- Inflation bereitet jungen Menschen große Sorgen
- Gewerkschaften haben Intel im Blick
- Baustart für neue Chipfabrik
- Infineon investiert fünf Milliarden Euro in Dresden / 1000 neue Jobs
- Wie Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister den großen Bedarf decken will
- Wirtschaft im Land erholt sich leicht
- Magdeburg ist wirtschaftlich im Aufwind
- Bundesweiter Städtevergleich eines Unternehmensportals
- Landeshauptstadt als Aufsteiger in die Top 100
- Stromkunden droht neue Preiswelle
- Subventionierte Energie für Firmen und wer die Kosten tragen soll
- Energie: Warum Grünstrom nicht billig ist
- Interview mit Magdeburgs Stadtwerkechef Thomas Pietsch
- über Preistendenzen, Heizungsgesetz und Solarspeicher
- Ministerin für neue Brücke in Magdeburg
- Warum es am Wohnungsbau fehlt
- Dritte Brücke käme zu spät
- Nach Fahlberg-List auch Investor für RAW
- Industriebrachen im Südosten von Magdeburg sollen entwickelt werden
- Bürgerversammlungen geplant
- Halbleitertechnologie und Chipfertigung in der Lehre
- Intel-Wasser zur Rettung des Salbker Sees?
- Intel will Wasser aufbereiten
- Geplante Chipfabrik in Magdeburg
- Intel und die Hochschule
- Große Pläne mit neuen Laboren, Studienmodulen und einem Studiengang
- Uni Magdeburg geht mit neuem Studiengang voran
- Intel braucht für geplante Chip-Fabrik Fachkräfte aus Halbleiterbranche
- Hochschule verfügt über einzigen Reinraum
- CDU erneuert Forderung nach dritter Elbquerung
- Sponsoren sind knapp in der Stadt
- Land hofft auf schnelle Intel-Förderung Dritte Elbquerung heute im Stadtrat
- Geschichte unter der Erde gesucht
- Archäologen konzentrieren sich auf acht Ausgrabungsstätten
- Nach FDP und CDU gehen auch die Sozialdemokraten neu auf Kurs
- Unser Mann im Silicon Valley
- KI-Pionier Stefan Groschupf aus Halle verwirklicht in Kalifornien, was ihm in Sachsen-Anhalt nicht möglich war
- Ein neuer Ring für Magdeburg
- CDU schlägt mit Blick auf Intel den Bau einer Autobahn vor
- Verkehrsministerin erwartet Studie Anfang 2024
- Neue Straße ist nötig
- Vorbildfunktion geht anders
- Magdeburg erwägt dritte Elbquerung neu
- Grabungsfunde auf dem Intel-Acker
- Bereits 50 Fundstellen im Gewerbegebiet Eulenberg
- Was Archäologen entdeckt haben
Transformation in Echtzeit: Hoffnungen, Skepsis, Freude und Sorgen begleiteten die geplante Ansiedlung der Intel-Chip-Fabriken. Die liegt nun auf Eis. Aber die Transformation geht weiter. Seit Januar 2023 kommentiere ich hier den Transformationsprozess im Kontext der Ereignisse in Politik und Wirtschaft, mal journalistisch, dann wieder satirisch oder in kleinen Storys. Technologie und Umwelt spielen eine Rolle. Ich danke Albrecht Franke für die Unterstützung bei der Abfassung der Texte.
Mittwoch, 31. Mai 2023
# 015 Volksstimme Schlagzeilen im Mai 2023 im Kontext mit der Intel-Ansiedlung
Dienstag, 30. Mai 2023
# 014 Was halten Sie von Pro? Ein Bühnenstück - Mai 2023
Ein
szenisch/theatralische Text
Es geht um:
PRO und Contra zwischen den Generationen
Verpasste PROzesse
Alte und neue intel-PROzessoren
Alte PROfessoren und junge Student*innen
Digitalisierung und PROkrastination beim Klimawandel
Autobiografische PROteste
PROfi(t) Magdeburg
Was halten Sie von Pro? -
Das Setting für eine szenisch/theatralische Lesung
(Herbert
Karl von Beesten, 2023, Version 2.0)
Ein Vorlesungsraum angedeutet: links Tisch/Pult, Beamer, Computer, VR-Brille, Projektionsfläche, davor steht ein älterer Dozent.
Rechts zwei, drei Tische wie in einem Schulraum, an einem sitzt ein Student mit aufgeklapptem Laptop und Handy. Rechts ein Stuhl, halb zur Szene, halb zu den Zuschauern ausgerichtet für die Erzählerin. Hier soll der prinzipielle Ablauf formuliert werden. Im Rahmen von Proben mit spontanen Ideen und Improvisationen kann das Stück noch weiterentwickelt werden.
Was halten Sie von Pro?
- Die Mitwirkenden:
Dozent B. – Herr im
Rentenalter, Akademiker, nicht zu förmlich gekleidet, versucht, aufgeschlossen
zu wirken, aber ist seiner Vergangenheit verhaftet.
Erzählerin, sicher
auftretende Frau mittleren Alters oder etwas älter, etwas förmlicher angezogen
als B.
Student, zwischen 20 und
30 Jahre alt, leger gekleidet, der zwischen „angepasst“ und „aufmüpfig“
schwankt.
Vielleicht weitere, möglichst
männlich Studierende, die sich vielleicht auch mit zustimmenden oder
provokanten Anmerkungen und kurzen Äußerungen einmischen, die mal lachen, mal
gelangweilt wirken.
Was halten Sie von Pro?
