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Von Subbotniks, Teambuilding und Gierschem
Gesetz
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Vision im KGV Prießnitz e.V.
Gartensparten, auch Klein- und
Schrebergärten genannt, bezeichnen städtische Gebiete mit konzentrierten
Ansammlungen von Gartenparzellen, auf denen dazu Lauben, Gartenhäuschen,
Datschen oder sogenannte Bungalows gebaut sind. Diese speziellen, naturnahen Freizeitareale
sind auch im Stadtfeld gleich mehrfach zu finden. Ein schönes Beispiel dafür
ist der Kleingartenverein Prießnitz e.V., eine von drei Gartensparten am
östlichen Rand der Liebknechtstraße.
Den KGV Prießnitz finde ich
eingekeilt zwischen der Tangenten-Abfahrt im Osten und dem Kleingartenverein „Sonnenschein“
im Westen. So trete in eine Zwischenwelt ein, die ich bislang noch nicht
kannte, auf der Suche nach meinen Gesprächspartnern.
Wir treffen uns bei bestem
Frühsommerwetter mitten im blühenden Garten des Vorstandmitgliedes Ramona Huth (RH). Mit
dabei sind Vorstandsmitglied Thomas Eckhoff (TE) sowie
Vereinsmitglied Stefan Börner (SB). Alle sind offen, gut gelaunt und
bereit, sich auf ein Rollenspiel einzulassen, der Einfachheit halber in
deutscher Sprache, das ich folgendermaßen geplant habe:
Ich schlüpfe in die fiktive Rolle von Jack, einem Neubürger Magdeburgs, der zum erstmals in Deutschland, für ein großes amerikanisches IT-Unternehmen arbeitet, das sich hier ansiedeln möchte. Er ist naturverbunden, gläubig und sucht für seine „Work-Life-Balance“ in der Natur einen Ausgleich zu seinem verantwortungsvollen und stressigen Job. Er hat Gerüchte über die für ihn exotische Institution „Gartensparte“ gehört. Die meist dürftigen und ausschließlich auf Deutsch gehaltenen Homepages haben ihm auch nicht weitergeholfen, außer, dass dies wohl „typisch deutsch“ sein müsse, wie auch der seltsame Buchstabe „ß“ in Prießnitz.
Das Gespräch
Herbert Beesten (als Jack):
Hello, ich interessiere mich für die deutsche Kultur und Gesellschaft und habe
von diesen seltsamen Schrebergärten gelesen, von denen ich vorher noch nie
gehört habe. So etwas gibt es bei uns in Amerika nicht. Können Sie mir einfach
erklären, was das hier ist?
RH: Unser Verein verpachtet kleine Gärten, in denen verschiedene Dinge angebaut werden können, wie Gemüse, Blumen, wo auch Obstbäume stehen. Für viele hier ist es wichtig, auf kurzem Wege, vom Stadtzentrum aus, – Ihr Büro ist ja am Hassel, habe ich gelesen – sich in der Natur erholen und entspannen zu können.
Relaxen. Das ist gut, das
kenne ich und danach suche ich auch. Aber was bedeutet „verpachtet“?
RH: Das ist: Wie ein Stück Land
mieten, man könnte es als „rent a garden“ bezeichnen. Unser e.V. hat das gesamte Areal gepachtet und
verpachtet es dann weiter an unsere Vereinsmitglieder.
e.V.? Verein? Was ist das?
TE: Tja Jack, das gibt es in
Amerika, glaube ich, so nicht und ist vielleicht „typisch deutsch“. Also, ein
eingetragener Verein, abgekürzt e.V., ist eine rechtlich verbindliche
Organisationsform, die oft, wie wir auch, gemeinnützig ist und keinen Profit erwirtschaften
darf. Wir haben einen – Sie würden sagen – Präsidenten oder eine Präsidentin,
oder so etwas Ähnliches wie einen „CEO“.
Oh, das klingt aber alles ziemlich
strange für mich, also streng. Wie gesagt, ich suche etwas zum Relaxen.
