Dienstag, 17. Oktober 2023

# 028 - Oktober 2023 - Der Raum – Die O-Töne – Die Tagung – Der Vortrag – Das Büfett – Aussicht auf Schnitzel

Schwierige Geschichten im Ohr ‒

Raumwandler

Mein hilfloses Schweigen im Raum der schemenhaften Wände, mein Denken zwischen Bildschirmen eingesperrt. Nachgeburten von Ereignissen, Stimmungen füllen den Raum mit abgelegt geglaubten Momenten. Geschichten kriechen in meinen Kopf.

Unterwegs in Magdeburg ‒ in der Remtergasse hinter dem Dom ‒ stelle ich mir vor, dass dieser Raum schon vor 500 Jahren so ausgesehen haben könnte. Hat alles überstanden. Der Knopf im Ohr serviert mir anlässlich „100 Jahren öffentlicher Rundfunk“ ein Feature mit O-Tönen aus ikonografischen Radiosendungen.

Bericht aus dem Elbe-Saale-Camp

Am 25. Juli war ich im Elbe-Saale-Camp (www.elbe-saale-camp.de) bei Barby zu einem Vortrag und einer Diskussion eingeladen. Thema: Intel. Die Wasserfrage stand hier selbstverständlich im Mittelpunkt. Ich las einige Passagen aus dem Blog vom März 2023. Ich berichtete von meinem Gespräch mit dem Wasserwissenschaftler Dr. Karsten Rinke vom Helmholtz-Institut und meiner ausführlichen Exkursion mit dem Börde-Landwirt Jörg Claus. Für mich blieben damals in Wasserangelegenheiten Fragen offen, denn solange aus den noch ausstehenden Genehmigungsunterlagen nicht deutlich wird, wie viel Intel-Wasser tatsächlich benötigt wird und wie dieser Bedarf gedeckt werden soll, kann man keine Bewertung vornehmen.

Bei der anschließenden Diskussion im Camp blieben die Zuhörer skeptisch, weil in der Vergangenheit beim Widerstand gegen den Elbe- und Saaleausbau die Informationslage immer „schwierig“ war. Einige Teilnehmer waren konträrer Meinung zu den Stimmen meiner Quellen, nämlich, dass die Intel-Wasserversorgung umweltverträglich und mengenmäßig zu schaffen sei. Ich war nicht in der Lage, hier zu bewerten. War das für die Camp-Teilnehmer enttäuschend? 

 

Zeitenwandler

Nun wieder O-Töne im Ohr: Absturz des Luftschiffes „Hindenburg“ 1937, der Reporter weint. Die martialische Stimme des Senders Gleiwitz 1939, der Krieg beginnt, endet mit: „… hier ist der Reichssender Flensburg. Deutsche Männer und Frauen …“ Der 17. Juni. Dann: „I have a dream“, Panzerketten-Albtraum 68 in Prag. Die verhaltene, leise Reporterstimme beim Kniefall von Willi Brandt, „Grândola, Vila Morena“ zum Mitsingen, Embedded Journalism – live aus dem Panzer im Irak.

Vergangenheit. Jetzt wird mein Raum von Geschichten belagert, auf überdimensionalen Monitorwänden. Links die „Tageschau“: Ein großer starker Mann, Israeli, dreht sich weg bei der Schilderung der Entführung seiner beiden Töchter, seine Stimme bricht, er weint vor der Kamera, Stolz verrichtet nichts.


Rechts, der andere Krieg auf Facebook! Talkshow-Generäle verrechnen Geländegewinne mit Menschenverlusten in der Ukraine. Lassen mich über die „nur“ 36 Toten beim Zeppelinabsturz der „Hindenburg“ lächeln. Fängt so Relativierung an?

Die Videowand hinter mir mit Szenen von Dürren und Fluten, Stürmen und Fluchten. Eine Katastrophenschutzübungsszenariumsreportage aus Paris: Mit Wortmonstern gegen künftige 50-Grad-Sommerhitze-Ungeheuer.

