Dienstag, 30. Mai 2023

# 014 Was halten Sie von Pro? Ein Bühnenstück - Mai 2023

 

Ein szenisch/theatralische Text

Es geht um:

PRO und Contra zwischen den Generationen

 Verpasste PROzesse

Alte und neue intel-PROzessoren

 Alte PROfessoren und junge Student*innen

Digitalisierung und PROkrastination beim Klimawandel

Autobiografische PROteste

PROfi(t) Magdeburg

Was halten Sie von Pro? -  Das Setting für eine szenisch/theatralische Lesung

(Herbert Karl von Beesten, 2023, Version 2.0)

Ein Vorlesungsraum angedeutet: links Tisch/Pult, Beamer, Computer, VR-Brille, Projektionsfläche, davor steht ein älterer Dozent.

Rechts zwei, drei Tische wie in einem Schulraum, an einem sitzt ein Student mit aufgeklapptem Laptop und Handy. Rechts ein Stuhl, halb zur Szene, halb zu den Zuschauern ausgerichtet für die Erzählerin. Hier soll der prinzipielle Ablauf formuliert werden. Im Rahmen von Proben mit spontanen Ideen und Improvisationen kann das Stück noch weiterentwickelt werden.

Was halten Sie von Pro? -  Die Mitwirkenden:

Dozent B. – Herr im Rentenalter, Akademiker, nicht zu förmlich gekleidet, versucht, aufgeschlossen zu wirken, aber ist seiner Vergangenheit verhaftet.

Erzählerin, sicher auftretende Frau mittleren Alters oder etwas älter, etwas förmlicher angezogen als B.

Student, zwischen 20 und 30 Jahre alt, leger gekleidet, der zwischen „angepasst“ und „aufmüpfig“ schwankt.

Vielleicht weitere, möglichst männlich Studierende, die sich vielleicht auch mit zustimmenden oder provokanten Anmerkungen und kurzen Äußerungen einmischen, die mal lachen, mal gelangweilt wirken.



 

Was halten Sie von Pro?   - Das Stück - Der Text (mit Regieanweisungen)

Black,

B. und Student im Black auf ihren Plätzen,

Erzählerin: von rechts auf die Bühne, hat dort einen Stuhl als festen Ort, steht im Verlauf manchmal auf und wendet sich an B. oder den Studenten, setzt sich wieder, bleibt aber in ihrem Lichtkegel, spricht in einem erklärenden, wissenden Ton. Falls sie den Studenten oder B. zitiert: anderer Tonfall. Zum Ende der jeweiligen Einschübe der Erzählerin setzt sie sich auf ihren Stuhl und ist durch den Lichtfokuswechsel im „Hintergrund“, beobachtet aber offensichtlich für die Zuschauer die Szene genau, reagiert manchmal auch im Hintergrund mit Kopfschütteln, Lächeln, aber bleibt stumm, wenn sie den Fokus nicht hat.

Erzählerin: Der Ingenieur B. hat auf seine alten Tage einen Lehrauftrag an einer Hochschule angenommen: „Virtual Reality in der Fabrikplanung“. Kein zeitloses philosophisches Altherren-Thema, sondern etwas zum aktuellen Stand der Technik.  

Warum macht er das?, frage ich mich und auch wohl er sich selbst:

(Ein anderer Sprachduktus als Gedanken-Zitat:) Pack ich das noch, den jungen Menschen anspruchsvolle Technik beizubringen? Bin ich wirklich noch auf der Höhe der Zeit, oder kann ich nur nicht loslassen? Nehmen die mich überhaupt ernst? (Trotzig) Ich gehöre noch nicht zum alten Eisen, die werden sich wundern, was ich noch draufhabe.

(Wieder in formeller Sprache:) Er steht im Vorlesungsraum, vorn, frontal, wie man sagt, vor ihm Computerarbeitsplätze, von denen in diesem Kurs nur wenige besetzt sind. Wahlpflichtfach.

B.: (baut sich vor den Studenten auf) Was halten Sie von PRO?

Student (verunsichert): PRO? Ich weiß nicht, wie meinen Sie das?

B.: Was fällt Ihnen in dieser Contra-Zeit denn ein, zur Vorsilbe PRO?

Student: (falls mehrere Studenten in der Szene, können diese mit hereinrufen, eventuell auch die Erzählerin, jeweils „Pro“ betont) Professor. Prozessor. Profit. Prozess. Producer. Proaktiv. Probabilität. Professionalität, Pro und Contra.

