Freitag, 29. Dezember 2023

# 032 Bericht und Interview im Jahr 2032 mit der neuen Stadtplanerin


Dr.in-Dipl.-Ing.in Liane Müller-Utsch

-        Vorausblick auf die Achse der Zukunft bis 2042

-        Silicon-Börde – Allee der Kommerzbauten – Hasselbachplatz

-        Stadtplanung heute. Im Spannungsfeld von Wirtschaft, Kultur und Politik

Am Klinketeich Nr. 1 in 39116 Magdeburg-Ottersleben. Dort treffe ich die neue Stadtplanerin Liane Müller-Utsch in der obersten Etage des neuen 48-stöckigen Klinke-Hochhauses. Noch unter ihrem Vorgänger haben mutige Architekten durch die beiden obersten, 100 Meter über die Halberstädter Chaussee frei herauskragenden obersten Stockwerke, dem Gebäude die Silhouette einer stilisierten Türklinke gegeben. Freilich meinen böse Volksmundstimmen, das sähe eher wie ein Galgen aus. Die Schöpfer sahen unter dem Motto: „Die Klinke in die Hand geben!“, den Turmbau als Synonym für Begegnungen, Kommunikation und Transformation. Zugleich steht er als Leuchtpylon und Kristallisationspunkt für Magdeburgs Zukunft, hier, auf halbem Wege zwischen der traditionellen Innenstadt und der Silicon-Börde.

Es ist der Vorabend des Aschermittwochs und schon fast dunkel. Der Rundblick von hier oben ist fantastisch. Am noch etwas hellen westlichen Horizont zeichnet sich das Profil des Brockens ab. Mein Blick folgt den hier vom obersten Stockwerk fächerförmigen ausgehenden grünen Laserstrahlen, die wie Trageseile einer riesigen, ausladenden Hängebrücke südwestlich von den Chips-Fabs an der Autobahn in die nordöstlich liegende Innenstadt bis zum Hasselbachplatz reichen. Dahinter der angeleuchtete Dom, etwas rechts davon das Leuchtfeuer des Albin-Müller-Turms im Stadtpark und dazwischen der angestrahlte Pylon des Strombrückenzuges. Der Halbmond darüber komplettiert das Panorama, fast schon kitschig, wäre es nicht echt. Frau Müller-Utsch sitzt mir entspannt in einem der stilechten, freischwingenden Bauhaussessel, Marke „Thonet“, bei dämmrigen Licht gegenüber, durch die bodentiefen, umlaufenden Fensterbänder unser heutiges Thema immer vor Augen.

Hasselbachplatz-Blog: Frau Doktor Müller-Utsch, Sie sind nun seit Anfang 2032 verantwortliche Stadtplanerin für den Bereich des Hasselbachplatzes bis hinüber in die Silicon-Börde bei Ottersleben. Von hier aus haben Sie das ja alles im Blick. Was werden wir sehen, wenn wir in 10 Jahren, also 2042, von hier runterschauen? Was haben Sie sich vorgenommen?

Müller-Utsch: Heutzutage muss man „Stadtplanung“ neu denken, wurde sie vor 10 Jahren eher als „Satt-Planung“, also mit zwei „t“, gelebt (lacht). Gerade für Magdeburg ist nicht erst heute, da Intel bereits die vierte Fabrik auf die grüne Wiese gestellt hat, eine neue Zeit angebrochen. Die Eröffnung der neuen Werke von Infineon und Apple zeigen, wohin es geht. Wenn Sie dann noch die Ankündigung der chinesischen Investoren im Hinterkopf haben, das neue KI-Großlabor in Langenweddingen anzusiedeln, wissen Sie, warum damals die Eingemeindung von Sülzetal ein genialer Schachzug war. „Sülzetal goes silicon valley“, war nicht umsonst 2029 der entscheidende Wahlslogan im OB-Wahlkampf.

Was ist neu an Ihrer Stadtplanungsdenke?

Noch genauer darauf schauen, was Magdeburg braucht. Unsere Stadtgesellschaft wird noch internationaler werden, als sie jetzt schon ist. Da müssen wir uns Gedanken machen, was für typische und ausschließliche Magdeburger Merkmale wir haben, um uns von anderen deutschen, aber auch internationalen Standorten, abzuheben.