- Das Stück - Der Text (mit
Regieanweisungen)
Black,
B. und
Student im Black auf ihren Plätzen,
Erzählerin:
von rechts auf die Bühne, hat dort einen Stuhl als festen Ort, steht im Verlauf
manchmal auf und wendet sich an B. oder den Studenten, setzt sich wieder,
bleibt aber in ihrem Lichtkegel, spricht in einem erklärenden, wissenden Ton.
Falls sie den Studenten oder B. zitiert: anderer Tonfall. Zum Ende der
jeweiligen Einschübe der Erzählerin setzt sie sich auf ihren Stuhl und ist
durch den Lichtfokuswechsel im „Hintergrund“, beobachtet aber offensichtlich
für die Zuschauer die Szene genau, reagiert manchmal auch im Hintergrund mit Kopfschütteln,
Lächeln, aber bleibt stumm, wenn sie den Fokus nicht hat.
Erzählerin: Der Ingenieur B. hat auf seine alten Tage
einen Lehrauftrag an einer Hochschule angenommen: „Virtual Reality in der
Fabrikplanung“. Kein zeitloses philosophisches Altherren-Thema, sondern etwas
zum aktuellen Stand der Technik.
Warum macht er das?, frage ich mich und auch wohl er sich
selbst:
(Ein anderer
Sprachduktus als Gedanken-Zitat:) Pack ich das noch, den jungen Menschen
anspruchsvolle Technik beizubringen? Bin ich wirklich noch auf der Höhe der
Zeit, oder kann ich nur nicht loslassen? Nehmen die mich überhaupt ernst? (Trotzig) Ich gehöre noch nicht
zum alten Eisen, die werden sich wundern, was ich noch draufhabe.
(Wieder in
formeller Sprache:) Er steht im Vorlesungsraum, vorn, frontal, wie man
sagt, vor ihm Computerarbeitsplätze, von denen in diesem Kurs nur wenige
besetzt sind. Wahlpflichtfach.
B.: (baut
sich vor den Studenten auf) Was halten Sie von PRO?
Student (verunsichert):
PRO? Ich weiß nicht, wie meinen Sie das?
B.: Was fällt Ihnen in dieser Contra-Zeit denn ein,
zur Vorsilbe PRO?
Student: (falls
mehrere Studenten in der Szene, können diese mit hereinrufen, eventuell auch
die Erzählerin, jeweils „Pro“ betont) Professor. Prozessor.
Profit. Prozess. Producer. Proaktiv. Probabilität. Professionalität, Pro und
Contra.
Erzählerin: Prokrastination?
B.: Genau, alles wird in meinem Seminar vorkommen.
Aber fangen wir von vorne an. Meine Herren, 1979 habe ich an dieser Hochschule
meinen Ingenieur-Abschluss gemacht. Es scheint so, als ob sich seitdem in der
Automatisierungstechnik und im Maschinenbau nicht viel geändert hat. Damals
hatten wir wenigstens hier und da eine Frau.
Erzählerin: (an
B. gewandt) Na klar, du trittst hier als
Macho-Alterspräsident auf und machst einen auf Frauenversteher. Du solltest mal
die Frauen deiner Generation fragen, wer sie in den letzten 40 Jahren nicht so
richtig hat hochkommen lassen. (an
die Zuschauer gerichtet) Er sollte nicht unterschwellig den heutigen
Studierenden Vorwürfe machen! Oder?
(Erzählerin
geht wieder einen Schritt zurück, zeigt für B. sichtbar auf die Studenten)
Schau dich mal um hier, Herr Professor, es hat sich etwas
anderes getan: Die Hälfte der Studierenden offensichtlich mit
Migrationshintergrund. Da sind sie, die neuen technischen Fachkräfte von
morgen, die anderen, die hiesigen aus dem gehobenen akademischen Mittelstand
werden Lehrer, Medizinerinnen oder Geisteswissenschaftler*innen. Zu deiner
Studentenzeit, als die ersten Babyboomer Ende der 70er anfingen zu studieren,
gab es einen Vietnamesen, Boatpeople sagte man damals, und einen Exil-Perser in
deinem Semester. Diese Quote hat sich geändert.
Student: (hebt
die Hand und spricht legt los) Ich weiß nicht, ob Sie das beim
Intel-Projekt mitbekommen haben, Sie kommen doch aus Magdeburg, wo Intel doch das
große Thema ist, oder? Ich habe schon mal gegoogelt, die suchen dringend
Mitarbeiter, ich überlege, ob ich nicht als Automatisierungstechniker, wenn ich
hier fertig bin, nach Magdeburg gehe, zu Intel. Haben Sie etwa nicht
mitbekommen, dass die komplette Geschäftsführung der Intel Deutschland GmbH aus
Frauen besteht? Sogar die Vorsitzende des Boards, und wenn ich das richtig
verfolgt habe, ist bei Ihnen mit der Oberbürgermeisterin, der Wirtschafts- und
der Kulturbeigeordneten eine starke Frauenriege am Drücker. Sind Sie deshalb
zurückgekommen, weil hier für Sie die Männerwelt noch in Ordnung ist?
B.: (setzt
vortragsartig und belehrend fort:) Ja, das stimmt, das haben
Sie gut verfolgt, aber sind das nicht alles Betriebswirtschaftlerinnen,
Juristinnen und Verwaltungsfachfrauen? Ich meinte die Frauen-Quote in den
MINT-Fächern.
