Nach den Schlagzeilen ab Mitte September 2024 braucht
eine Stadt wie Magdeburg durchaus psychologische Betreuung:
Volksstimme: Intel macht sich vorerst vom Acker
Bild: Chip-Flop ‒ Intel
stoppt Bau von Mega-Fabrik in Magdeburg
MDR: Halbleiterwerk
‒ Intel verschiebt Bau von Chipfabrik in Magdeburg
Handelsblatt: Halb leider - Intel verschiebt Magdeburger Chipfabrik
Süddeutsche:
Chipfabrik ‒ Intel
stößt Bundesregierung vor den Kopf
ZDF: Werk in Magdeburg ‒ Intel legt Bau von Chipfabrik auf Eis
Spiegel: Krise bei US-Konzern
‒ Intel verschiebt Bau von Chipfabrik
Zeit: Auch beim
Chiphersteller gilt „America first"
Manager
Magazin: Kahlschlag und Baustopp ‒
Der Intel-Schock für Magdeburg
Heise.de: Intel pausiert
Chipfabrik in Magdeburg ‒ Intel hält den Geldsack zu
Golem.de: Intel in Magdeburg ‒ Lieber
ein Ende mit Schrecken als ...
Finanzmarktwelt.de:
Intel-Aktie hebt ab ‒ Intel setzt
Magdeburg-Werk aus
Volksstimme:
Chip-Großprojekt auf Eis
gelegt ‒ Intel stoppt Mega-Fabrik
Berliner-Zeitung:
Intel zieht überraschend die
Reißleine
Finanzen.net:
Intel-Aktie springt hoch ‒ Intel
legt den Bau auf Eis
TAZ: Intel stoppt
Chipfabrik ‒ Erstmal keine Chips aus Magdeburg
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Therapiesitzung:
Eine Stadt auf der Couch
(Beachten Sie auch unten im Text die Einladung zur „Intel-Blues-Selbsthilfegruppe")
Psychologin: Guten Tag, Frau Magdeburg. Schön, dass
Sie gekommen sind. Wollten Sie nicht auch mit dem Kollegen, dem Herrn
Sachsen-Anhalt kommen?
Magdeburg: Ja, das war so geplant, aber es gab eine
kurzfristige Absage. Man war wohl verdrängt.
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Psychologin: Verdrängt?
Magdeburg: Sorry. Ich meinte verhindert. Das
war ein Freud‘scher Versprecher von mir.
Psychologin: Meine Patientencouch ist leider zu klein
für Sie. Ich habe schon etwas umgeräumt. Legen Sie sich doch auf dem Teppich.
Entspannen Sie sich. Kommen Sie zur Ruhe und schließen Sie die Augen.
Wie fühlen Sie sich heute?
Magdeburg: Ach, schwer zu sagen. Ich habe so viele
Hoffnungen und Träume gehabt, aber jetzt fühle ich mich enttäuscht und
unsicher. Am 17. September bin ich in ein tiefes Loch gefallen.
Psychologin: Das klingt sehr belastend. Möchten Sie
mir mehr darüber erzählen, was passiert ist?
Magdeburg: Ja, es geht um die geplante Ansiedlung des
Intel-Konzerns. Es sollte ein großer Schritt für mich sein, ein
wirtschaftlicher Aufschwung. Meine Politiker und Wirtschaftsleute waren
begeistert, aber jetzt wurde das Projekt verschoben, und vielleicht kommt es
gar nicht mehr zustande.
Psychologin: Das muss ein großer Schock für Sie
gewesen sein. Wie hat sich denn Ihre Bevölkerung grundsätzlich zum Projekt
gestellt?
Magdeburg: Die Reaktionen waren gemischt. Einige
freuten sich über die Aussicht auf neue Arbeitsplätze und auf wirtschaftliches
Wachstum. Andere hatten Bedenken wegen der teureren Wohnungen, der
Wasserversorgung und wegen des Bördebodens. Jetzt sind viele enttäuscht und
besorgt um die Zukunft. Andere sind froh, dass erst mal alles so bleibt.