Also lieber klein-klein anstatt international business?




Wir müssen etwas fürs eigene Kleine tun und das, was andere auch groß macht, nicht lassen. Wir konzentrieren uns auf die Mega-Ansiedlungen der Chipfabriken in Ottersleben und schlagen einen Brückenkopf zum Hasselbachplatz.

Geht das auch genauer?

… ich war ja noch nicht fertig! Das heißt, von den HighTech-Tempeln in der Silicon-Börde aus, in Richtung Innenstadt, sollen entlang der 4-spurigen Wanzleber- und Halberstädter Chaussee sowie der innerstädtischen Halberstädter Straße rechts und links Fast-Food-Ketten und gehobene Systemgastronomie verschiedener Couleur angesiedelt werden, kombiniert mit One-Stop-Shopping-Malls und Mega-Outlet-Centern. Da fühlt sich das internationale Publikum schon mal heimisch und sicher.

Also doch so gesichtslos wie überall?

Bis hier. Aber es geht ja weiter zum Hasselbachplatz. Break. Cut. Plötzlich eine andere Welt: Alt, rustikal, Vintage, Kiez, Chaos, Clochards, kleine Läden, rumhängende junge Menschen, Bettler, das volle Programm. Der Gegenpol zur hypermodernen geordneten High-Tech- und Business-Welt: Die Gründerzeitfassaden, Alleinstellungsmerkmale schlechthin, und die Namen: Hasselbachplatz, Plättbolzen, Goldbroiler und so weiter sind Premium-Marken, die es an keinem anderen Ort der Welt gibt. Und wenn unser Publikum dann noch diese Begriffe im richtigen Machteburjer-Slang spricht, und das wird es zweifellos wollen, dann sind die Leute hier angekommen und wollen nie wieder weg.

Am Hassel soll alles so bleiben, wie es schon seit vielen Jahren war?

Bitte nicht nur „Hassel“ sagen, sondern das richtige Wording beachten: „Hasselbachplatz“ unbedingt komplett aussprechen, sonst verwechseln die Leute das noch mit dem englischen Wort „hustle“, also „Eile“. Die Leute sollen am Platz verweilen.

Sorry, … der Hasselbachplatz soll also bleiben, wie er ist?

Nein, der hat sich ja zum Leidwesen vieler Leute in den letzten 40, 50 Jahren immer wieder verändert. Dann die Mode, vielen der Geschäfte und Läden englischen Namen zu geben. Das kennt doch das internationale Publikum aus allen Ecken der Welt zur Genüge.

An der Angebotsstruktur müsste gefeilt werden, weg von den Spätis, Shisha Bars, Barbershops, Imbiss- und Dönerbuden.

 


Das hört sich nicht nach „Feilen“ an, eher nach „Absägen“.

Wir wurden seit 20 Jahren immer wieder von vielen gedrängt, endlich dort in die Strukturen einzugreifen. Aber wenn das nicht klappt, sollte es wenigstens unverwechselbar auf Deutsch bezeichnet werden.

Haben Sie da ein paar Vorschläge?

Ja gerne: „Wasserpfeifengaststätte“ statt Shisha-Bar zum Beispiel, oder für Spät-Shops passt „Spätverkaufsstellen“ besser.

 „Curry 54“ könnte „Gaststätte mit Hausnummer 54 für Fleischspeisen mit ausländischen Gewürzmischungen“ heißen. Ein Nightclub ist wieder ein „Nachttanzvergnügungslokal“ und „Under-Cover-City-Shoe-Shop“ wieder der „Schuhmachermeister mit angeschlossenem Schuhladen im Hinterhof“.

Und die Dönerbude?

„Blitz-Gastronom für südländisches Drehspießfleisch nach Rezepten aus der türkischen Provinz Bingöl“.

Klingt kompliziert.

Deutsch ist kompliziert. Nach all dem vereinfachenden, gleichmachenden Populismus der letzten beiden Jahrzehnte brauchen die Menschen Begriffe, über die sie nachdenken, an denen sie sich inhaltlich orientieren können.

Ich wusste gar nicht, dass Stadtplanerinnen auch noch den Job der Landeszentrale für politische Bildung machen.