„Chip, Chip Hurra“         

„Chip, Chip Hurra: Geht im Osten jetzt die Sonne auf?“ ‒ der Titel einer Veranstaltung der Rosa-Luxemburg-Stiftung am 19. September 2023 in der Magdeburger Universitätsbibliothek ( Chip, Chip Hurra: Geht im Osten jetzt die Sonne auf? - Rosa-Luxemburg-Stiftung (rosalux.de), an der ich als Zuhörer teilgenommen habe. Der Veranstaltungsraum war mit ca. 60 Teilnehmern sehr gut gefüllt, die Stühle reichten nicht. Auf dem Podium neben dem Moderator zwei Wirtschaftswissenschaftler und ein politisch engagierter Student. Einig war man sich darin, dass die Intel-Ansiedlung wirtschaftlich für Magdeburg und Sachsen-Anhalt positive Effekte erzeugen wird.

Der Leipziger Humangeograph und ausgewiesene Spezialist für die ostdeutsche Wirtschaft, Dominik Intelmann, – ja, so heißt er wirklich – sah weiter die Gefahr, dass es den ostdeutschen Menschen wie nach der Wende nicht gelingen werde, angemessenes Vermögen zu bilden. Ursache dafür sei – vereinfacht ausgedrückt – dass bei der Wiedervereinigung das Volksvermögen nicht in ostdeutsche Erbschaften umgemünzt wurde und noch heute die Einkommen niedriger als in den alten Bundesländern sind, in denen zusätzlich noch potente Erbschaften die Regel waren und sind. Das wäre auch der Grund dafür, dass es immer noch einen erheblichen Finanztransfer von den alten in die neuen Bundesländer gibt. Der Humangeograph schätzte es wohl so ein, dass sich durch die Intel-Ansiedlung grundsätzlich nicht viel daran ändern würde.

Prof. Dr. Andreas Knabe, Volkswirtschaftler von der Uni Magdeburg, stimmte zum Teil zu, aber aus Deutschland- und Europasicht wäre es fraglich, ob die Subventionen nicht mittel- und langfristig für die Entwicklung anderer, neuer Technologien sinnvoller seien. Die Subventionen, die über Steuern von uns allen gezahlt werden, könnten nur einmal ausgegeben werden. Die anschließende Diskussion war rege, indem das Für und Wider der Intel-Ansiedlung diskutiert wurde. Skepsis war im Raum bei den Zuschauern, keine Hipp-Hipp-Hurra-Stimmung. Am Ende ging es auch um die Wasser- und Bodenfrage sowohl aus Umweltsicht als auch um den kapitalistischen Umgang mit volkswirtschaftlichen Ressourcen als Produktionsmitteln.


Mein nicht ganz ernst gemeinter Diskussionsbeitrag an dem Abend: Mit den Subventionen aus Steuern für Vermögen, Einkommen und Erbschaften, die, wie beschrieben, zum größten Teil aus den alten Bundesländern stammen, sollte Intel in Magdeburg aufgebaut werden. Umsatz und Unternehmenswert von Intel steigen durch die gute Mitarbeit der Magdeburger. Da Intel und weitere Zulieferer gute Gehälter zahlen werden, könnten wir Ostdeutsche davon Intel-Aktien kaufen und dank steigender Intel-Aktienkurse und satter Renditen endlich Vermögen bilden. So würde ein Vermögenstransfer von denen im Westen zu uns in den Osten erfolgen. Eine Zuschauerin unterstützt mich begeistert: „Und dann können wir auch vererben!“ Genau.

Under pressure ‒ Unter Druck

Ein großer Bildschirm über mir, er senkt sich langsam, schiebt sich zwischen die Wände, Populistenfratzen schauen auf mich herab, ich ducke mich, der Bildschirm senkt sich langsam weiter wie in einer Schrottpresse, immer tiefer, ich probiere noch ein Tänzchen auf dem Vulkangestein.

Cliffhanger, der Vorhang fällt noch nicht endgültig. Pause. Ich bleibe. Der Vorhang hebt sich. Ich liege zwischen den Monitorwänden, das Stück heißt „Eindimensionales Plattmachen“, die Presse senkt sich weiter.