Damals war ich an dieser Hochschule als Student aktiv,
gründete eine Sonnenenergie-AG, wir bauten Sonnenkollektoren und Windräder. Wir
haben uns mit den Professoren angelegt, die feierten die Atomenergie. Die
komplette Hautevolee der Professoren – an Professorinnen kann ich mich nicht
erinnern –
hat damals auf allen Kanälen, also Fernsehen, VDI-Nachrichten, Handelsblatt,
F.A.Z., etc. – Social Media gab’s noch nicht – gewarnt, dass, wenn in
den 80ern nicht massiv Atomkraftwerke neu gebaut werden, in den 90ern die
Lichter ausgehen. Als Folge unseres Widerstands wurden in den in den 80er
Jahren nur noch drei Atomkraftwerke neu angefangen, danach keine mehr. Trotzdem
gingen die Lichter nicht aus, wie Sie wissen …
ach, können Sie ja nicht wissen, Sie waren damals noch nicht auf der
Welt. Wenn wir das damals richtig durchgezogen hatten, sähe die Welt heute
anders aus ...
Aber bleiben wir bei Ihnen, so ein bisschen vermisse ich in
Ihrer Generation das persönliche gesellschaftliche Engagement. Anstatt nur
danach zu streben, es sich möglichst schnell in einem der großen Weltkonzerne
gemütlich einzurichten. Die regeln das dann schon, wo und wie man sich – aus
Imagegründen – engagiert.
Erzählerin: Überschätze dich mal nicht, disst hier
deine eigene Professoren-Garde. Merkst du nicht, dass du jetzt selbst zu diesen
Besserwissen-Typen gehörst, (jetzt
nachäffend:) ‚…
das habe ich früher schon immer gesagt, dass man sich engagieren muss, für die
Umwelt und so … oder so ähnlich, … und warum hat das deine tolle Generation
nicht hingekriegt? Jetzt dampft der Planet, das Klima ist hin, … ja, ja, schuld
sind immer die andern … sind denn die Atomkraftwerke wirklich so schlecht?
Student: (an
B. gewandt) Man muss sich auch mal mit Gegebenheiten abfinden. Haben
Sie schon mal etwas von Live-Work-Balance gehört? Das wird für Sie und Ihre
Generation wahrscheinlich ein Fremdwort bleiben, aber spielt in Unternehmen wie
Intel eine große Rolle, ich habe gerade gestern noch auf LinkedIn gelesen, dass
eine Intel-Mitarbeiterin ein Sabbatical-Jahr in Tansania gemacht hat, um sich
dort sozial zu engagieren.
B.: Work-Live-Balance, Sabbatical … so etwas kannten
wir nicht … oder Homeoffice.
Student: Hatte ich das vorhin richtig verstanden,
dass Sie, wie wir, Automatisierungstechnik studiert haben? Das hat mit Energie
eigentlich nicht viel zu tun, oder? Warum haben Sie sich laienhaft mit Themen
beschäftigt, in denen Sie keine Expertise hatten? Was bringt das? Energie ist
genug da, okay, sie wird teurer, aber das Bisschen, das mein Computer, mein
Handy brauchen. Und der Energieverbrauch der Streamingdienste wird überschätzt.
Roboter verbrauchen zwar Strom, sparen aber indirekt, weil die Angestellten,
die E-Auto-Besitzer, nicht mehr zur Arbeit fahren müssen, alles automatisch
läuft, vom Homeoffice aus mit KI überwacht.
Erzählerin: Sind das die jungen Schmalspur-Ingenieure
von heute, die nicht über den technischen Tellerrand schauen wollen? Werden das
Fachidioten, die Zusammenhänge nicht sehen oder nicht sehen wollen? Scheuen sie
Engagement und echte Arbeit?
B.: Alles hängt mit allem zusammen, sehen Sie das
nicht? Machen Sie sich das nicht zu einfach? Damals, Mitte der 70er Jahre, kam
die Digitaltechnik mit kleinen günstigen Bausteinen auf, die man
zusammenschalten konnte und die dann eine Logik abgearbeitet haben. Mit der
Entdeckung von „Null und Eins“ hatten wir so etwas wie ein Erweckungserlebnis.
Ende der 70er die ersten erschwinglichen Mikroprozessoren, besonders der Intel
8080 und 8085 waren der Renner. Auf einem Experimentier-KIT, mit einer Art
Telefon-Tastatur und 7-Segmentanzeige, die kennen Sie gar nicht mehr, da musste
man direkt in Hexadezimalzahlen jeden einzelnen Assembler-Befehl und die Daten
eingeben. Wissen Sie überhaupt noch, was „Assembler-Code“, was 8-Bit-Dualzahlen
sind? Das war so etwas wie der Urschleim der Digitalisierung. Die ersten PCs,
der Apple und Commodore-PET. Unser Favorit war der TRS-80 von Radio Shack mit
dem Z-80-Mikroprozessor, der Intel-8085-aufwärtskompatibel war … lange vor dem IBM-kompatiblen PC mit
Microsoft-Betriebssystem.
Erzählerin: Oh, Mann, … schlaues Kerlchen der Typ, …
träumt von den alten Zeiten, gleich kommt, dass er sich den ersten Computer aus
Stein gemeißelt hat. Wusste gar nicht, dass du der Urahn der „Digital Natives“
bist!
Student: (hantiert
mit dem Smartphone) Wieso Urschleim der Digitalisierung. Hat nicht
Leibniz schon vor 350 Jahren mit binären Zahlen gerechnet, schon mit Nullen und
Einsen jongliert? Das lese ich hier gerade auf meinem Smartphone. Übrigens,
einfaches Wikipedia-Wissen ist nicht prüfungsrelevant, heißt es immer, also was
für ein Engagement erwarten Sie von uns als „junge Generation“ für nur zwei
Credit-Points?
Erzählerin: Ja, komm auf den Punkt, zur Sache … worum
geht es dir eigentlich?