Erzählerin: Prokrastination?  

B.: Genau, alles wird in meinem Seminar vorkommen. Aber fangen wir von vorne an. Meine Herren, 1979 habe ich an dieser Hochschule meinen Ingenieur-Abschluss gemacht. Es scheint so, als ob sich seitdem in der Automatisierungstechnik und im Maschinenbau nicht viel geändert hat. Damals hatten wir wenigstens hier und da eine Frau.

Erzählerin: (an B. gewandt) Na klar, du trittst hier als Macho-Alterspräsident auf und machst einen auf Frauenversteher. Du solltest mal die Frauen deiner Generation fragen, wer sie in den letzten 40 Jahren nicht so richtig hat hochkommen lassen. (an die Zuschauer gerichtet) Er sollte nicht unterschwellig den heutigen Studierenden Vorwürfe machen! Oder?

(Erzählerin geht wieder einen Schritt zurück, zeigt für B. sichtbar auf die Studenten)

Schau dich mal um hier, Herr Professor, es hat sich etwas anderes getan: Die Hälfte der Studierenden offensichtlich mit Migrationshintergrund. Da sind sie, die neuen technischen Fachkräfte von morgen, die anderen, die hiesigen aus dem gehobenen akademischen Mittelstand werden Lehrer, Medizinerinnen oder Geisteswissenschaftler*innen. Zu deiner Studentenzeit, als die ersten Babyboomer Ende der 70er anfingen zu studieren, gab es einen Vietnamesen, Boatpeople sagte man damals, und einen Exil-Perser in deinem Semester. Diese Quote hat sich geändert.

Student: (hebt die Hand und spricht legt los) Ich weiß nicht, ob Sie das beim Intel-Projekt mitbekommen haben, Sie kommen doch aus Magdeburg, wo Intel doch das große Thema ist, oder? Ich habe schon mal gegoogelt, die suchen dringend Mitarbeiter, ich überlege, ob ich nicht als Automatisierungstechniker, wenn ich hier fertig bin, nach Magdeburg gehe, zu Intel. Haben Sie etwa nicht mitbekommen, dass die komplette Geschäftsführung der Intel Deutschland GmbH aus Frauen besteht? Sogar die Vorsitzende des Boards, und wenn ich das richtig verfolgt habe, ist bei Ihnen mit der Oberbürgermeisterin, der Wirtschafts- und der Kulturbeigeordneten eine starke Frauenriege am Drücker. Sind Sie deshalb zurückgekommen, weil hier für Sie die Männerwelt noch in Ordnung ist?

B.: (setzt vortragsartig und belehrend fort:) Ja, das stimmt, das haben Sie gut verfolgt, aber sind das nicht alles Betriebswirtschaftlerinnen, Juristinnen und Verwaltungsfachfrauen? Ich meinte die Frauen-Quote in den MINT-Fächern.

Damals war ich an dieser Hochschule als Student aktiv, gründete eine Sonnenenergie-AG, wir bauten Sonnenkollektoren und Windräder. Wir haben uns mit den Professoren angelegt, die feierten die Atomenergie. Die komplette Hautevolee der Professoren an Professorinnen kann ich mich nicht erinnern hat damals auf allen Kanälen, also Fernsehen, VDI-Nachrichten, Handelsblatt, F.A.Z., etc. – Social Media gab’s noch nicht – gewarnt, dass, wenn in den 80ern nicht massiv Atomkraftwerke neu gebaut werden, in den 90ern die Lichter ausgehen. Als Folge unseres Widerstands wurden in den in den 80er Jahren nur noch drei Atomkraftwerke neu angefangen, danach keine mehr. Trotzdem gingen die Lichter nicht aus, wie Sie wissen …  ach, können Sie ja nicht wissen, Sie waren damals noch nicht auf der Welt. Wenn wir das damals richtig durchgezogen hatten, sähe die Welt heute anders aus ...

Aber bleiben wir bei Ihnen, so ein bisschen vermisse ich in Ihrer Generation das persönliche gesellschaftliche Engagement. Anstatt nur danach zu streben, es sich möglichst schnell in einem der großen Weltkonzerne gemütlich einzurichten. Die regeln das dann schon, wo und wie man sich – aus Imagegründen – engagiert.