Die Welt verbrennt in mir, zündelt am Schreibbegehren, an der Lust, klein, klein über andere Räume zu schreiben. Was ist das für eine Zeit, in der ein Blog über die Intel-Ansiedlung zugleich ein Schweigen über so viele …  Das habe ich mir fein ausgedacht, oder? Ein Schmuckspruch, geklopft außerhalb der Hörweite des Kanonendonners, nicht in Reichweite der Marschflugkörper.

Ist das Intel-Thema für Magdeburg, für mich wirklich noch wichtig in Anbetracht der Weltlage? Meine literarischen Fingerübungen und Hütchenspiele nichts als zerplatzende Sprechblasen, ein Luxusproblem? Eskapismus?

 

Zitate aus Internet-Artikeln im Oktober 2023 zur Situation von Intel in Israel:

Aus US-News/Reuters

      9. Oktober 2023 Google-Übersetzung ins Deutsche:

How Israel's Tussle With Hamas Negatively Impacting The Global Semiconductor Industry (circuitdigest.com)

Ein Sprecher des Chipherstellers Intel, Israels größtem privaten Arbeitgeber und Exporteur, sagte, das Unternehmen beobachte „die Situation in Israel genau und ergreift Schritte, um unsere Arbeiter zu schützen und zu unterstützen".

Der Sprecher lehnte es ab, zu sagen, ob die Chipproduktion von der Situation betroffen ist. Der Aktienkurs von Intel fiel am Montag um0,5% https://www.usnews.com/news/technology/articles/2023-10-09/israels-tech-sector-could-face-disruptions-after-attacks-investors

 

 Aus eps-news

11. Oktober 2023 - Google-Übersetzung ins Deutsche:

Krieg in Israel wirkt sich auf die Elektronik-Lieferkette aus

„Unsere Absicht, die Produktionskapazitäten in Israel zu erweitern, wird von unserem Engagement angetrieben, den zukünftigen Produktionsanforderungen gerecht zu werden. Wir schätzen die anhaltende Unterstützung der israelischen Regierung", sagte Intel in einer Erklärung.

Da sich die Fabriken relativ nah am Konfliktgebiet befinden, gibt es Bedenken hinsichtlich der Sicherheit dieser Einrichtungen und ihrer Mitarbeiter. Wie andere Unternehmen beobachtet auch Intel die Situation genau und ergreift Maßnahmen, um die Sicherheit und Unterstützung seiner Mitarbeiter zu gewährleisten.

„Wir beobachten die Situation in Israel genau und ergreifen Maßnahmen, um unsere Mitarbeiter zu schützen und zu unterstützen", sagte ein Intel-Sprecher am Montag.

https://epsnews.com/2023/10/11/war-in-israel-to-impact-electronics-supply-chain/

Aus circut digest

17. Oktober 2023 Google-Übersetzung ins Deutsche

Wie sich Israels Streit mit der Hamas negativ auf die globale Halbleiterindustrie auswirkt (Circuitdigest.com)

Intel verfügt über fünf große Standorte, die 12.800 Menschen beschäftigen, und die Arbeit umfasst KI und autonome Fahrzeuge. Haifa hat einen Anteil am Server- und PC-Markt des Unternehmens. Neben Haifa ist Kiryat Ghat ein weiterer wichtiger Standort für die Chipproduktion. Der Punkt ist nun, welche negativen Auswirkungen die geopolitischen Auseinandersetzungen auf die Halbleiterindustrie haben. Ein Ingenieur von Nvidia wurde von den Militanten entführt und später musste das Unternehmen seine KI-Konferenz absagen, die für den 15. Oktober geplant war.

Vorwort zum Quartalsbericht (30.9.23) vom Intel CEO Pat Gelsinger vom 26. Oktober 2023

CEO/CFO Earnings Call Comments (pdf)

• Bevor wir beginnen, sind wir angesichts unserer bedeutenden und mittlerweile fast 50-jährigen Präsenz in Israel zutiefst betrübt über die jüngsten Angriffe und ihre Auswirkungen auf die Region.