B.: Engagement ist ein gutes Stichwort. Wir waren
damals kritischer eingestellt gegenüber den PCs, den speicherprogrammierbaren
Steuerungen, als Sie heute. Damals sollten mithilfe der Digitalisierung trotz
der Arbeitslosigkeit weitere Arbeitsplätze wegrationalisiert werden. Das
wollten wir nicht. Wir waren keine Maschinenstürmer, sondern wollten mit den
neuen Techniken konstruktiv etwas gegen diesen Trend unternehmen.
Student: Wen meinen Sie mit „wir“?
B.: Meinen damaligen Mitstreiter und Kommilitonen
Dieter und mich, damit auch meine Generation. Wir hatten den Anspruch, die neue
Technik für ethisch vertretbare Anwendungen einzusetzen. Wir haben damals
„Grenzen des Wachstums“ vom „Club of Rome“ gelesen, und Carl Amery, obwohl aus
der Generation meiner Eltern, war mein Lieblingsautor mit dem Buch „Natur als
Politik - Die ökologische Chance des Menschen“. Kennen Sie Amery überhaupt? Als
Schriftsteller war er in der Gruppe 47 und zugleich Umweltaktivist. Er hat
damals schon aufgezählt und vorgerechnet, was falsch läuft. Das war unsere
„Bibel“ …
Student: … Ich dachte, Ihre Generation hatte die
Mao-Bibel immer griffbereit!
B.: Bitte bleiben Sie sachlich! Anstatt auf
Anti-Atom-Demos zu gehen, haben wir die Digital- und Computertechnologie
konstruktiv zur Ressourcenschonung einsetzen wollen. Das war unsere konkrete
Antwort, man könnte es auch „Idealismus“ nennen. Nach den Veröffentlichungen
über unser marktreifes Solaranlagen-Messsystem kamen Nachfragen aus der
Industrie, so war die Selbstständigkeit zwangsläufig, und wir haben die
Industrie beliefert. Schauen Sie mal, ich habe da, rein zufällig, ein paar
Bilder von damals hier in meiner Präsentation.
Student: Da sieht man fast nur Haare, da rechts, das sind
Sie? Konnte man in dem Outfit damals seriöse Geschäfte machen? Wie haben Sie
das geschafft?
Erzählerin: (kommentiert
beschreibend das Bild) Wir sehen einen etwas irren Typ, Vollbart und
lange Haare, aber ohne Mao-Bibel, auf einem Dach bei der Montage von
Sonnenkollektoren. Ein Freak und wahrscheinlich Außenseiter. (wieder wissend) Er trauert
heute noch seiner verpassten Graswurzelrevolution nach … hat in seinem digitalen Sandkasten mit seinen
Null- und Eins-Klötzchen gespielt. Technik einsetzen, um die Welt zu retten …
ja, komm, träume weiter!
B.: (träumerisch,
in Erinnerungen schwelgend) Das waren wilde Zeiten: Tagsüber an
Sonnenkollektoren geschraubt, den Programmcode gestaucht, also in den
Intel-8085 programmiert. Wir hatten ja fast nichts … an Speicherplatz, 8
Kilobytes Arbeitsspeicher war schon viel, da musste an jedem unnötigen Byte
gespart werden, nicht wie heute, wo man mit Mega- und Gigabytes nur so aasen
kann. Wir haben uns selbst gefordert, ohne Direktiven von oben, um neue
technische Möglichkeiten zu schaffen, mit denen Sonnenenergie- und
Wärmepumpenanlagen analysiert und effektiver entwickelt werden konnten. (nachdrücklich) Um Natur und
Ressourcen zu schonen!
Erzählerin: (zu
B.) Du spielst hier den Weltretter, aber warst du nicht schon kurz
darauf, in den 80ern, Mitläufer bei der dritten industriellen Revolution, hast
du nicht mit Mikroelektronik und harter Automatisierungstechnik Kohle gemacht?
Hast du dich an Computer Technologien aufgegeilt? CAD, CAE und CAx, sonst gab’s
für dich nix, bei Industrie 4.0 mitgemischt, ganz vorne. Heute jammerst du
bestimmt wieder über die Gefahren der KI und morgen steht in der Zeitung, wie
toll du sie auch nutzt. Natürlich nur für ethisch gute literarische
Anwendungen, versteht sich.
Student: Eins verstehe ich nicht: Warum hat Ihre
Generation damals nicht den Durchbruch geschafft, mit alternativen Energien und
CO₂-Einsparungen?
Dann hätten wir heute nicht die großen Probleme mit dem Klimawandel!
B.: Warum wir damals noch keinen Durchbruch erzielt
haben? Fragen Sie das wirklich? Ich war einfach der Zeit zu weit voraus, zu
innovativ. Ich hatte meine Hausaufgaben gemacht und wusste, dass das alles
wichtig war, wegen der Umwelt. Die Nachfrage war vor 40 Jahren viel zu gering.
Die meisten meiner Generation haben geglaubt, oder sollten glauben, dass die
moderne Technik alle Probleme lösen wird. Also warum Energie sparen? Und wenn
wir uns damals festgeklebt hätten, hätten sie uns gesteinigt.
