Ein
szenisch/theatralische Text
Es geht um:
PRO und Contra zwischen den Generationen
Verpasste PROzesse
Alte und neue intel-PROzessoren
Alte PROfessoren und junge Student*innen
Digitalisierung und PROkrastination beim Klimawandel
Autobiografische PROteste
PROfi(t) Magdeburg
Was halten Sie von Pro? -
Das Setting für eine szenisch/theatralische Lesung
(Herbert
Karl von Beesten, 2023, Version 2.0)
Ein Vorlesungsraum angedeutet: links Tisch/Pult, Beamer, Computer, VR-Brille, Projektionsfläche, davor steht ein älterer Dozent.
Rechts zwei, drei Tische wie in einem Schulraum, an einem sitzt ein Student mit aufgeklapptem Laptop und Handy. Rechts ein Stuhl, halb zur Szene, halb zu den Zuschauern ausgerichtet für die Erzählerin. Hier soll der prinzipielle Ablauf formuliert werden. Im Rahmen von Proben mit spontanen Ideen und Improvisationen kann das Stück noch weiterentwickelt werden.
Was halten Sie von Pro?
- Die Mitwirkenden:
Dozent B. – Herr im
Rentenalter, Akademiker, nicht zu förmlich gekleidet, versucht, aufgeschlossen
zu wirken, aber ist seiner Vergangenheit verhaftet.
Erzählerin, sicher
auftretende Frau mittleren Alters oder etwas älter, etwas förmlicher angezogen
als B.
Student, zwischen 20 und
30 Jahre alt, leger gekleidet, der zwischen „angepasst“ und „aufmüpfig“
schwankt.
Vielleicht weitere, möglichst
männlich Studierende, die sich vielleicht auch mit zustimmenden oder
provokanten Anmerkungen und kurzen Äußerungen einmischen, die mal lachen, mal
gelangweilt wirken.
Was halten Sie von Pro?
- Das Stück - Der Text (mit
Regieanweisungen)
Black,
B. und
Student im Black auf ihren Plätzen,
Erzählerin:
von rechts auf die Bühne, hat dort einen Stuhl als festen Ort, steht im Verlauf
manchmal auf und wendet sich an B. oder den Studenten, setzt sich wieder,
bleibt aber in ihrem Lichtkegel, spricht in einem erklärenden, wissenden Ton.
Falls sie den Studenten oder B. zitiert: anderer Tonfall. Zum Ende der
jeweiligen Einschübe der Erzählerin setzt sie sich auf ihren Stuhl und ist
durch den Lichtfokuswechsel im „Hintergrund“, beobachtet aber offensichtlich
für die Zuschauer die Szene genau, reagiert manchmal auch im Hintergrund mit Kopfschütteln,
Lächeln, aber bleibt stumm, wenn sie den Fokus nicht hat.
Erzählerin: Der Ingenieur B. hat auf seine alten Tage
einen Lehrauftrag an einer Hochschule angenommen: „Virtual Reality in der
Fabrikplanung“. Kein zeitloses philosophisches Altherren-Thema, sondern etwas
zum aktuellen Stand der Technik.
Warum macht er das?, frage ich mich und auch wohl er sich
selbst:
(Ein anderer
Sprachduktus als Gedanken-Zitat:) Pack ich das noch, den jungen Menschen
anspruchsvolle Technik beizubringen? Bin ich wirklich noch auf der Höhe der
Zeit, oder kann ich nur nicht loslassen? Nehmen die mich überhaupt ernst? (Trotzig) Ich gehöre noch nicht
zum alten Eisen, die werden sich wundern, was ich noch draufhabe.
(Wieder in
formeller Sprache:) Er steht im Vorlesungsraum, vorn, frontal, wie man
sagt, vor ihm Computerarbeitsplätze, von denen in diesem Kurs nur wenige
besetzt sind. Wahlpflichtfach.
B.: (baut
sich vor den Studenten auf) Was halten Sie von PRO?