Unsere höchste Priorität ist die Sicherheit und das Wohlergehen unserer Menschen in Israel und ihrer Familien, aber ich möchte auch die Widerstandsfähigkeit unserer Teams anerkennen, die unseren Betrieb am Laufen gehalten und die Erweiterung unserer Fabrik vorangetrieben haben.

Unsere Gedanken sind bei allen, die vom Krieg betroffen sind, und ich bete für eine baldige Rückkehr zum Frieden.

 

Der Wandel – In schwierigen Zeiten

Intel arbeitet jetzt schon in Israel mit viermal so vielen Bediensteten, wie voraussichtlich in der ersten Phase in Magdeburg arbeiten werden. Das ist Intels größter und wichtigster Standort für Entwicklung und Produktion außerhalb der USA, wo in den nächsten Jahren weitere 25 Milliarden Dollar investiert werden sollten, fast so viel wie in Magdeburg. Oder war diese Israel-Investition schon vor einigen Monaten ganz oder teilweise abgesagt? („Volksstimme“ vom 28.1.2023: „Intel rutscht in die Verlustzone“, heißt es da. Der letzte Quartalsbericht bis September 2023 zeigt wieder deutliche Gewinnzahlen bei zurückgehenden Umsätzen.)

Die Zulieferprobleme der Automobilindustrie durch den Ukrainekrieg haben Magdeburg bislang nur vom Hörensagen tangiert, nämlich durch die Wolfsburg-Pendler. Raketenexplosionen in der Ukraine gaben schon den Takt für die Begleitmusik zur offiziellen Ankündigung der Magdeburger Intel-Ansiedlung. Was in Israel passierte und wie es dort weitergeht, wird auch den weiteren Magdeburger Intel-Takt beeinflussen: Sicherheit für Menschen und Fabriken, politische Stabilität, Risikoverteilung und Zuverlässigkeit rücken in den Vordergrund. Wo steht Magdeburg in der bedrohten Lieferkette, wenn es in Israel noch schwieriger wird, so dass das, was möglicherweise dort für die Magdeburger Intel-Produktion entwickelt werden sollte, ausfällt? Magdeburg am Ende der Kriegsnahrungskette? Bedeuten diese Art „Sorgen“ eine Relativierung des Leids?

Die Tagung

Mitte September 2023 saß ich im weiten, gut besetzten Rund des Auditoriums der „Tagung Siedlungsabfallwirtschaft Magdeburg“, kurz TASIMA (www.h2.de/tasima), der Hochschule Magdeburg-Stendal. Zwei Tage auf dem Campus am Herrenkrug wollte ich mir gönnen, um wie in alten Zeiten an einer Art Symposium teilzunehmen. Außerdem war ein interessanter Intel-Kongressbeitrag angekündigt.


Zur TASIMA-2016 hatte ich als Kulturbeitrag eine Performance zum Thema „China“ präsentiert. Das war damals ein großes Thema. Der Energiekonzern Energy from Waste GmbH (EEW), zu dem auch mehrheitlich das Magdeburger Müllheizkraftwerk (MHKW) in Magdeburg-Rothensee gehört, wurde damals komplett von einem chinesischen Staatskonzern übernommen. Das war bis dahin die größte chinesische Direktinvestition in ein deutsches Unternehmen. Später wich die China-Euphorie dem Intel-Hype. Am ersten Konferenztag stand nach der Mittagspause der Vortrag „Intel‘s commitment to sustainabillity“ im Programm, „Intels Engagement für Nachhaltigkeit“. Vielleicht würde ich da Konkretes erfahren über den zukünftigen Wasserverbrauch der geplanten Werke in Magdeburg.


Am Vormittag des ersten Tages waren zwei ernüchternde Vorträge zu verkraften. Nach den Grußworten folgte eine ZOOM-Übertragung aus Berlin vor schmucklosem Bürohintergrund, Frau Dr. Susanne Lottermoser, Ministerialdirektorin im Bundesministerium für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt. Der harmlos klingende Titel: „Aktuelle Entwicklungen in der Kreislaufwirtschaft“.