Erzählerin:
Denk doch mal nach, oder soll ich dir dabei helfen? Wann ist dein
Idealismus untergegangen, wo blieb deine Überzeugung auf der Strecke? Der
wirtschaftliche Druck war da, die Familie, Kinder, die Miete musste bezahlt
werden. Du hast ohne jegliches Kapital angefangen. Du hast dich lange gewehrt,
harte Automatisierungstechnik zu machen, die Arbeitsplätze kostet, dich damit
getröstet, dass in der Automatisierungstechnik Arbeitsplätze entstehen, dass
monotone und ungesunde Arbeitsplätze damit wegfielen. Plötzlich war der Roboter
dein Freund und Helfer. So haben außerdem die anderen gedacht, und die machten
die Geschäfte, du musstest deine Mitarbeiter bezahlen. Ach ja, im Büro gab es
tatsächlich eine Mitarbeiterin, in dienender Funktion. Dann brauchtest du einen
repräsentativen Firmenwagen, die Familie den privaten Zweitwagen, ein Urlaub im
Jahr reichte euch nicht mehr, immerhin hast du ein Öko-Haus in
Niedrigenergiestandard bauen lassen, und am Bau der Kraftwärmekopplungsanlage
der Öko-Siedlung haben deine Mitarbeiter in den 90ern mitgeholfen. Deine Frau
wollte ein großes Grundstück ums Haus mit Öko-Garten, das kostete alles, das
habt ihr nicht alles alleine geschafft, der Gärtner wollte bezahlt werden … da
konnte man nicht nur in Alternativ-Energien machen.
(an den
Studenten gerichtet) Verstehen das die Jungen, kommt so etwas auch
auf sie zu?
Student: Haben Sie es denn versucht? Neben der
Technik muss man politisch arbeiten, für sein Anliegen Aufmerksamkeit erzeugen,
darum geht es doch, vielleicht haben Sie nicht genug für die gute Sache
gekämpft?
Erzählerin: (an
den Studenten gerichtet) Was hast du denn gemacht, außer
Online-Petitionen für Klimaaktivisten anzuklicken? Müsstest du nicht auch mal
etwas richtig Sinnvolles machen, was die Menschheit weiterbringt? Als
Maschinenbauer an einer Idee schrauben, etwas Handfestes machen, anstatt ab und
zu auf Demos zu gehen? Vielleicht solltest du eine studentische AG gründen?
Weißt du denn, was du machen könntest? Hast du eine Eingebung?
B.: Doch, doch, ich bin immer wieder auf das Energie-
und Umweltthema mit meiner Firma zurückgekommen.
Student: Wie denn, können Sie da etwas konkret
werden, Beispiele nennen?
Erzählerin: So, jetzt hat er ihn. Mal sehen,
wie er sich da herausredet …
B.: Wir haben anfangs Musterhäuser von BUDERUS mit
Sonnenkollektoren und Wärmepumpen mit unserer computergestützten Mess- und
Analysetechnik ausgestattet, haben später Einzelraumtemperatursteuerungen für
Schulen entwickelt, so dass nur die genutzten Räume beheizt wurden. Anfang der
90er Jahre haben wir in einem Pilotprojekt digitale Stromzähler für dynamische
Tarife entwickelt, die jetzt endlich, über 30 Jahre später, gesetzlich
vorgeschrieben werden sollen. Wir haben Prozessvisualisierungssysteme für Wasser-
und Abwasseranlagen und für Windräder entwickelt. Ab den Nuller-Jahren mit
unseren Virtual-Reality-Softwaretools effektivere und ressourcenschonende
Logistik- und Fabrikplanungen ermöglicht.
Erzählerin: Na, sei ehrlich, der Anteil an Umwelt-
und Energie-Themen wurde immer weniger und die Fabrikplanung war für die
Automobilkonzerne und Konsumindustrie. Gut, etwas Greenwashing machen alle …
Student: Mit welchem Umwelt- und
Energiethema können wir uns heute noch innovativ ausprobieren, uns austoben?
Ihre Generation hat schon fast alles in den Grundzügen entwickelt, damals gab
es weniger Bürokratie, mit einfachen Anlagen konnte man Aufsehen erregen. Jetzt
regiert das große Geld, die Industrie hat fast alles besetzt, weil es „Big
Business“ ist, kapitalintensiv, da werden gerade 100 Millionen in einen
Solarpark am Ortsrand investiert. Und wenn wir einen Industrie-Job antreten,
müssen wir aufpassen, dass wir nicht in einer Greenwashing-Falle landen. So
sieht‘s heute aus!
Erzählerin: (intensiv an den Studenten gewandt) Vielleicht
ist die KI eine Chance für euch!
Student: Ich könnte mit einigen Kommiliton*innen
vielleicht hier an der Hochschule eine KI-KI-AG gründen: also „Keine Immission
mit Künstlicher Intelligenz Arbeitsgemeinschaft“, das wär‘s.
Würden Sie uns dabei unterstützen, vielleicht sogar mitmachen?“
Erzählerin: Wie früher? Die Welt kann mit der
Technik von allen Übeln erlöst werden? Kennt er den Solutionisten-Witz nicht:
„Gibt es Gott? – Noch nicht!“
B.: Sorry, meine Herren, jetzt haben wir uns ganz
schön verquatscht, ich komme doch noch aus dem Maschinenraum der
Digitalisierung. Das hört sich für Sie vielleicht an, wie für uns in den 70ern
eine Geschichte über Dampfmaschinen.
Wir sollten zum Thema zurückkommen: „VR in der
Fabrikplanung‘“ Der „Intel 8085-Prozessor“ war gestern, heute ist es der (englisch aussprechen) „Intel
Core i7“ hier in meinem Rechner. So, ich setze mir jetzt mal die VR-Brille
Meta-Quest-II auf. Sie können über die Beamer-Projektion alles parallel
verfolgen, was ich gerade mache. Ich nehme die beiden Controller in die Hand … sehen Sie, ich fliege jetzt durch die Fabrik,
lege hier das Werkstück ab, leider haben Sie nicht den Immersionsgrad wie ich.
Schade.
