Albrecht Franke und Herbert Beesten im Gespräch, anlässlich der Lesung vom 4. März 2024 in der Stadtbibliothek Magdeburg
Herbert Beesten: Transformation ist das Thema meines Blogs. Passt dieses Wort überhaupt zur Literatur – denn erklärtermaßen kommen im Blog nicht nur Sachtexte, sondern eben auch literarische Texte vor.
Albrecht
Franke: Wenn wir von der Grundbedeutung des Wortes ausgehen, von der transformatio,
der Umwandlung, Umgestaltung, Umformung – unbedingt! In seinen „Vorlesungen zur
Ästhetik“ erwähnt Hegel eine „Totalität einer Welt- und Lebensanschauung des
Romans“. Es dürfte erlaubt sein, diese Totalität auf die Literatur im Ganzen
auszudehnen. Besonders erzählende Techniken vermögen es, das geschichtliche
Leben der Menschen bis in seine Alltäglichkeit, ja Banalität, und Intimität
hinein ständig zu begleiten. Es können detaillierte, aber auch umfassende
Bilder des Lebens gegeben werden. Das umfasst Historie, Geographie, Politik,
Ethnologie, Geisteswissenschaft, Psychologie, Medizin, auch die Utopie, die
Technik usw. Insofern spiegelt Literatur auch Veränderungen und
Transformationen.
Zu denken
wäre an den Bildungs- oder Künstlerroman, den Entwicklungsroman.
Ja. Wichtig
für die Darstellung der Transformationsprozesse waren, besonders im 20. Jh., die
Aufnahmen von dokumentarischen Materialien, Mitteln und Techniken. Wenn wir
etwa an Dos Passos‘ „Manhattan Transfer“ denken. Oder, um in der Nähe zu
bleiben, Edlef Köppens „Heeresbericht“, der auf faszinierende Weise Archivmaterialien
verwendete und so die Aussage seines Romans gewaltig verstärkte. Das war aber
vor hundert Jahren etwas ganz Neues, etwas Unerhörtes sozusagen in der
Literatur. Tradierte Formen wurden umgewandelt und damit weiterentwickelt!
Hast du
auch früher schon Literatur unter dem Gesichtspunkt der Transformation betrachtet?
Ich muss
zugeben: So wie ich das eben gesagt habe: Nein!
Hat das
mit deinem „DDR-Hintergrund“ zu tun?
Wohl
nicht. Denn gerade die frühe DDR-Literatur hat ständig von Wandlungen der
Menschen und Umstände gehandelt. Etwa von den Wandlungen in der Landwirtschaft,
in der Politik. Interessanterweise war es vielleicht gerade diese
Herangehensweise, die auch die Darstellung von Widersprüchen ermöglichte. Ich
entsinne mich noch gut der zum Teil wütenden Reaktionen auf Strittmatters „Ole
Bienkopp“. Oder dass man Werner Bräunigs Roman „Rummelplatz“ einfach verbot. Wie
sieht das nun aber vor einem „westdeutschen“ Hintergrund aus?
Ich
glaube, die Entwicklung verlief ganz ähnlich, wenngleich auch keine Bücher
verboten wurden. Widersprüche in der Gesellschaft wurden gezeigt, die Nachwirkung
des Dritten Reiches: Böll, Walser, Grass, Frisch; gar die „Literatur der
Arbeitswelt“ tauchte auf, etwa bei Max von der Grün. Wenn das keine
Transformation ist …
Jetzt erlaube
mir eine Frage: In welchem Werk der Literatur findest du den Gedanken der
Transformation beeindruckend verwirklicht?
Als junger
Mensch hat mich das Buch „Haben oder Sein“ von Erich Fromm geprägt, so dass für
mich bis heute der psychologische und gesellschaftskritische Aspekt der Transformation
wichtig ist. Und wie sieht das bei dir aus?
Das
großartigste Werk in dieser Hinsicht ist für mich Peter Weiss‘ „Die Ästhetik
des Widerstands“.
HB Gut,
jetzt aber zur ganz gegenwärtigen Transformation: Intel etc.
Nach einer
Gesprächsidee von Albrecht Franke.
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