Im Vortrag wurde deutlich, dass aufgrund der vielen neuen Werkstoffe, chemischen Substanzen und Stoffgruppen, viele Regelungen und Gesetze der Kreislaufwirtschaft überarbeitet oder als neue Gesetze verabschiedet werden müssen. Nach der nationalen Klärung und Auseinandersetzung mit Interessenvertretern und Anspruchsgruppen, den so genannten Stakeholdern, muss die europäische Abstimmung erfolgen. Wenn ich das richtig verstanden habe, sah sie den Zeithorizont dafür bis 2030. Ihr Hinweis, dass parallel dazu immer wieder neue, weitgehend unbekannte Stoffe von der Industrie entwickelt werden, um andere, heute als kritisch betrachtete Stoffe, abzulösen, erinnerte mich an das Märchen vom Wettlauf zwischen Hase und Igel.

Der zweite Vortrag „Die Umweltbelastung mit Chemikalien und ihre planetaren Grenzen“ von Prof. Dr. Werner Brack vom Leipziger Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH (UFZ) war noch niederschmetternder. Der lockerere Vortragstil und dass der Professor mich irgendwie an Otto von Guericke erinnerte, standen im Kontrast zu seinen harten Fakten: Global 10 Millionen Tote pro Jahr durch Umweltverschmutzung, Auslöschung von Tierpopulationen durch Anreicherung von PCBs (polychlorierte Biphenyle) in Nahrungsketten. Ich verstand nicht, was PFAS (Per- und polyfluorierte Alkylverbindungen) sind, aber dass es eine europäische Initiative gibt, 10.000 PFAS-Varianten als so genannte resistente Ewigkeitschemikalien zu verbieten. Mikroplastik im Meer, Sonnenschutzmittel lassen Korallen absterben, Reifenabrieb setzt Antioxidationsmittel frei, Pestizideinsatz bewirkt … Stopp, Stopp … die planetaren Grenzen sind überschritten! Keine Neuigkeit. Genug! Ich bekomme den Vortrag als Tagungsdokumentation nach Hause geschickt, da kann ich alles schwarz auf weiß nachlesen.

Ich erinnerte mich an meinen Besuch im Halbleiter-Reinraumlabor der Uni-Magdeburg (Artikel über Partikel in meinem September-2023-Blog), wo ich gelernt habe, dass auch bei der Chipherstellung mit vielen chemischen Substanzen gearbeitet wird. Ich lese in anderen Quellen nach, dass der PFAS-Einsatz in der Halbleitertechnologie üblich, ja unabdingbar ist. Wie muss die PFAS-Problematik in Bezug auf die Intel-Ansiedlung eingeordnet werden? 

Beim Mittagessen und bei Gesprächen mit einigen TASIMA-Protagonisten und Protagonistinnen versuchte ich mich wieder aufzubauen. Eine Aufhellung der Stimmung durch erhöhte Nahrungsaufnahme war nicht möglich, da die Speisen so knapp bemessen waren, dass das Büfett schnell restlos abgeräumt war. Auf diese Weise wanderten keine Speisereste in den Abfall, wie sich das für eine nachhaltige Veranstaltung gehört. Gut, dass ich mir schon im September Spekulatius als Notration gekauft hatte.

Der Vortrag

Die nächste Vortragende war Anneclaire Mohr von der Intel Deutschland GmbH, München. Ein Vortrag in Englisch und ein erfrischender Kontrast zum Vormittagsprogramm: Aufgeräumte professionelle Folien, 1-A-Corporate Design mit Intel-Blau in Himmelblau, Natur-Hochglanzhintergrundbilder, positive Perspektiven und Erfolgsmeldungen in Sachen Energieeinsparung, CO₂- und Abfallreduzierungen bis fast auf „Zero“, sehr hohe Anteile regenerativer Energie, Milliarden Dollar Investitionen in Wasser- und Kreislaufwirtschaft. Was noch nicht als absolutes Ergebnis erreicht war, soll bis 2030, spätestens 2040 erledigt sein. Es war ein allgemeiner Überblick über alle Intel-Einrichtungen an 13 Standorten, auch in Israel, einschließlich der gerade geplanten oder im Bau befindlichen neuen Werke in Ohio, Polen und Magdeburg. Aber keine Details zu Magdeburg. Nichts zum Wasserverbrauch auf dem Eulenberg, zum Bördeboden und nichts zur Abwasserableitung und zu dem lokalen Energiethema. Auch nichts zur aktuellen Branchendiskussion, inwieweit ein europäisches PFAS-Verbot den Chips-Act gefährden könnte.