Erzählerin: B. ist in seinem Element, hantiert mit
seinen virtuellen Händen an einer Maschine, springt virtuell hin und her,
schaut sich einen arbeitenden Roboter an, weicht aus. Ist ganz in dieser
anderen Welt.
B.: (Währenddessen
verlassen die Studenten den Bühnenraum, nur Licht auf B.) Mir ist
so, als wäre ich in einer echten Anlage, und passen Sie mal auf, was ich jetzt
mache … da, da staunen Sie, was … und das werden Sie am Ende unseres Kurses
ebenfalls können. Schauen Sie mal hier, diese Werkzeugmaschine wird über ein
Linienportal bestückt, Kurbelwellen … Ups, da hätte mich fast ein Gabelstapler
umgefahren. (B. ist weiter in
seiner Welt, schwärmt, gestikuliert, spricht weiter, wird für die Zuhörer aber
undeutlicher, leiser, wird Hintergrund, wenn die Erzählerin einsetzt)
Erzählerin: Genau, versteck dich hinter deiner
VR-Brille, … du springst hier wie ein blindes Huhn umher, ruderst mit den
Armen, greifst ins Leere. Du lebst in deiner eigenen Welt. Von wegen, deine
Generation hat noch Bodenhaftung und Ideale, die sind nur virtuell konserviert,
aber mit echtem Heiligenschein.
(B. setzt die
VR-Brille ab und ist allein im dunklen Raum. Schaut sich verwundert um, legt
die Brille weg, setzt sich hin. Der Student kommt zurück)
Student: Ich habe da noch eine Frage, weil Sie aus
Magdeburg kommen. (B. nickt
stumm) Sie haben mich wegen meiner Bewerbung bei Intel etwas
verunsichert. Ich weiß, dass die Ansiedlung wegen des Ressourcenverbrauchs an
Fläche, Wasser und Energie umstritten ist, außerdem liest man immer wieder,
dass die Magdeburger selbst nicht einfach sind. Wie sehen Sie das denn, sollte
ich mich bewerben?
B.: Es gibt ein Für und Wider, es ist auf jeden Fall
sehr spannend, wenn Sie von Anfang an bei einem solchen Riesenprojekt dabei
wären. Es wird noch etwas dauern, halten Sie sich auf dem Laufenden, dabei
helfen vielleicht meine Monatsberichte in meinem Blog. Den Link finden Sie auf
meiner Homepage. Oder kommen Sie nach Magdeburg, ich zeige Ihnen die Stadt und
die Menschen. Das Kulturleben ist dort interessant, gerade für junge Leute gibt
es eine quirlige freie Szene, Magdeburg wird oft unterschätzt … da kann man
etwas bewegen …
B. erzählt
und schwärmt weiter von Magdeburg, dabei geht er mit dem Studenten von der
Bühne.
Black
Montag, 29. Mai 2023
# 013 Vom Mai-2023 Flug über die Intel-Börde
Von Fragen aus dem Off und vom Bedürfnis nach Vertrauen
„Ich darf Sie fliegen, wo soll's denn
hingehen?“, fragte mich der großgewachsene Mittfünfziger, der tatsächlich eine
typische Piloten-Sonnenbrille trug. „Ich möchte mir gern das Intel-Gelände und
dessen Umgebung von oben ansehen und es fotografieren“, gab ich meine Wünsche
kund.
Wir rollten in der kleinen zweisitzigen
Propellermaschine zur Startbahn des Magdeburger Flugplatzes und erreichten die
Startposition. Wie der Pilot hatte ich einen Kopfhörer aufgesetzt, damit wir
uns trotz des lauten Motors und der zu erwartenden Windgeräusche via Bordfunk
unterhalten könnten. Ich entdeckte vor mir die Tankanzeige, die nur noch ein
Viertel-Füllung anzeigte. „Reicht das?“, fragte ich gespielt-ängstlich den
Piloten. Etwas ernst war meine Frage aber schon, es hätte ja sein können, dass
er das nicht gecheckt hatte. Er lächelte und rief: „Ja, ja, keine Angst, das
passt!“ Die Frage nach Fallschirmen verkniff ich mir.
Ich beschloss, dem mir bis eben völlig
unbekannten Menschen zu vertrauen. Was blieb mir anders übrig, wenn ich meinen
Rundflug-Gutschein endlich einlösen wollte? Früher war ich öfter als Passagier
in großen Maschinen in der Welt unterwegs gewesen, aber ich hatte mir nie die
Vertrauensfrage gestellt. Doch hier in der Magdeburger Sonne war das noch „richtiges
Fliegen": Nur der Pilot und ich in einem Leichtflugzeug, ausgeliefert den
Gesetzen der Physik, den Turbulenzen und dem zuverlässigen Funktionieren des „Aeroplans“.
Mein „Flying Trust Man" links, ich rechts.
Abgehoben
Ich hielt meinen Fotoapparat bereit, als
wir in westlicher Richtung starteten. Es war schönes Wetter an diesem Maitag,
kaum Wind, Sonne und nur vereinzelte Wolken am Himmel. Als wir aufstiegen, war
es etwas diesig, sodass uns die Fernsicht auf den Brocken verwehrt bleiben und
meine Fotos etwas milchig werden würden. „Die Stunde Flugzeit sollte für das
Intel-Gelände reichen, und wir schauen uns noch die Teufelsmauer bei
Ballenstedt an", tröstete mich der Pilot über Kopfhörer.
Gleich kam das Intel-Gelände rechts in
Sicht, aus tausend Meter Höhe gut zu lokalisieren, weil links davon die
ausgedehnten, weißen Dächer der Logistikfirmen im angrenzenden Langenweddinger
Industriegebiet auszumachen waren.