Student (verunsichert):
PRO? Ich weiß nicht, wie meinen Sie das?
B.: Was fällt Ihnen in dieser Contra-Zeit denn ein,
zur Vorsilbe PRO?
Student: (falls
mehrere Studenten in der Szene, können diese mit hereinrufen, eventuell auch
die Erzählerin, jeweils „Pro“ betont) Professor. Prozessor.
Profit. Prozess. Producer. Proaktiv. Probabilität. Professionalität, Pro und
Contra.
Erzählerin: Prokrastination?
B.: Genau, alles wird in meinem Seminar vorkommen.
Aber fangen wir von vorne an. Meine Herren, 1979 habe ich an dieser Hochschule
meinen Ingenieur-Abschluss gemacht. Es scheint so, als ob sich seitdem in der
Automatisierungstechnik und im Maschinenbau nicht viel geändert hat. Damals
hatten wir wenigstens hier und da eine Frau.
Erzählerin: (an
B. gewandt) Na klar, du trittst hier als
Macho-Alterspräsident auf und machst einen auf Frauenversteher. Du solltest mal
die Frauen deiner Generation fragen, wer sie in den letzten 40 Jahren nicht so
richtig hat hochkommen lassen. (an
die Zuschauer gerichtet) Er sollte nicht unterschwellig den heutigen
Studierenden Vorwürfe machen! Oder?
(Erzählerin
geht wieder einen Schritt zurück, zeigt für B. sichtbar auf die Studenten)
Schau dich mal um hier, Herr Professor, es hat sich etwas
anderes getan: Die Hälfte der Studierenden offensichtlich mit
Migrationshintergrund. Da sind sie, die neuen technischen Fachkräfte von
morgen, die anderen, die hiesigen aus dem gehobenen akademischen Mittelstand
werden Lehrer, Medizinerinnen oder Geisteswissenschaftler*innen. Zu deiner
Studentenzeit, als die ersten Babyboomer Ende der 70er anfingen zu studieren,
gab es einen Vietnamesen, Boatpeople sagte man damals, und einen Exil-Perser in
deinem Semester. Diese Quote hat sich geändert.
Student: (hebt
die Hand und spricht legt los) Ich weiß nicht, ob Sie das beim
Intel-Projekt mitbekommen haben, Sie kommen doch aus Magdeburg, wo Intel doch das
große Thema ist, oder? Ich habe schon mal gegoogelt, die suchen dringend
Mitarbeiter, ich überlege, ob ich nicht als Automatisierungstechniker, wenn ich
hier fertig bin, nach Magdeburg gehe, zu Intel. Haben Sie etwa nicht
mitbekommen, dass die komplette Geschäftsführung der Intel Deutschland GmbH aus
Frauen besteht? Sogar die Vorsitzende des Boards, und wenn ich das richtig
verfolgt habe, ist bei Ihnen mit der Oberbürgermeisterin, der Wirtschafts- und
der Kulturbeigeordneten eine starke Frauenriege am Drücker. Sind Sie deshalb
zurückgekommen, weil hier für Sie die Männerwelt noch in Ordnung ist?
B.: (setzt
vortragsartig und belehrend fort:) Ja, das stimmt, das haben
Sie gut verfolgt, aber sind das nicht alles Betriebswirtschaftlerinnen,
Juristinnen und Verwaltungsfachfrauen? Ich meinte die Frauen-Quote in den
MINT-Fächern.