In der abschließenden Diskussion gab es so gut wie keine Fragen. Warum wurde nicht wie bei den anderen Beiträgen fachlich nachgefasst? Weil im Plenum fast nur ausgewiesene Umwelt-, Energie-, Wasser- und Abfallfachleute saßen? Vielleicht, weil die Rednerin juristische Fachfrau ist, zuständig bei Intel für Umweltrecht und globale Regierungsangelegenheiten? Oder enthielten die seit Anfang 2023 erschienenen über 300 Volksstimme-Artikel mehr Informationen für die Fachleute als der Intel-Präsentation zu entnehmen waren?

Den Power-Point-Vortrag, der wohl für Magdeburg etwas angepasst worden war, habe in ähnlicher Form vom November 2022 auch im Internet gefunden.

https://www.semi.org/sites/semi.org/files/2022-11/03_AnneclaireMohr_Intel.pdf.

Ich hatte mehr erwartet.

Bei der anschließenden Podiumsdiskussion spielte Intel keine Rolle mehr. Es wurden die neuen und geplanten Gesetze im Bereich der Recyclingwirtschaft und Energieversorgung diskutiert. Von mehreren Protagonisten auf dem Podium wurde bedauert, dass man wegen der sich ständig ändernden Gesetzeslage kaum mehr als ein Jahr Planungssicherheit hätte, obwohl für große Investitionen ein Zeithorizont von fünf bis zehn Jahren notwendig sei.

Ich ergriff das Wort während der geöffneten Diskussionsrunde, wies auf den Widerspruch hin, dass Intel, wie bei der vorhergehenden Präsentation beschrieben, schon bis 2030 in Deutschland konkret plant, obwohl die Runde auf dem Podium soeben von nur einem Jahr Planungshorizont gesprochen habe.

Der Moderator parierte die Frage mit dem Hinweis, dass man beim nächsten TASIMA-Kongress in einem Jahr darauf eingehen wolle, dann wisse man mehr, nach der TASIMA sei vor der TASIMA. Ich war ernüchtert. War doch schon Monate vor diesem Termin in der Presse die TASIMA-Beteiligung von Intel hervorgehoben worden. Also diesbezüglich: Außer Spesen nichts gewesen.

Der Kongressabend im OLI-Kino war dennoch interessant. Neben vielen Netzwerkkontakten wurde auch ein Blick in die Kinozeit der 70er-Jahre mit Ausschnitten aus der DDR-Kino-Wochenschau „Der Augenzeuge“ geboten. Internationale Vertreter oder Vertreterinnen von Intel waren meines Wissens nicht anwesend. Vielleicht ganz gut, denn der eine oder andere stramme sozialistische Kommentar zur Wachsamkeit gegenüber dem westlichen Klassenfeind aus dem „Augenzeugen“ hätte vielleicht bei ihnen Irritationen ausgelöst.

Das Büfett war diesmal viel zu üppig, so dass einiges davon bestimmt als Schweinefutter in die Kreislaufwirtschaft ging. So liegt es vielleicht beim nächsten TASIMA-Kongress wieder als Schnitzel auf dem Teller.