„Warum soll man nicht von den
Erfahrungen von Tesla profitieren?", sagte der Pilot unvermittelt. Ich
war irritiert. Flogen wir über Grünheide? Aber er war konzentriert, ruhig und
hatte einen schweifenden Adlerblick, den Horizont entlang. Wir waren ja im
Sichtflug. „Was haben Sie gesagt?", fragte ich ihn, um die Frage einordnen
zu können. „Ich habe nichts gesagt. Ich habe auch gerade im Kopfhörer etwas mitbekommen.
Das hatte ich in dieser Gegend schon einmal. Unter uns ist die Autoarena
Oschersleben, die haben in dem Hotel öfter Tagungen. Mir hat mal ein
Funkspezialist erklärt, dass, wenn sie bei den Veranstaltungen diese Funkmikros
verwenden, ein so genanntes Übersprechen auf unsere interne Verbindung hier im
Flugzeug möglich sein könnte."
Dann wieder im Kopfhörer: „... große
Unsicherheiten: Wie steht es denn jetzt um die Intel-Ansiedlung?" Sprach
da unten jemand über das Intel-Projekt? Ich konnte den Piloten dazu bewegen,
etwas tiefer zu gehen und über der Motorsport Arena eine Runde zu drehen. Ich
schnappte mir meinen Notizblock. Tatsächlich hörte ich etwas deutlicher Männer-
und Frauenstimmen, und so konnte ich einige Gesprächsfetzen, darunter viele Fragen,
festhalten:
… nicht nur bei uns viele Kritiker und Kritikerinnen, da spielt
natürlich der Umweltaspekt eine große Rolle … dann kam die gute Nachricht in
den MDR-Nachrichten, witzigerweise vom Wirtschaftsminister via Selfie-Video aus
Silicon Valley: Ja, es wird die Investition geben, der European Chips Act ist
beschlossen …
Ist es ein Risiko, nur auf einen
großen Investor zu setzen?
Was bedeutet eine Großinvestition für
unsere Region, welche Möglichkeiten …und ist sie Fluch oder Segen?
Was können Sie von dem Treffen in
Arizona berichten?
Die
Zusammenstellung der Delegation war schon intelligent … und alle konnten das
Haar in der Suppe suchen, nichts gefunden … immer die Gesprächspartner
gefunden, in St. Clara und Arizona. Das war so authentisch …
Kommt denn Intel nun oder nicht?
… fast wie
der Hype um Elon Musk?
Hier im
Lande? Bei den Leuten! Auch alle im High Five Gap? Hm, ach,
mehrheitlich ja, es gibt natürlich auch immer wieder … keinen gegenseitigen
Kannibalismus betreiben …
Aber Sie
kommen mit guten Nachrichten?
… viele
gute Leute kommen von außen. Die schlechte Nachricht: Die gehen wieder.
Wo wohnen
die Mitarbeiter? … aber ohne Palmen. Tesla war für Grünheide
wie ein Sechser … Wohnungsanfragen von Island bis Brasilien.
Wie sieht das heute aus? Wasser
spielt eine Rolle …
Private Gärten mit englischem Rasen, mindestens
ein Swimmingpool, … da wird auch viel Wasser verbraucht.
Erfahrung mit großen Arbeitgebern wie
SKET, von der Dimension her können wir das …
Profil „Mikroelektronik“, bislang
nicht vertreten … Halle hat da mehr Kompetenz.
… den Demographie-Trend können wir
nicht umkehren. Automatisierungstechnik, KI für Wissensberufe, neue Medien, neue
Tools in die Arbeitswelt und …
Wie optimistisch sind Sie, dass es
genug Fachkräfte für Intel gibt? Ich hab’s versprochen … das kriegen
wir hin.
Intel braucht euch in der Forschung nicht,
sonst hätten sie schon gefragt, Pat Gelsinger und seine Leute können das schon
…
Spüren Sie den Druck, weil es
schneller gehen muss? Wir sind langsam, aber dem Ministerium gegenüber
noch schnell, Berufsschullehrer kann man nicht backen.
Was ist an Intel sexy? Welche
gesellschaftliche Relevanz? … müssen Story erzählen. Diversität. Gelsinger will 50% Frauen! Good
luck!
… Haselhoff sollte das zur Chefsache
machen.
Deutschland: 4. Platz bei internationalen
Studies, aber 50. Platz bei: Wohin nach dem Studium …
… nicht hinter verschlossenen Türen
wuppen, das wäre letztlich ein Fiasko. Intel hat großes Interesse, dass sie gewollt
sind.
Kultur für Magdeburg eher schwierig,
von der Mentalität her, das Meckern …
Das geht so schnell, ich glaub, das
weiß hier noch keiner.
Welcher neue Wohnraum wird wann
gebraucht, was gibt es an Planungen …?
… wir wollen nicht an die Wand
gestellt werden, als die, die anderen … Wasser wegne...
Weiter
Die seltsamen Stimmen gingen im Rauschen unter. Schade, ich
hätte gerne noch mehr mitbekommen. Im Nachhinein wundere ich mich, was ich doch
alles aufschnappen und notieren konnte. Aber nach der dritten Runde gab mir der
Pilot ein Zeichen, tippte dabei auf den Tankanzeiger. Ich nickte zustimmend, so
dass er direkt Kurs auf Magdeburg nahm.
Er wirkte unentschlossen, zeigte mir jedoch mit seinem kreisenden
Zeigefinger, dass nur eine Runde möglich wäre. Ich griff wieder zu meinem
Notizblock und konnte einige Bruchstücke auffangen, wobei mir eine der Stimmen
irgendwie bekannt vorkam:
Was ist das denn da oben für eine
Fläche? Reservefläche neben dem Supplier Park in Sülzetal.
