der Antragsstellerin mit ins „Gebetbuch“ schreibt.
Da es sich bei dem Antrag um
eine Teilgenehmigung handelt, werden weitere Genehmigungsverfahren im Kontext
der Intel-Ansiedlung folgen. Hat aber der erste große Genehmigungsschritt erstmal
den Segen, wird ein „Zurück“ immer schwieriger. Ist der „Point of no return“
schon erreicht? War das hier im Kirchenschiff die Kiellegung des großen
Dampfers „Intel-Ansiedlung“ oder schon der Stapellauf?
Man wird abwarten müssen, ob
die Einwände gegen das Genehmigungsverfahren letztlich zur Zufriedenheit der
Einwender Eingang in die Umsetzung finden oder ob hier Anlässe für spätere
gerichtliche Klärungen einen Ausgangspunkt haben. Ob die weitere Verzögerung des
Baustartes ausschließlich an der noch ausstehenden „Formalie“ der Subventionsgenehmigung
durch die EU liegt, wird sich erst bei tatsächlichem Baubeginn zeigen.
Thema verfehlt? War das
hier auch teilweise auch so? Ich bleibe verwirrt zurück, weil ich nach den Aussagen der Veranstaltungsleiterin und des
Intel-Vertreters nicht sicher bin, ob und welche der vorgebrachten Einwendungen
überhaupt für die Teilgenehmigung relevant sind. Vielleicht beichtet mir der
eine oder die andere, was tatsächlich relevant für das Verfahren war. Schließlich
leben wir hier doch nicht in Kafkas Welten, auch wenn Kafka-Jahr ist.
Mein
Fahrrad finde ich allein zwischen den Anlehnungsbügeln wieder und ich werfe
beim Wegfahren noch einmal einen Blick auf die Luther-Statue. „Gottes Wort mit
uns in Ewigkeit“, lese ich noch einmal. Besser ewig das Wort Gottes im Ohr als Ewigkeitschemikalien
im Wasser, tröste ich mich.