Kein Raum für die Relativierung schwieriger Geschichten 


Immer noch der Knopf im Ohr, Robert Habeck redet. Deutlich, scharf, pointiert: Trotz der Straßengeräusche dringen seine Sätze ein und haken sich fest:

Jüdische Kinder hätten Angst, zur Schule zu gehen –   heute, hier in Deutschland: 80 Jahre nach dem Holocaust! Darum sei Staatsräson keine Leerformel. Das Existenzrecht Israels dürfe nicht relativiert werden. Er setze sich dafür ein, dass Wasser, Medikamente, Hilfsgüter nach Gaza kommen. Israel müsse sich an das Völkerrecht halten. Das „Beide-Seiten-Argument“ führe aber in die Irre. Die Hoffnung auf Frieden dürfe nicht aufgegeben werden. Aber auch die Palästinenser hätten das Recht auf einen eigenen Staat. Jedes tote Kind ist eines zu viel. Antisemitismus dürfe nicht gerechtfertigt werden … Das wisse Deutschland.

Ich gehe nach Hause und werde, ohne Nebengeräusche, Habecks Rede noch einmal anhören:

 https://youtu.be/-JfiOOuXG2Y?si=bedTYNri_PJUk3dC

Sonntag, 15. Oktober 2023

# 029 Volksstimme Schlagzeilen im Oktober 2023

·          Kommentar: Nicht sehr „welcome“

·         ICE: Stadt koppelt sich ans Land an

·      Stadtverwaltung will gemeinsam mit Verkehrsministerin für Anschluss kämpfen

·   Finanzspritze von Intel für Hochschulen Chip-Riese fördert Projekte im Land mit Hunderttausenden Euro

·          Kommentar: Hoffen auf den Intel-Effekt

·          Intel bringt weitere Sparte an die Börse Konzern gliedert Geschäft aus

·          So attraktiv ist Magdeburg

·          Intel-Chef: Magdeburg war einfach hungriger

·          Grüne wollen wieder mitregieren

·      Intel-Wasser für die Salbker Seen? Gewässer hat miese Qualität / Bypass-Lösung an die Elbe beschlossen

·          Kommentare: A 14 bleibt ein Gewinn

·          Nächster Schritt zum neuen Fahlberg-List Investoren melden Kauf der 30 Hektar großen Fläche für den Bau von 3000 Wohnungen

·      So sinkt die Zahl der Magdeburger

·      Wo geht Magdeburg zur Schule?

·  USA schränken Chip-Exporte weiter ein Im Wettstreit um die Entwicklung Künstlicher Intelligenz (KI) haben die USA ihre Beschränkungen für Chip-Lieferungen nach China zusätzlich verschärft.

·      Im Wettstreit um die Entwicklung Künstlicher Intelligenz (KI)

·      Magdeburger Dom wird international

·     „Kinder brauchen eine Lobby“ Katrin Thäger ist Magdeburgs Stimme für Familien, Kinder und Jugendliche.

·      SPD schickt 81 Kandidaten ins Rennen

·      Chipriese Intel mit starkem Ausblick

·      Kommentar: Billig ist anders

·    Die Intel-Bahn kommt Warum eine Bahnverbindung zwischen Schönebeck, Magdeburg und dem Jerichower Land geschaffen wird. Der Zeitplan steht, an Details wird gearbeitet.


Mittwoch, 20. September 2023

# 025 Ein Gastbeitrag - INTEL: Nur die Paranoiden überleben

Ich kenne Franz Will seit ca. 30 Jahren. Er ist Fachbuchautor für „Emotionen im Team“ (siehe www.franz-will.de ), hat als Sozialarbeiter auch in der Psychiatrie gearbeitet und kennt deshalb die Paranoia. Als gestandener Bayer grantelt er oft über die gesellschaftlich schwierigen Verhältnisse, aus Sorge, wie es weiter geht. Intel beobachtet er schon sehr lange. Sie lesen in seinem Beitrag etwas über die grundsätzliche „Denke“ eines der Intel-Gründer, die vielleicht noch heute in der DNA des Unternehmens steckt. Lassen Sie sich aber nicht von der Überschrift abschrecken, paranoid muss nicht immer schlecht sein.                                                                                             Foto Ulrike Pusch-Will

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INTEL: Nur die Paranoiden überleben            

von Franz Will


Intel hat überlebt. Trotz der vielen Konkurrenten wie z. B. Samsung, Toshiba, Nvidia, IBM oder AMD. Die Intel Corporation (englisch: Integrated electronics, NASDAQ-Kürzel INTC) gibt es seit 1968. Derzeit ist sie ca. 150 Milliarden Dollar wert. Der Gewinn schwankt stark - 2023 gibt es sogar einen Verlust. Intel baut derzeit für 30 Milliarden € ein neues Werk in Magdeburg. Das kostet den Steuerzahler 10 Milliarden €. Man kann es als Subvention oder als Investition sehen. Die Natur zahlt mit dem fruchtbaren Ackerboden der Magdeburger Börde. Ist es das wert? Überwiegen die Chancen die Risiken?