RH: Es kommt darauf an, wie das
Vereinsleben tatsächlich abläuft, das liegt auch an den Leuten selbst. Aber
insgesamt gibt es natürlich Regeln und ein paar Vorschriften.
SB: Es gibt sogar die Deutsche
Kleingartenverordnung mit Gesetzeskraft.
Verordnung, Gesetze … wissen
Sie, wir Amerikaner mögen es eigentlich, wenn der Staat nicht alles bis in den
privaten Bereich mit seinen Gesetzen regelt …
RH: … die Hauptregeln sind
eigentlich ganz einfach und nachvollziehbar: Keine Zäune und Hecken höher als
80 Zentimeter, mindestens ein Drittel des Gartens muss als Nutzgarten dienen,
Wohnen ist hier nicht erlaubt … fällt euch noch etwas ein …? (an die beiden
KGV-Kollegen gerichtet)
TE: Wir wünschen uns auch eine
aktive Beteiligung in der Gemeinschaft. Es gibt gemeinsame Arbeitseinsätze,
früher nannte man das hier „Subbotniks“, heute eher auf Neudeutsch
„Teambuilding- Events“.
Oh ja, ich verstehe. Wir
Amerikaner veranstalten gerne Barbecues mit der Familie und Freunden, wenn das
Wetter mitspielt. Kann man das hier regelmäßig machen?
RH: Das ist auch bei den
Magdeburgern beliebt, wir nennen es Grillparty. Im Sommer kommt das öfter vor,
manchmal auch spontan, aber eine Partymeile ist das hier natürlich nicht.
Das hört sich doch cool an.
Ich habe da hinten am Durchgang rechts einen Garten gesehen, der verwildert
wirkt, oder ist das „Biodiversität“? Ein schweres Wort. Könnte ich den zum
Beispiel pachten?
RH: Ganz so einfach ist das
nicht. Aber bewerben Sie sich doch bei uns, wir freuen uns, wenn wir neben
verschiedenen Nationalitäten auch einen Amerikaner in unserem Verein haben.
Allerdings vergeben wir den Garten erstmal auf Probe für 2 Jahre und Sie
müssten Vereinsmitglied werden.
Willkommenskultur
Jack, „The
Vereinsmitglied"? Oh, dass es so schnell geht, habe ich ja nicht geahnt.
Einige amerikanische Kollegen hatten mich schon vorgewarnt: Erst wenn du in
einem Verein bist, bist du in Deutschland richtig angekommen ... meinten sie.
Bin ich schon so weit?
SB: Sie sehen, Jack, wir freuen
uns über eine Bereicherung, nicht nur in Flora und Fauna, und ich glaube, der
Magdeburger Willkommenskultur würde eine internationale Durchmischung gerade
hier guttun. Ich habe eine Vision: Das „Stars & Stripes-Banner"
flattert neben unseren Deutschland- und FCM-Fahnen im Wind.
Okay, das ist eine gute Idee,
dann übernehme ich so ein Testfeld. Erstmal ausprobieren, ich weiß ja auch noch
nicht genau, ob ich in zwei Jahren noch hier bin.
TE: Ach ja, so etwas wie das „Mooresche Gesetz" gilt hier übrigens auch, allerdings in der Ausprägung des „Gierschen Gesetzes".
Das "Mooresche
Gesetz" kenne ich natürlich, aber das „Giersche Gesetz"?
TE: Das geht so: Wenn du einmal
das Unkraut Giersch in deinem Feld hast, verdoppelt es sich alle ein bis zwei
Jahre.
Auch bei dieser Trockenheit?
TE: Unkraut wächst immer. Die
gute Nachricht aber ist: Es gibt hier keine „Tumbleweeds", diese vom Wind
verwehten Büsche, die kennen wir bisher nur aus den Western.
Aber wir sind ja auch im Land der
Dichter und Denker, so kann ich Ihnen das Gedicht „Giersch“ von Jan Wagner sehr
empfehlen.
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