Psychologin: Das klingt, als ob Sie zwischen Hoffnung
und Sorge hin- und hergerissen wären. Haben Sie das Gefühl, dass diese
Unsicherheit Ihr Identitäts- und Ihr Selbstwertgefühl beeinflusst?
Depression
Magdeburg: Ja, unbedingt. Ich habe schon so viele
Rückschläge in meiner Geschichte erlitten, und jedes Mal hoffe ich, dass es
besser wird. Aber diese ständigen Enttäuschungen machen es schwer, optimistisch
zu bleiben.
Psychologin: Es ist verständlich, dass Sie sich so
fühlen. Doch es ist wichtig, diese Gefühle anzuerkennen und zu verarbeiten.
Gibt es etwas, das Ihnen in der Vergangenheit geholfen hat, mit solchen
Rückschlägen umzugehen?
Magdeburg: Ich denke, die Gemeinschaft der Menschen,
die hier leben, hat mir immer wieder Kraft gegeben. Ich habe eine starke
Geschichte des Wiederaufbaus und der Resilienz.
Psychologin: Was fällt Ihnen dazu aus der jüngeren
Vergangenheit als Beispiel ein?
Magdeburg: Na ja, von der Wende habe ich mich immer
noch nicht ganz erholt, die wirkte wie ein Aderlass. Aber das letzte
Hochwasser, 2013, das hat gezeigt, was mich zusammenhält.
Psychologin: Das ist sehr positiv. Vielleicht können
Sie sich auf diese Stärke und Gemeinschaft besinnen, um auch die neue
Herausforderung zu meistern. Es könnte auch hilfreich sein, sich auf kleinere,
erreichbare Ziele zu konzentrieren, um wieder ein Gefühl der Kontrolle und des
Fortschritts zu gewinnen.
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Magdeburg: Das klingt alles schön und gut, aber es
ist nicht so einfach. Kleine Ziele? Was sollen die schon bewirken, wenn ein
riesiges Projekt, wie das von Intel, scheitert? Wer nimmt mich denn jetzt noch
ernst?
Psychologin: Ich verstehe Ihre Frustration. Manchmal
können unkonventionelle Ansätze helfen. Zum Beispiel: Besinnen Sie sich auf
Ihre kulturellen und historischen Stärken, und benutzen Sie diese als Grundlage
für neue Projekte.
Magdeburg: Kulturelle Stärken? Historische Stärken?
Das klingt nach dem Tropfen auf den heißen Stein. Oder nach Hochglanzprospekt
und Jubelprosa: Immer schön positiv denken, dann klappt es schon.
Denkste! Ich brauche konkrete wirtschaftliche Lösungen,
nicht nostalgische Rückblicke.
Psychologin: Das ist ein berechtigter Einwand. Aber
denken Sie daran, dass wirtschaftlicher Erfolg oft auf einer starken
kulturellen und sozialen Basis beruht. Vielleicht könnten Sie innovative
Startups und kleine Unternehmen fördern, die von Ihrer einzigartigen Geschichte
und Kultur inspiriert sind.
Magdeburg: Startups? Kleine Unternehmen? Einzigartige
Geschichte? Damals hat schon die Ansiedlung von Porsche nicht geklappt, ich bin
erst mal ein gebranntes Kind, was große Ansiedlungen betrifft. Ein
Leuchtturmprojekt ist mir nun abgesoffen. Das klingt alles sehr vage, was Sie
vorschlagen. Ich brauche etwas Greifbares, etwas, das wirklich einen
Unterschied, eine Veränderung ausmacht.
Psychologin: Träumen Sie manchmal Derartiges? Von
Veränderungen, Transformationen? Also nicht idealistisch am Tag, sondern
tatsächlich in der Nacht, im Schlaf?
Träume
Magdeburg: Ja, schlafen, einfach mal nur ein paar
Nächte durchschlafen, anstatt immer wieder diese Träume zu erleben.
Psychologin: Erzählen Sie, was fällt ihnen dazu ein?
Magdeburg: Ich war im SKET. Nein, ich war SKET, war
komplett aus Edelstahl, der nie rostet, und es ging mir sehr gut. Das war im
Traum so, als wäre es gestern gewesen. SKET hatte die Wende doch sehr gut
überstanden, und ich wuchs und wuchs. Wir bauten die modernsten und besten
Großbagger für den Silizium-, Lithium- und Kobaltabbau. Wir waren konkurrenzlos
und weltweit Monopolist. Und plötzlich …
Psychologin: … und plötzlich? Wie ging der Traum
weiter?