Ass oder Niete?

Andrew Grove (1936 bis 2016), einer der Gründer und CEO von Intel, hat sich mit Risikomanagement beschäftigt. Das Leben eines Managers sei ein Kartenspiel. Nie wisse man vorher, ob man ein Ass oder eine Niete in seinem Blatt habe und welche Karten die Kontrahenten halten. Normales Denken helfe nicht weiter. Man müsse verrückt sein, um wichtige strategische Wendepunkte zu erahnen. Hilfreich sei ein Verfolgungswahn, wenn er die Wahrnehmung schärft. Deshalb heißt sein 1996 erschienenes Buch: „Only the Paranoid Survive“.

Ein Paranoider wird überraschend auftauchende Phänomene, z. B. weiße und schwarze Schwäne, Veränderungen am Markt und neue Konkurrenten intensiv analysieren: Liegt hier ein strategischer Wendepunkt (Gamechanger) vor, der die Zukunft des Unternehmens massiv verändern kann oder handelt es sich nur um ein unbedeutendes Hintergrundrauschen, das man ignorieren sollte? Wer einen sich anbahnenden Paradigmenwechsel verschläft (wie z.B. die Bedeutung der Cloud), wird aus dem Markt geworfen. Ein CEO, so Grove, müsse wie ein Paranoider in jeder klitzekleinen Systemveränderung eine Bedrohung oder Chance sehen. Paranoia bedeutet, sich intensiv mit einer Sache auseinanderzusetzen und nicht aus Bequemlichkeit irgendwelchen Vorurteilen aufzusitzen. Wer den Markt vorzeitig erkenne, der werde dank seiner „Paranoia“ gestärkt. Wer das belanglose Hintergrundrauschen überbewertet, verzettelt hingegen seine Kräfte. Es kommt darauf an, das Wichtige vom Nebensächlichen präzise zu unterscheiden. Intel hat so überlebt.

Echte und Pseudo-Risiken

Manchmal sind Risiken ganz einfach zu erkennen. Sie stehen z. B. völlig klar auf jeder Zigarettenpackung. Aber warum werden diese dann trotzdem ignoriert? Man lügt sich halt gern selbst in die Tasche. Die beängstigenden Fakten werden verdrängt, dafür neue Risiken zur Ablenkung konstruiert, die eigentlich nur Hintergrundrauschen sind.

Der Rechtspopulismus produziert ständig Pseudo-Risiken, um intensives Selber-Denken zu vermeiden. Er macht das Hintergrundrauschen zum lauten Problem, damit er die echten Ursachen leugnen kann. Mit Hetze und Hass überdeckt er, dass er keine Substanz hat. Durch Flüchtlinge sieht er sich z. B. in seiner Heimat bedroht. Dabei hängt die Heimat nicht von anderen ab, sondern vom eigenen Ich, das seine Wurzeln in einem Land und in einer Kultur bewusst sucht und findet. Heimat muss man sich erarbeiten – z. B. auf Wanderungen durch die Magdeburger Börde – sie ist nicht von selbst da. Wer sein Heimatgefühl von anderen abhängig macht, der hat schon verloren. Deutschland braucht, im Sinne von Grove, „Paranoide“, die extrem genau hinschauen, analysieren und daraus logische Schlüsse ziehen. Eine Demokratie leidet hingegen unter den Denkfaulen, die für ihr eigenes Versagen immer andere verantwortlich machen. Intel hat überlebt. Hoffentlich überlebt Deutschland auch.