Damals war ich an dieser Hochschule als Student aktiv,
gründete eine Sonnenenergie-AG, wir bauten Sonnenkollektoren und Windräder. Wir
haben uns mit den Professoren angelegt, die feierten die Atomenergie. Die
komplette Hautevolee der Professoren – an Professorinnen kann ich mich nicht
erinnern –
hat damals auf allen Kanälen, also Fernsehen, VDI-Nachrichten, Handelsblatt,
F.A.Z., etc. – Social Media gab’s noch nicht – gewarnt, dass, wenn in
den 80ern nicht massiv Atomkraftwerke neu gebaut werden, in den 90ern die
Lichter ausgehen. Als Folge unseres Widerstands wurden in den in den 80er
Jahren nur noch drei Atomkraftwerke neu angefangen, danach keine mehr. Trotzdem
gingen die Lichter nicht aus, wie Sie wissen …
ach, können Sie ja nicht wissen, Sie waren damals noch nicht auf der
Welt. Wenn wir das damals richtig durchgezogen hatten, sähe die Welt heute
anders aus ...
Aber bleiben wir bei Ihnen, so ein bisschen vermisse ich in
Ihrer Generation das persönliche gesellschaftliche Engagement. Anstatt nur
danach zu streben, es sich möglichst schnell in einem der großen Weltkonzerne
gemütlich einzurichten. Die regeln das dann schon, wo und wie man sich – aus
Imagegründen – engagiert.
Erzählerin: Überschätze dich mal nicht, disst hier
deine eigene Professoren-Garde. Merkst du nicht, dass du jetzt selbst zu diesen
Besserwissen-Typen gehörst, (jetzt
nachäffend:) ‚…
das habe ich früher schon immer gesagt, dass man sich engagieren muss, für die
Umwelt und so … oder so ähnlich, … und warum hat das deine tolle Generation
nicht hingekriegt? Jetzt dampft der Planet, das Klima ist hin, … ja, ja, schuld
sind immer die andern … sind denn die Atomkraftwerke wirklich so schlecht?
Student: (an
B. gewandt) Man muss sich auch mal mit Gegebenheiten abfinden. Haben
Sie schon mal etwas von Live-Work-Balance gehört? Das wird für Sie und Ihre
Generation wahrscheinlich ein Fremdwort bleiben, aber spielt in Unternehmen wie
Intel eine große Rolle, ich habe gerade gestern noch auf LinkedIn gelesen, dass
eine Intel-Mitarbeiterin ein Sabbatical-Jahr in Tansania gemacht hat, um sich
dort sozial zu engagieren.
B.: Work-Live-Balance, Sabbatical … so etwas kannten
wir nicht … oder Homeoffice.
Student: Hatte ich das vorhin richtig verstanden,
dass Sie, wie wir, Automatisierungstechnik studiert haben? Das hat mit Energie
eigentlich nicht viel zu tun, oder? Warum haben Sie sich laienhaft mit Themen
beschäftigt, in denen Sie keine Expertise hatten? Was bringt das? Energie ist
genug da, okay, sie wird teurer, aber das Bisschen, das mein Computer, mein
Handy brauchen. Und der Energieverbrauch der Streamingdienste wird überschätzt.
Roboter verbrauchen zwar Strom, sparen aber indirekt, weil die Angestellten,
die E-Auto-Besitzer, nicht mehr zur Arbeit fahren müssen, alles automatisch
läuft, vom Homeoffice aus mit KI überwacht.
Erzählerin: Sind das die jungen Schmalspur-Ingenieure
von heute, die nicht über den technischen Tellerrand schauen wollen? Werden das
Fachidioten, die Zusammenhänge nicht sehen oder nicht sehen wollen? Scheuen sie
Engagement und echte Arbeit?
B.: Alles hängt mit allem zusammen, sehen Sie das
nicht? Machen Sie sich das nicht zu einfach? Damals, Mitte der 70er Jahre, kam
die Digitaltechnik mit kleinen günstigen Bausteinen auf, die man
zusammenschalten konnte und die dann eine Logik abgearbeitet haben. Mit der
Entdeckung von „Null und Eins“ hatten wir so etwas wie ein Erweckungserlebnis.