Der Krieg hat alles verändert, nicht
feiern, wenn woanders Krieg ist
… Bördeboden bedeutet Diskussionen.
Wenn das losgeht, werden Sie diese
Gegend nicht wiedererkennen, nicht erst wenn es fertig ist.
Wieso gehen die nach Magdeburg, in den
Osten?
…
und dann sagen die Leute: Glaube ich alles gar nicht … es geht aber im
Leben nicht ums Glauben, es geht um die Frage, was realistisch ist, ob das
alles so toll wird …
… sind noch in der Wackelphase.
… wenn man aus einer kleinen Stadt
kommt, aus der Enge, da war, über den Horizont zu schauen, wirklich ein Fest.
… Zusammenarbeit, wir sind ja nicht
schlecht, aber es reicht noch nicht aus … aber es kommt nicht von Null auf 100.
Man kann sich nicht vorstellen, was da
auf uns zukommt …
… da sollte man rechtzeitig dran sein, damit
unsere Leute daran teilhaben und nicht nur von außen einfallen.
Dass nicht alle dafür sind: klarer
Fall.
… was ist neu? Die
Strommenge wird zur Verfügung gestellt, das ist bei Intel nicht das Problem,
zentrales Thema ist Wasser.
… Wasser in der Elbe … kann genutzt
werden, die brauchen aber sehr reines Wasser … wird in Elbe zurückgehen … das
geht auf den Acker! … nein, das geht zurück in die Elbe!
Fakt ist aber, wir sind an einem
Punkt, wo es deutlich mehr Fragen als Antworten gibt.
Was ist mit meinem Acker? Brauchen die
mich überhaupt?
… Handwerker, wenn ich welche brauche
oder sind die alle bei Intel?
Was ist mit der Feuerwehr, wenn es
Verkehrsunfälle gibt?
Was ist mit den Kindergärten und
Grundschulen? Wanzleben hat nicht das Geld …
… Bürger an die Hand nehmen, um zu
klären, wenn das Wasser im Garten verschwunden ist.
Gibt es ein Konzept, wie die Erde
nicht über die Lindenpromenade abgefahren wird?
… von heute auf morgen ist nicht alles
umzusetzen … Intel war von keinem vorauszusehen, deswegen gibt es dafür auch
keinen Masterplan.
… Überdachung eines Fahrradweges von
Wanzleben nach Magdeburg. Soll das wieder was werden?
Wo ist der rote Faden der
Veranstaltung, die Bürger wollen eine Strategiekommission für Straßenverkehr,
Schienenverkehr, Flugverkehr?
Was ist im Moment hierarchisiert? Alles wabert auseinander. Da bin ich im Denken
bei Ihnen.
… finanzieren vor, am Ende
refinanzieren wir und bekommen nachher mehr raus.
Wenn Intel jetzt Ja sagt …
Mit der Geschwindigkeit, die wir jetzt
haben, wird es nicht reichen. Wir werden gegen die Wand fahren.
Eine Veranstaltung, auf der alles
beantwortet wird, kann man erst in zwei Jahren machen …
Wir sollten stolz sein auf die Intel
Ansiedlung und nicht immer alles negativ sehen.
… hier wurde nur gegengearbeitet, wir
hatten mal Kultur hier, aber der Radweg? Nichts, gar nichts, nur Ausreden,
denkt man an den Bördeboden, so durfte der für den Radwege nicht weggemacht werden,
jetzt kommt Intel und man haut alles weg.
Doch, wir haben Kultur: Osterfeuer am Feuerwehrhaus,
Maifeier, Stadtführung …zweimal in der Woche kann man teilnehmen, also nicht
immer sagen, dass nichts passiert, aber wir holen die Leute nicht vom Sofa ab,
aus der Haustür müssen sie schon mal kommen.
30 Jahre ist nichts passiert, das
liegt daran, das wir keinen Mut für die Investitionen haben, können … mitgestalten
… mitzumachen … Kommunalwa…
Wieder geerdet
Das Rauschen übertönte die Offstimmen. Der Pilot hatte den
Anflug auf Magdeburg begonnen. Der Wind hatte sich gedreht, und der Auftrieb
durch die Thermik machte es erforderlich, dass wir, von Westen kommend, mit
einer Slip-Landung sauber aufsetzten und wieder festen Boden unter den Füßen
hatten. Die kleine Kiste, Leergewicht nur 300 Kilo, war kein Spielball der
Lüfte mehr.
Ich bedankte mich und verabschiedete mich vom Piloten. Er
freute sich, dass es nicht nur ein Routine-Rundflug gewesen war, auch wenn er
etwas länger gedauert hatte. Dafür hätte ich ja Bilder und Aufzeichnungen
dieser „Geisterstimmen" machen können. Der nächste Rundflug wartete schon,
er musste nur noch schnell die Maschine auftanken.
Philosophisches
Nicht als „Geisterstimme“, sondern als Notiz in meinem
Schreibblock finde ich das Zitat: „Vertrauen reduziert Komplexität, und
Transformationsphasen sind immer Phasen, in denen alles höchst komplex ist, wo
also die Unübersichtlichkeit sozusagen der Normalzustand ist. Und da kommt dem
Vertrauen ein ganz, ganz wichtiger Wert bei, und zwar in allen möglichen
Bereichen. (...) Vertrauen heißt im ökonomischen Zusammenhang
Planungssicherheit.“
(Harald Lesch, Astrophysiker, Naturphilosoph,
Wissenschaftsjournalist) in Anlehnung an die Überlegungen des Philosophen und
Soziologen Niklas Luhmann (1927–1998)