Dort, wo in Magdeburg der Breite Weg die Ernst-Reuter-Allee kreuzt, steht auch Ende 2024 in der Advents- und Weihnachtszeit am Allee-Center ein Objekt der Lichterwelt. Es heißt in diesem Jahr in der offiziellen Liste (MD_Lichterwelt-Karte_2024.pdf) noch „Intel-Mistelzweig“.
Intel ausgemistelt?
Der Standort ist aber in dem dazugehörenden Lageplan nicht
eingezeichnet. Ist man an der besagten Kreuzung, befindet sich dort doch die
Lichtinstallation, allerdings ohne den Spruch der beiden letzten Jahre: „Happy
to be in Magdeburg“, das krönende Intel-Logo darüber fehlt. Die Intel-Version ist
aber noch als Foto auf der Startseite der Lichterwelt-Internetseite zu sehen. Virtuell
ist der „Intel-Mistelzweig“ noch vorhanden, in der Realität ist erst einmal
ausgemistelt. Symptomatisch für die aktuelle Situation?
Ich möchte kein Salz in noch frische Wunden streuen und die Vorweihnachtszeit
nicht mit schlechter Stimmung vermiesen, denn geblieben ist der hoffnungsvolle,
stilisierte Mistelzweig unterhalb der Spitze der sich kreuzenden Tannengrünbögen.
Missgeschick ‒ Intel-Mistel-Kiss verpasst
Um den Mistelzweig ranken sich viele Mythen, viele Bräuche
sind damit verbunden. Hätte man sie ernster nehmen müssen? Hätten sich unsere
Oberbürgermeisterin Simone Borris und der gerade ausgeschiedene Intel-CEO Pat Gelsinger
sich in der Adventszeit 2022 unter diesem Mistelzweig geküsst … Wäre es vielleicht
dann nicht zur Trennung (auf Zeit) gekommen?
Hätte Ministerpräsident Reiner Haseloff unter dem Mistelzweig
am Allee-Center einen Bruderkuss mit Pat Gelsinger im Advent 2023 getauscht,
wäre dann die schwebende Scheidung nicht aufs Tableau gekommen? Aber Bruderküsse
führen nicht immer zum Zusammenbleiben, wie die Geschichte beweist. Erich
Honecker und Leonid Breschnew schienen sich auch zu mögen und küssten sich, wie
noch heute das ikonografische Graffiti an der Berliner Mauer zeigt. Was wäre
passiert, wenn die beiden die Zärtlichkeiten unter einem Mistelzweig
ausgetauscht hätten?
Mistel-Mythen und Sagen wagen
Die weißbeerige Mistel (botanisch Viscum album) ist auch weiterhin
ein freundlicher Magdeburger Willkommensgruß. Sie wird seit dem 19. Jahrhundert
als Weihnachtsschmuck verwendet und ist beispielsweise als Türdekoration sehr
beliebt, auch wenn sie als Halbparasit ihrem Wirt Wasser und Nährstoffe
entzieht. So bei Wikipedia nachzulesen.
Der Mistel werden geheime Kräfte zugesprochen. Die Pflanze
soll Gesundheit, Fruchtbarkeit, Mut und Glück bewirken. Die Griechen der Antike
sahen in ihr ein Mittel gegen Gift. Andere Völker, wie beispielsweise die
Germanen, waren der Ansicht, dass sie die Menschen beschütze. Den Druiden diente
sie als magische Beigabe und war auch für Miraculix in „Asterix und Obelix“ eine
wichtige Zutat für den Zaubertrank.
Man tut also gut daran, die Misteltradition in Magdeburg fortzuführen. Wer weiß, von wem der zukünftige Intel-CEO, wenn er einmal nach Magdeburg kommen sollte, geküsst wird. Die Mistel ist das richtige Symbol für die Perspektive, die ich aufzeigen möchte.
Manche Bilder brauchen Worte, manche nicht ... |
Neulich stand ich an einem ungemütlichen, nasskalten
Dezembertag an der schon fertiggestellten B-81-Abfahrt zur geplanten Intel-Ansiedlung.
Die Abbiegespur aus Richtung Magdeburg wird nach nur wenigen Metern mit fünf
kräftigen Betonpollern blockiert, als wäre dahinter ein Weihnachtsmarkt.
Hundert Meter weiter endet der glänzende Bitumenpfad stumpf am Bördeacker, dem
Feldhamster-Niemandsland, wo sich Fuchs und Hase in Kürze „Frohe Weihnachten“
und „Prosit Neujahr““ wünschen werden.
Keine Märchen
Diese Straße wird früher oder später weitergebaut, da bin ich sicher. Vielleicht führt sie doch noch zur Intel-Chipfabrik? Zurzeit scheint es wahrscheinlicher zu sein, dass sie in einigen Jahren zu einem anderen Großunternehmen führt, oder ‒ ist die Abfahrt für breite Großkonzerne verpollert ‒, so gibt es zwischen den Pfosten Lücken, durch die schmale Unternehmen schlüpfen könnten. Transformation wird auf jeden Fall stattfinden, sie lässt sich nicht aufhalten, so oder so. Durch die nun zusätzlich zur Verfügung stehende Zeit könnte sie heilsamer, ökonomischer und ökologischer werden, auch wenn bis dahin noch viel Wasser die Elbe hinunterfließen wird. Alles fließt, panta rhei. Auch die Zeit, in der die durch das „Projekt Intel“ geschlagenen Wunden im gegenseitigen Respekt geheilt werden könnten. Engagement in Sachen Transformationsbegleitung ist also weiter gefragt. Wenn man auf dem Foto des Straßenstumpfes ganz genau hinsieht, sind auf der Baumreihe am Horizont eine große Menge dieser kugelförmigen Mistelgebilde zu entdecken. Genug für viele Küsse, ausreichend für Zaubertränke. Von wegen: Am Horizont nichts weiter.
Blog geht weiter – Round Table zur Transformation
Auch dieser Blog geht weiter, wenn auch nicht mit der
bisherigen Schlagzahl, Slow Motion ist angesagt. Ich fühle und zähle also weiter
den Pulsschlag der Magdeburger Transformation.
Ich werde auch darüber berichten, wie sich aus dem harten
Kern der Teilnehmer meiner Vorträge in der Stadtbibliothek ein
Round-Table-Gesprächskreis aus Magdeburgern und Magdeburgerinnen entwickelt und
was dort passiert. Einige Personen haben dafür Interesse gezeigt. Ein erster
Termin für Januar 2025 ist in Vorbereitung und wird an dieser Stelle in Kürze
veröffentlicht. Machen Sie, lieber Blogleser und liebe Blogleserin, auch mit?
Dann bekunden Sie mir gerne unter beesten@HerbertBeesten.de Ihr Interesse. Sie bekommen den Termin direkt zugesandt. Ich
freue mich auf euer Kommen!
Mit meinem Lektor Albrecht Franke, der immer im Hintergrund
für Blog-Qualitätskontrolle gesorgt hat, wünsche ich allen Followern angenehme
Feiertage und einen guten Rutsch und neue Jahr, mit oder ohne Mistelzweig!
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