Ende der 70er die ersten erschwinglichen Mikroprozessoren, besonders der Intel
8080 und 8085 waren der Renner. Auf einem Experimentier-KIT, mit einer Art
Telefon-Tastatur und 7-Segmentanzeige, die kennen Sie gar nicht mehr, da musste
man direkt in Hexadezimalzahlen jeden einzelnen Assembler-Befehl und die Daten
eingeben. Wissen Sie überhaupt noch, was „Assembler-Code“, was 8-Bit-Dualzahlen
sind? Das war so etwas wie der Urschleim der Digitalisierung. Die ersten PCs,
der Apple und Commodore-PET. Unser Favorit war der TRS-80 von Radio Shack mit
dem Z-80-Mikroprozessor, der Intel-8085-aufwärtskompatibel war … lange vor dem IBM-kompatiblen PC mit
Microsoft-Betriebssystem.
Erzählerin: Oh, Mann, … schlaues Kerlchen der Typ, …
träumt von den alten Zeiten, gleich kommt, dass er sich den ersten Computer aus
Stein gemeißelt hat. Wusste gar nicht, dass du der Urahn der „Digital Natives“
bist!
Student: (hantiert
mit dem Smartphone) Wieso Urschleim der Digitalisierung. Hat nicht
Leibniz schon vor 350 Jahren mit binären Zahlen gerechnet, schon mit Nullen und
Einsen jongliert? Das lese ich hier gerade auf meinem Smartphone. Übrigens,
einfaches Wikipedia-Wissen ist nicht prüfungsrelevant, heißt es immer, also was
für ein Engagement erwarten Sie von uns als „junge Generation“ für nur zwei
Credit-Points?
Erzählerin: Ja, komm auf den Punkt, zur Sache … worum
geht es dir eigentlich?
B.: Engagement ist ein gutes Stichwort. Wir waren
damals kritischer eingestellt gegenüber den PCs, den speicherprogrammierbaren
Steuerungen, als Sie heute. Damals sollten mithilfe der Digitalisierung trotz
der Arbeitslosigkeit weitere Arbeitsplätze wegrationalisiert werden. Das
wollten wir nicht. Wir waren keine Maschinenstürmer, sondern wollten mit den
neuen Techniken konstruktiv etwas gegen diesen Trend unternehmen.
Student: Wen meinen Sie mit „wir“?
B.: Meinen damaligen Mitstreiter und Kommilitonen
Dieter und mich, damit auch meine Generation. Wir hatten den Anspruch, die neue
Technik für ethisch vertretbare Anwendungen einzusetzen. Wir haben damals
„Grenzen des Wachstums“ vom „Club of Rome“ gelesen, und Carl Amery, obwohl aus
der Generation meiner Eltern, war mein Lieblingsautor mit dem Buch „Natur als
Politik - Die ökologische Chance des Menschen“. Kennen Sie Amery überhaupt? Als
Schriftsteller war er in der Gruppe 47 und zugleich Umweltaktivist. Er hat
damals schon aufgezählt und vorgerechnet, was falsch läuft. Das war unsere
„Bibel“ …
Student: … Ich dachte, Ihre Generation hatte die
Mao-Bibel immer griffbereit!
B.: Bitte bleiben Sie sachlich! Anstatt auf
Anti-Atom-Demos zu gehen, haben wir die Digital- und Computertechnologie
konstruktiv zur Ressourcenschonung einsetzen wollen. Das war unsere konkrete
Antwort, man könnte es auch „Idealismus“ nennen. Nach den Veröffentlichungen
über unser marktreifes Solaranlagen-Messsystem kamen Nachfragen aus der
Industrie, so war die Selbstständigkeit zwangsläufig, und wir haben die
Industrie beliefert. Schauen Sie mal, ich habe da, rein zufällig, ein paar
Bilder von damals hier in meiner Präsentation.
Student: Da sieht man fast nur Haare, da rechts, das sind
Sie? Konnte man in dem Outfit damals seriöse Geschäfte machen? Wie haben Sie
das geschafft?