Erzählerin: Überschätze dich mal nicht, disst hier deine eigene Professoren-Garde. Merkst du nicht, dass du jetzt selbst zu diesen Besserwissen-Typen gehörst, (jetzt nachäffend:) ‚… das habe ich früher schon immer gesagt, dass man sich engagieren muss, für die Umwelt und so … oder so ähnlich, … und warum hat das deine tolle Generation nicht hingekriegt? Jetzt dampft der Planet, das Klima ist hin, … ja, ja, schuld sind immer die andern … sind denn die Atomkraftwerke wirklich so schlecht?

Student: (an B. gewandt) Man muss sich auch mal mit Gegebenheiten abfinden. Haben Sie schon mal etwas von Live-Work-Balance gehört? Das wird für Sie und Ihre Generation wahrscheinlich ein Fremdwort bleiben, aber spielt in Unternehmen wie Intel eine große Rolle, ich habe gerade gestern noch auf LinkedIn gelesen, dass eine Intel-Mitarbeiterin ein Sabbatical-Jahr in Tansania gemacht hat, um sich dort sozial zu engagieren.

B.: Work-Live-Balance, Sabbatical … so etwas kannten wir nicht … oder Homeoffice.

Student: Hatte ich das vorhin richtig verstanden, dass Sie, wie wir, Automatisierungstechnik studiert haben? Das hat mit Energie eigentlich nicht viel zu tun, oder? Warum haben Sie sich laienhaft mit Themen beschäftigt, in denen Sie keine Expertise hatten? Was bringt das? Energie ist genug da, okay, sie wird teurer, aber das Bisschen, das mein Computer, mein Handy brauchen. Und der Energieverbrauch der Streamingdienste wird überschätzt. Roboter verbrauchen zwar Strom, sparen aber indirekt, weil die Angestellten, die E-Auto-Besitzer, nicht mehr zur Arbeit fahren müssen, alles automatisch läuft, vom Homeoffice aus mit KI überwacht.

Erzählerin: Sind das die jungen Schmalspur-Ingenieure von heute, die nicht über den technischen Tellerrand schauen wollen? Werden das Fachidioten, die Zusammenhänge nicht sehen oder nicht sehen wollen? Scheuen sie Engagement und echte Arbeit?

B.: Alles hängt mit allem zusammen, sehen Sie das nicht? Machen Sie sich das nicht zu einfach? Damals, Mitte der 70er Jahre, kam die Digitaltechnik mit kleinen günstigen Bausteinen auf, die man zusammenschalten konnte und die dann eine Logik abgearbeitet haben. Mit der Entdeckung von „Null und Eins“ hatten wir so etwas wie ein Erweckungserlebnis. Ende der 70er die ersten erschwinglichen Mikroprozessoren, besonders der Intel 8080 und 8085 waren der Renner. Auf einem Experimentier-KIT, mit einer Art Telefon-Tastatur und 7-Segmentanzeige, die kennen Sie gar nicht mehr, da musste man direkt in Hexadezimalzahlen jeden einzelnen Assembler-Befehl und die Daten eingeben. Wissen Sie überhaupt noch, was „Assembler-Code“, was 8-Bit-Dualzahlen sind? Das war so etwas wie der Urschleim der Digitalisierung. Die ersten PCs, der Apple und Commodore-PET. Unser Favorit war der TRS-80 von Radio Shack mit dem Z-80-Mikroprozessor, der Intel-8085-aufwärtskompatibel war …  lange vor dem IBM-kompatiblen PC mit Microsoft-Betriebssystem.

Erzählerin: Oh, Mann, … schlaues Kerlchen der Typ, … träumt von den alten Zeiten, gleich kommt, dass er sich den ersten Computer aus Stein gemeißelt hat. Wusste gar nicht, dass du der Urahn der „Digital Natives“ bist!

Student: (hantiert mit dem Smartphone) Wieso Urschleim der Digitalisierung. Hat nicht Leibniz schon vor 350 Jahren mit binären Zahlen gerechnet, schon mit Nullen und Einsen jongliert? Das lese ich hier gerade auf meinem Smartphone. Übrigens, einfaches Wikipedia-Wissen ist nicht prüfungsrelevant, heißt es immer, also was für ein Engagement erwarten Sie von uns als „junge Generation“ für nur zwei Credit-Points?

Erzählerin: Ja, komm auf den Punkt, zur Sache … worum geht es dir eigentlich?

B.: Engagement ist ein gutes Stichwort. Wir waren damals kritischer eingestellt gegenüber den PCs, den speicherprogrammierbaren Steuerungen, als Sie heute. Damals sollten mithilfe der Digitalisierung trotz der Arbeitslosigkeit weitere Arbeitsplätze wegrationalisiert werden. Das wollten wir nicht. Wir waren keine Maschinenstürmer, sondern wollten mit den neuen Techniken konstruktiv etwas gegen diesen Trend unternehmen.