Sie haben Recht, ich komme vom Thema ab, ich wollte nur den älteren Magdeburger Bürgern und Bürgerinnen helfen.

Vom Populismus wegzukommen?

Nein, weil Englisch für viele immer noch ein Problem ist.

Vielleicht sollte man die guten alten früheren Kneipennamen wieder einführen: Am „M2“ würde „Weinstudio Grün-Rot“ stehen, das „Drugstore“ wird wieder „Zum Alten Dessauer“, „Delicata“ zum „Goldbroiler“ und das „Flower-Power“ könnte „Impro“ heißen.

„Impro“ klingt aber nicht so richtig deutsch.

Aber ostdeutsch. Das war die legendäre DDR-Kultkneipe mit Blues- und Rockmusik in der Liebigstraße, hat mir mein Opa erzählt.

Aber Sie bringen mich auf eine Idee: Wir machen daraus einen NeOssi-Kiez. Extra für die Neu-Ossis, die hier jetzt wohnen und sich mit unserer Region identifizieren, aber eine andere Biografie als die Alteingesessenen haben. Auf der grünen Wiese am Magdeburger Prämonstratenserberg bauen sie gerade einer mittelalterlich anmutenden Altstadt als Neu-Nachbau aus der Beton-Retorte nach. Da ist unser NeOssi-Hassel-Kiez um Längen bzw. um 150 Jahre authentischer!

Hasselbachplatz!

Hasselbachplatz?

Ja, es muss „NeOssi-Hasselbachplatz-Kiez“ heißen! Ihre Rede.

Stimmt.

Frau Müller Utsch, wären Sie bereit, mir von Ihrem Gespräch mit der Verwaltungsspitze zu berichten? Ich richte mich ganz nach Ihrem Terminkalender. Jetzt aber danke für das – wie soll ich sagen? – visionäre Gespräch. 

Mittwoch, 15. November 2023

# 031 Volkstimme-Schlagzeilen im November 2023

  •      Gemeinderat trifft sich im Rathaus (Hohe Börde)
  •      Modernes Mikroskop bringt Reinraum auf den neuesten Stand 
  •      Autoren in der Bibliothek: Herbert Karl von Beesten  zu               Gast.
  •      Revolution der Jobwelt bei der „hierbleiben!“
  •      Eine Schule geht, eine neue kommt:      
  •      Ideen zur Bahn für Ottersleben.
  •      Haseloff dringt auf schnelle EU-Asylreform
  •      Intel, Ring und Personalkosten. Der Magdeburger Stadtrat ...
  •      Wie sicher ist Bundes Geld für Intel?
  •      Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister fordert schnellstmöglich            Klarheit von der Ampel.
  •      Kommentar:  Verträge sind Einzuhalten
  •      Wegweisender Brückenschlag Der Magdeburger Stadtrat setzt           mit seinem Beschluss ein Zeichen
  •      Kommentar: Es braucht jetzt Investitionen      
  •      Intel-Milliarden: Schulze vertraut auf Kanzler-Wort
  •      Habeck-Ministerium stellt Finanzierung in Frage. Sachsen-               Anhalt nimmt Bund in die Pflicht.
  •      Land gründet Intel-Hightech-Park Gemeinden zerstritten,                  deshalb ergreift Sachsen-Anhalt jetzt selbst Initiative.
  •      Leserbrief: In der Staatskanzlei sollten die Alarmglocken läuten.
  •      Leserbrief: Was bringt es, Recht zu haben?
  •      Intel: Haseloff erhöht Druck auf den Bund. Ministerpräsident             nimmt Kanzler beim Wort. Hüskens warnt vor Imageschaden.
  •      Leserbrief: Versprechen sind wertlos
  •      Steinzeitgräber auf Gelände von Intel
  •      Staatsanwalt ermittelt in Posten-Affäre
  •      Habeck bekennt sich zu Intel
  •      Rückenwind für Chip Fabrik
  •      Der Vizekanzler und die Länderenergieminister bekennen sich       zur Intel-Milliarden-Förderung
  •      Woher das Geld kommen soll, bleibt weiter ungeklärt.
  •      Kommentar: Bekenntnis zum Intel-Werk
  •      Leserbrief: Es ist immer unser Geld
  •      Leserbrief: Fragen wir das Orakel