Erzählerin: (kommentiert
beschreibend das Bild) Wir sehen einen etwas irren Typ, Vollbart und
lange Haare, aber ohne Mao-Bibel, auf einem Dach bei der Montage von
Sonnenkollektoren. Ein Freak und wahrscheinlich Außenseiter. (wieder wissend) Er trauert
heute noch seiner verpassten Graswurzelrevolution nach … hat in seinem digitalen Sandkasten mit seinen
Null- und Eins-Klötzchen gespielt. Technik einsetzen, um die Welt zu retten …
ja, komm, träume weiter!
B.: (träumerisch,
in Erinnerungen schwelgend) Das waren wilde Zeiten: Tagsüber an
Sonnenkollektoren geschraubt, den Programmcode gestaucht, also in den
Intel-8085 programmiert. Wir hatten ja fast nichts … an Speicherplatz, 8
Kilobytes Arbeitsspeicher war schon viel, da musste an jedem unnötigen Byte
gespart werden, nicht wie heute, wo man mit Mega- und Gigabytes nur so aasen
kann. Wir haben uns selbst gefordert, ohne Direktiven von oben, um neue
technische Möglichkeiten zu schaffen, mit denen Sonnenenergie- und
Wärmepumpenanlagen analysiert und effektiver entwickelt werden konnten. (nachdrücklich) Um Natur und
Ressourcen zu schonen!
Erzählerin: (zu
B.) Du spielst hier den Weltretter, aber warst du nicht schon kurz
darauf, in den 80ern, Mitläufer bei der dritten industriellen Revolution, hast
du nicht mit Mikroelektronik und harter Automatisierungstechnik Kohle gemacht?
Hast du dich an Computer Technologien aufgegeilt? CAD, CAE und CAx, sonst gab’s
für dich nix, bei Industrie 4.0 mitgemischt, ganz vorne. Heute jammerst du
bestimmt wieder über die Gefahren der KI und morgen steht in der Zeitung, wie
toll du sie auch nutzt. Natürlich nur für ethisch gute literarische
Anwendungen, versteht sich.
Student: Eins verstehe ich nicht: Warum hat Ihre
Generation damals nicht den Durchbruch geschafft, mit alternativen Energien und
CO₂-Einsparungen?
Dann hätten wir heute nicht die großen Probleme mit dem Klimawandel!
B.: Warum wir damals noch keinen Durchbruch erzielt
haben? Fragen Sie das wirklich? Ich war einfach der Zeit zu weit voraus, zu
innovativ. Ich hatte meine Hausaufgaben gemacht und wusste, dass das alles
wichtig war, wegen der Umwelt. Die Nachfrage war vor 40 Jahren viel zu gering.
Die meisten meiner Generation haben geglaubt, oder sollten glauben, dass die
moderne Technik alle Probleme lösen wird. Also warum Energie sparen? Und wenn
wir uns damals festgeklebt hätten, hätten sie uns gesteinigt.
Erzählerin:
Denk doch mal nach, oder soll ich dir dabei helfen? Wann ist dein
Idealismus untergegangen, wo blieb deine Überzeugung auf der Strecke? Der
wirtschaftliche Druck war da, die Familie, Kinder, die Miete musste bezahlt
werden. Du hast ohne jegliches Kapital angefangen. Du hast dich lange gewehrt,
harte Automatisierungstechnik zu machen, die Arbeitsplätze kostet, dich damit
getröstet, dass in der Automatisierungstechnik Arbeitsplätze entstehen, dass
monotone und ungesunde Arbeitsplätze damit wegfielen. Plötzlich war der Roboter
dein Freund und Helfer. So haben außerdem die anderen gedacht, und die machten
die Geschäfte, du musstest deine Mitarbeiter bezahlen. Ach ja, im Büro gab es
tatsächlich eine Mitarbeiterin, in dienender Funktion. Dann brauchtest du einen
repräsentativen Firmenwagen, die Familie den privaten Zweitwagen, ein Urlaub im
Jahr reichte euch nicht mehr, immerhin hast du ein Öko-Haus in
Niedrigenergiestandard bauen lassen, und am Bau der Kraftwärmekopplungsanlage
der Öko-Siedlung haben deine Mitarbeiter in den 90ern mitgeholfen. Deine Frau
wollte ein großes Grundstück ums Haus mit Öko-Garten, das kostete alles, das
habt ihr nicht alles alleine geschafft, der Gärtner wollte bezahlt werden … da
konnte man nicht nur in Alternativ-Energien machen.