Student: Wen meinen Sie mit „wir“?

B.: Meinen damaligen Mitstreiter und Kommilitonen Dieter und mich, damit auch meine Generation. Wir hatten den Anspruch, die neue Technik für ethisch vertretbare Anwendungen einzusetzen. Wir haben damals „Grenzen des Wachstums“ vom „Club of Rome“ gelesen, und Carl Amery, obwohl aus der Generation meiner Eltern, war mein Lieblingsautor mit dem Buch „Natur als Politik - Die ökologische Chance des Menschen“. Kennen Sie Amery überhaupt? Als Schriftsteller war er in der Gruppe 47 und zugleich Umweltaktivist. Er hat damals schon aufgezählt und vorgerechnet, was falsch läuft. Das war unsere „Bibel“ …

Student: … Ich dachte, Ihre Generation hatte die Mao-Bibel immer griffbereit!

B.: Bitte bleiben Sie sachlich! Anstatt auf Anti-Atom-Demos zu gehen, haben wir die Digital- und Computertechnologie konstruktiv zur Ressourcenschonung einsetzen wollen. Das war unsere konkrete Antwort, man könnte es auch „Idealismus“ nennen. Nach den Veröffentlichungen über unser marktreifes Solaranlagen-Messsystem kamen Nachfragen aus der Industrie, so war die Selbstständigkeit zwangsläufig, und wir haben die Industrie beliefert. Schauen Sie mal, ich habe da, rein zufällig, ein paar Bilder von damals hier in meiner Präsentation.

Student: Da sieht man fast nur Haare, da rechts, das sind Sie? Konnte man in dem Outfit damals seriöse Geschäfte machen? Wie haben Sie das geschafft?

Erzählerin: (kommentiert beschreibend das Bild) Wir sehen einen etwas irren Typ, Vollbart und lange Haare, aber ohne Mao-Bibel, auf einem Dach bei der Montage von Sonnenkollektoren. Ein Freak und wahrscheinlich Außenseiter. (wieder wissend) Er trauert heute noch seiner verpassten Graswurzelrevolution nach …  hat in seinem digitalen Sandkasten mit seinen Null- und Eins-Klötzchen gespielt. Technik einsetzen, um die Welt zu retten … ja, komm, träume weiter!

B.: (träumerisch, in Erinnerungen schwelgend) Das waren wilde Zeiten: Tagsüber an Sonnenkollektoren geschraubt, den Programmcode gestaucht, also in den Intel-8085 programmiert. Wir hatten ja fast nichts … an Speicherplatz, 8 Kilobytes Arbeitsspeicher war schon viel, da musste an jedem unnötigen Byte gespart werden, nicht wie heute, wo man mit Mega- und Gigabytes nur so aasen kann. Wir haben uns selbst gefordert, ohne Direktiven von oben, um neue technische Möglichkeiten zu schaffen, mit denen Sonnenenergie- und Wärmepumpenanlagen analysiert und effektiver entwickelt werden konnten. (nachdrücklich) Um Natur und Ressourcen zu schonen! 

Erzählerin: (zu B.) Du spielst hier den Weltretter, aber warst du nicht schon kurz darauf, in den 80ern, Mitläufer bei der dritten industriellen Revolution, hast du nicht mit Mikroelektronik und harter Automatisierungstechnik Kohle gemacht? Hast du dich an Computer Technologien aufgegeilt? CAD, CAE und CAx, sonst gab’s für dich nix, bei Industrie 4.0 mitgemischt, ganz vorne. Heute jammerst du bestimmt wieder über die Gefahren der KI und morgen steht in der Zeitung, wie toll du sie auch nutzt. Natürlich nur für ethisch gute literarische Anwendungen, versteht sich.

Student: Eins verstehe ich nicht: Warum hat Ihre Generation damals nicht den Durchbruch geschafft, mit alternativen Energien und CO-Einsparungen? Dann hätten wir heute nicht die großen Probleme mit dem Klimawandel!

B.: Warum wir damals noch keinen Durchbruch erzielt haben? Fragen Sie das wirklich? Ich war einfach der Zeit zu weit voraus, zu innovativ. Ich hatte meine Hausaufgaben gemacht und wusste, dass das alles wichtig war, wegen der Umwelt. Die Nachfrage war vor 40 Jahren viel zu gering. Die meisten meiner Generation haben geglaubt, oder sollten glauben, dass die moderne Technik alle Probleme lösen wird. Also warum Energie sparen? Und wenn wir uns damals festgeklebt hätten, hätten sie uns gesteinigt.