(an den
Studenten gerichtet) Verstehen das die Jungen, kommt so etwas auch
auf sie zu?
Student: Haben Sie es denn versucht? Neben der
Technik muss man politisch arbeiten, für sein Anliegen Aufmerksamkeit erzeugen,
darum geht es doch, vielleicht haben Sie nicht genug für die gute Sache
gekämpft?
Erzählerin: (an
den Studenten gerichtet) Was hast du denn gemacht, außer
Online-Petitionen für Klimaaktivisten anzuklicken? Müsstest du nicht auch mal
etwas richtig Sinnvolles machen, was die Menschheit weiterbringt? Als
Maschinenbauer an einer Idee schrauben, etwas Handfestes machen, anstatt ab und
zu auf Demos zu gehen? Vielleicht solltest du eine studentische AG gründen?
Weißt du denn, was du machen könntest? Hast du eine Eingebung?
B.: Doch, doch, ich bin immer wieder auf das Energie-
und Umweltthema mit meiner Firma zurückgekommen.
Student: Wie denn, können Sie da etwas konkret
werden, Beispiele nennen?
Erzählerin: So, jetzt hat er ihn. Mal sehen,
wie er sich da herausredet …
B.: Wir haben anfangs Musterhäuser von BUDERUS mit
Sonnenkollektoren und Wärmepumpen mit unserer computergestützten Mess- und
Analysetechnik ausgestattet, haben später Einzelraumtemperatursteuerungen für
Schulen entwickelt, so dass nur die genutzten Räume beheizt wurden. Anfang der
90er Jahre haben wir in einem Pilotprojekt digitale Stromzähler für dynamische
Tarife entwickelt, die jetzt endlich, über 30 Jahre später, gesetzlich
vorgeschrieben werden sollen. Wir haben Prozessvisualisierungssysteme für Wasser-
und Abwasseranlagen und für Windräder entwickelt. Ab den Nuller-Jahren mit
unseren Virtual-Reality-Softwaretools effektivere und ressourcenschonende
Logistik- und Fabrikplanungen ermöglicht.
Erzählerin: Na, sei ehrlich, der Anteil an Umwelt-
und Energie-Themen wurde immer weniger und die Fabrikplanung war für die
Automobilkonzerne und Konsumindustrie. Gut, etwas Greenwashing machen alle …
Student: Mit welchem Umwelt- und
Energiethema können wir uns heute noch innovativ ausprobieren, uns austoben?
Ihre Generation hat schon fast alles in den Grundzügen entwickelt, damals gab
es weniger Bürokratie, mit einfachen Anlagen konnte man Aufsehen erregen. Jetzt
regiert das große Geld, die Industrie hat fast alles besetzt, weil es „Big
Business“ ist, kapitalintensiv, da werden gerade 100 Millionen in einen
Solarpark am Ortsrand investiert. Und wenn wir einen Industrie-Job antreten,
müssen wir aufpassen, dass wir nicht in einer Greenwashing-Falle landen. So
sieht‘s heute aus!
Erzählerin: (intensiv an den Studenten gewandt) Vielleicht
ist die KI eine Chance für euch!
Student: Ich könnte mit einigen Kommiliton*innen
vielleicht hier an der Hochschule eine KI-KI-AG gründen: also „Keine Immission
mit Künstlicher Intelligenz Arbeitsgemeinschaft“, das wär‘s.
Würden Sie uns dabei unterstützen, vielleicht sogar mitmachen?“
Erzählerin: Wie früher? Die Welt kann mit der
Technik von allen Übeln erlöst werden? Kennt er den Solutionisten-Witz nicht:
„Gibt es Gott? – Noch nicht!“
B.: Sorry, meine Herren, jetzt haben wir uns ganz
schön verquatscht, ich komme doch noch aus dem Maschinenraum der
Digitalisierung. Das hört sich für Sie vielleicht an, wie für uns in den 70ern
eine Geschichte über Dampfmaschinen.
Wir sollten zum Thema zurückkommen: „VR in der
Fabrikplanung‘“ Der „Intel 8085-Prozessor“ war gestern, heute ist es der (englisch aussprechen) „Intel
Core i7“ hier in meinem Rechner. So, ich setze mir jetzt mal die VR-Brille
Meta-Quest-II auf. Sie können über die Beamer-Projektion alles parallel
verfolgen, was ich gerade mache. Ich nehme die beiden Controller in die Hand … sehen Sie, ich fliege jetzt durch die Fabrik,
lege hier das Werkstück ab, leider haben Sie nicht den Immersionsgrad wie ich.
Schade.
Erzählerin: B. ist in seinem Element, hantiert mit
seinen virtuellen Händen an einer Maschine, springt virtuell hin und her,
schaut sich einen arbeitenden Roboter an, weicht aus. Ist ganz in dieser
anderen Welt.
B.: (Währenddessen
verlassen die Studenten den Bühnenraum, nur Licht auf B.) Mir ist
so, als wäre ich in einer echten Anlage, und passen Sie mal auf, was ich jetzt
mache … da, da staunen Sie, was … und das werden Sie am Ende unseres Kurses
ebenfalls können. Schauen Sie mal hier, diese Werkzeugmaschine wird über ein
Linienportal bestückt, Kurbelwellen … Ups, da hätte mich fast ein Gabelstapler
umgefahren. (B. ist weiter in
seiner Welt, schwärmt, gestikuliert, spricht weiter, wird für die Zuhörer aber
undeutlicher, leiser, wird Hintergrund, wenn die Erzählerin einsetzt)
Erzählerin: Genau, versteck dich hinter deiner
VR-Brille, … du springst hier wie ein blindes Huhn umher, ruderst mit den
Armen, greifst ins Leere. Du lebst in deiner eigenen Welt. Von wegen, deine
Generation hat noch Bodenhaftung und Ideale, die sind nur virtuell konserviert,
aber mit echtem Heiligenschein.
(B. setzt die
VR-Brille ab und ist allein im dunklen Raum. Schaut sich verwundert um, legt
die Brille weg, setzt sich hin. Der Student kommt zurück)
Student: Ich habe da noch eine Frage, weil Sie aus
Magdeburg kommen. (B. nickt
stumm) Sie haben mich wegen meiner Bewerbung bei Intel etwas
verunsichert. Ich weiß, dass die Ansiedlung wegen des Ressourcenverbrauchs an
Fläche, Wasser und Energie umstritten ist, außerdem liest man immer wieder,
dass die Magdeburger selbst nicht einfach sind. Wie sehen Sie das denn, sollte
ich mich bewerben?
B.: Es gibt ein Für und Wider, es ist auf jeden Fall
sehr spannend, wenn Sie von Anfang an bei einem solchen Riesenprojekt dabei
wären. Es wird noch etwas dauern, halten Sie sich auf dem Laufenden, dabei
helfen vielleicht meine Monatsberichte in meinem Blog. Den Link finden Sie auf
meiner Homepage. Oder kommen Sie nach Magdeburg, ich zeige Ihnen die Stadt und
die Menschen. Das Kulturleben ist dort interessant, gerade für junge Leute gibt
es eine quirlige freie Szene, Magdeburg wird oft unterschätzt … da kann man
etwas bewegen …
B. erzählt
und schwärmt weiter von Magdeburg, dabei geht er mit dem Studenten von der
Bühne.
Black
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