Erzählerin:  Denk doch mal nach, oder soll ich dir dabei helfen? Wann ist dein Idealismus untergegangen, wo blieb deine Überzeugung auf der Strecke? Der wirtschaftliche Druck war da, die Familie, Kinder, die Miete musste bezahlt werden. Du hast ohne jegliches Kapital angefangen. Du hast dich lange gewehrt, harte Automatisierungstechnik zu machen, die Arbeitsplätze kostet, dich damit getröstet, dass in der Automatisierungstechnik Arbeitsplätze entstehen, dass monotone und ungesunde Arbeitsplätze damit wegfielen. Plötzlich war der Roboter dein Freund und Helfer. So haben außerdem die anderen gedacht, und die machten die Geschäfte, du musstest deine Mitarbeiter bezahlen. Ach ja, im Büro gab es tatsächlich eine Mitarbeiterin, in dienender Funktion. Dann brauchtest du einen repräsentativen Firmenwagen, die Familie den privaten Zweitwagen, ein Urlaub im Jahr reichte euch nicht mehr, immerhin hast du ein Öko-Haus in Niedrigenergiestandard bauen lassen, und am Bau der Kraftwärmekopplungsanlage der Öko-Siedlung haben deine Mitarbeiter in den 90ern mitgeholfen. Deine Frau wollte ein großes Grundstück ums Haus mit Öko-Garten, das kostete alles, das habt ihr nicht alles alleine geschafft, der Gärtner wollte bezahlt werden … da konnte man nicht nur in Alternativ-Energien machen.

(an den Studenten gerichtet) Verstehen das die Jungen, kommt so etwas auch auf sie zu?

Student: Haben Sie es denn versucht? Neben der Technik muss man politisch arbeiten, für sein Anliegen Aufmerksamkeit erzeugen, darum geht es doch, vielleicht haben Sie nicht genug für die gute Sache gekämpft?

Erzählerin: (an den Studenten gerichtet) Was hast du denn gemacht, außer Online-Petitionen für Klimaaktivisten anzuklicken? Müsstest du nicht auch mal etwas richtig Sinnvolles machen, was die Menschheit weiterbringt? Als Maschinenbauer an einer Idee schrauben, etwas Handfestes machen, anstatt ab und zu auf Demos zu gehen? Vielleicht solltest du eine studentische AG gründen? Weißt du denn, was du machen könntest? Hast du eine Eingebung?

B.: Doch, doch, ich bin immer wieder auf das Energie- und Umweltthema mit meiner Firma zurückgekommen.

Student: Wie denn, können Sie da etwas konkret werden, Beispiele nennen?

Erzählerin: So, jetzt hat er ihn. Mal sehen, wie er sich da herausredet …

B.: Wir haben anfangs Musterhäuser von BUDERUS mit Sonnenkollektoren und Wärmepumpen mit unserer computergestützten Mess- und Analysetechnik ausgestattet, haben später Einzelraumtemperatursteuerungen für Schulen entwickelt, so dass nur die genutzten Räume beheizt wurden. Anfang der 90er Jahre haben wir in einem Pilotprojekt digitale Stromzähler für dynamische Tarife entwickelt, die jetzt endlich, über 30 Jahre später, gesetzlich vorgeschrieben werden sollen. Wir haben Prozessvisualisierungssysteme für Wasser- und Abwasseranlagen und für Windräder entwickelt. Ab den Nuller-Jahren mit unseren Virtual-Reality-Softwaretools effektivere und ressourcenschonende Logistik- und Fabrikplanungen ermöglicht.

Erzählerin: Na, sei ehrlich, der Anteil an Umwelt- und Energie-Themen wurde immer weniger und die Fabrikplanung war für die Automobilkonzerne und Konsumindustrie. Gut, etwas Greenwashing machen alle …

Student: Mit welchem Umwelt- und Energiethema können wir uns heute noch innovativ ausprobieren, uns austoben? Ihre Generation hat schon fast alles in den Grundzügen entwickelt, damals gab es weniger Bürokratie, mit einfachen Anlagen konnte man Aufsehen erregen. Jetzt regiert das große Geld, die Industrie hat fast alles besetzt, weil es „Big Business“ ist, kapitalintensiv, da werden gerade 100 Millionen in einen Solarpark am Ortsrand investiert. Und wenn wir einen Industrie-Job antreten, müssen wir aufpassen, dass wir nicht in einer Greenwashing-Falle landen. So sieht‘s heute aus!

Erzählerin: (intensiv an den Studenten gewandt) Vielleicht ist die KI eine Chance für euch!

Student: Ich könnte mit einigen Kommiliton*innen vielleicht hier an der Hochschule eine KI-KI-AG gründen: also „Keine Immission mit Künstlicher Intelligenz Arbeitsgemeinschaft“, das wär‘s. Würden Sie uns dabei unterstützen, vielleicht sogar mitmachen?“

Erzählerin: Wie früher? Die Welt kann mit der Technik von allen Übeln erlöst werden? Kennt er den Solutionisten-Witz nicht: „Gibt es Gott? Noch nicht!“

B.: Sorry, meine Herren, jetzt haben wir uns ganz schön verquatscht, ich komme doch noch aus dem Maschinenraum der Digitalisierung. Das hört sich für Sie vielleicht an, wie für uns in den 70ern eine Geschichte über Dampfmaschinen.

Wir sollten zum Thema zurückkommen: „VR in der Fabrikplanung‘“ Der „Intel 8085-Prozessor“ war gestern, heute ist es der (englisch aussprechen) „Intel Core i7“ hier in meinem Rechner. So, ich setze mir jetzt mal die VR-Brille Meta-Quest-II auf. Sie können über die Beamer-Projektion alles parallel verfolgen, was ich gerade mache. Ich nehme die beiden Controller in die Hand …  sehen Sie, ich fliege jetzt durch die Fabrik, lege hier das Werkstück ab, leider haben Sie nicht den Immersionsgrad wie ich. Schade.

Erzählerin: B. ist in seinem Element, hantiert mit seinen virtuellen Händen an einer Maschine, springt virtuell hin und her, schaut sich einen arbeitenden Roboter an, weicht aus. Ist ganz in dieser anderen Welt.

B.: (Währenddessen verlassen die Studenten den Bühnenraum, nur Licht auf B.) Mir ist so, als wäre ich in einer echten Anlage, und passen Sie mal auf, was ich jetzt mache … da, da staunen Sie, was … und das werden Sie am Ende unseres Kurses ebenfalls können. Schauen Sie mal hier, diese Werkzeugmaschine wird über ein Linienportal bestückt, Kurbelwellen … Ups, da hätte mich fast ein Gabelstapler umgefahren. (B. ist weiter in seiner Welt, schwärmt, gestikuliert, spricht weiter, wird für die Zuhörer aber undeutlicher, leiser, wird Hintergrund, wenn die Erzählerin einsetzt)

Erzählerin: Genau, versteck dich hinter deiner VR-Brille, … du springst hier wie ein blindes Huhn umher, ruderst mit den Armen, greifst ins Leere. Du lebst in deiner eigenen Welt. Von wegen, deine Generation hat noch Bodenhaftung und Ideale, die sind nur virtuell konserviert, aber mit echtem Heiligenschein.

(B. setzt die VR-Brille ab und ist allein im dunklen Raum. Schaut sich verwundert um, legt die Brille weg, setzt sich hin. Der Student kommt zurück) 

Student: Ich habe da noch eine Frage, weil Sie aus Magdeburg kommen. (B. nickt stumm) Sie haben mich wegen meiner Bewerbung bei Intel etwas verunsichert. Ich weiß, dass die Ansiedlung wegen des Ressourcenverbrauchs an Fläche, Wasser und Energie umstritten ist, außerdem liest man immer wieder, dass die Magdeburger selbst nicht einfach sind. Wie sehen Sie das denn, sollte ich mich bewerben?

B.: Es gibt ein Für und Wider, es ist auf jeden Fall sehr spannend, wenn Sie von Anfang an bei einem solchen Riesenprojekt dabei wären. Es wird noch etwas dauern, halten Sie sich auf dem Laufenden, dabei helfen vielleicht meine Monatsberichte in meinem Blog. Den Link finden Sie auf meiner Homepage. Oder kommen Sie nach Magdeburg, ich zeige Ihnen die Stadt und die Menschen. Das Kulturleben ist dort interessant, gerade für junge Leute gibt es eine quirlige freie Szene, Magdeburg wird oft unterschätzt … da kann man etwas bewegen …

B. erzählt und schwärmt weiter von Magdeburg, dabei geht er mit dem Studenten von der Bühne.

Black

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