Magdeburg: Da
wollte ein anderer Industriebetrieb Raum in mir beanspruchen. Aus einer ganz
anderen Branche. Ich verlor viele Angestellte, die Besten. Ich musste in mir
Platz machen für andere. Aber etwas sperrte sich in mir, obwohl es mir ja
eigentlich egal sein sollte, Hauptsache, mir ging es wirtschaftlich gut, egal,
durch welchen Platzhirsch. Ich hatte Schmerzen im Brustkorb, als wenn es mich
zerreißen würde.
Psychologin: Hatten Sie Angst?
Magdeburg: Ja, fürchterliche Angst. Ich musste bitterlich
weinen, auch als ich wach wurde. Hatte eine große Trauer in mir. Ihnen kann ich
es ja sagen. Aber das bleibt unter uns, oder?
Psychologin: Selbstverständlich. Wovor hatten Sie
Angst?
Magdeburg: Ich weiß nicht. Als SKET ging es mir gut,
ich liebte mich. Aber da war etwas Neues in mir, das ich nicht kannte, mir
fremd blieb. Ich konnte diesen Teil nicht in mich aufnehmen.
Psychologin: Was war denn das „Neue“?
Magdeburg: Das war ja das Absurde. Die fertigten
Spezialtextilien, aus denen Segel für moderne Segelschiffe produziert wurden.
Das passte gar nicht in meine Welt. Segelschiffe! Was man sich so alles so
zusammenträumt.
Psychologin: Warum hat Ihnen das Angst gemacht?
Magdeburg: Weil ich mir nicht vorstellen konnte, dass
so etwas funktioniert. Weil es keine modernen Segelschiffe als Frachtschiffe
oder als Kreuzfahrtschiffe gibt. Ich hatte doch schon die beste SKET-Technik.
Aber die Neuen machten so viel Werbung, segelten damit auf allen Kanälen mit
dem Spruch von Saint-Exupéry: „Wenn du ein Schiff bauen willst, beginne nicht
damit, Holz zusammenzusuchen, Bretter zu schneiden und die Arbeit zu verteilen,
sondern erwecke in den Herzen der Menschen die Sehnsucht nach dem großen und
schönen Meer.“ Die neue Firma wuchs und wuchs. In mir, mit mir, und auch
außerhalb von mir, so dass ich große Beulen davon bekam.
Psychologin: Ich verstehe, das hätte mir auch Angst
gemacht.
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KI-Traummaschine nach Image Creator in Bing |
Magdeburg: Es kam noch schlimmer: Die konnten aus
ihren Stoffen große Maschinen formen, und wenn sie die Stoffe mit einer
speziellen Flüssigkeit tränkten, wurde der Stoff fester als Stahl, war aber
leicht, wie Stoffe eben sind. Und dann haben sie aus ihren Stoffen auch große
Maschinen gebaut. Die konnte man zusammenfalten, einfach transportieren und
wieder auseinanderfalten! Da stand ich als SKET schön blöd da.
Psychologin: Wofür könnte Ihr Traum stehen?
Magdeburg: Sie sind doch die Psychologin, ich bin nur
eine geschundene ostdeutsche Großstadt, die von alten Zeiten träumt.
Psychologin: Ihr Traum enthielt aber auch ein Stück
Zukunft.
Magdeburg: Meinen Sie?
Psychologin: Wie wäre es, wenn Sie sich auf die
nachhaltige Entwicklung von neuen Technologien konzentrieren? Es muss ja nicht
gleich dieser innovative Super-Konstruktionsstoff aus Ihrem Traum sein. Aber
diese Bereiche haben großes Potenzial. Man kann neben der SKET-Seele auch noch
andere Seelen in sich zulassen, ohne dass es gleich weh tun muss.
Magdeburg: Nachhaltige Entwicklung. Das klingt schon
besser, aber wie soll ich das allein schaffen? Ich brauche Unterstützung von
außen, auch Investitionen und klare Strategien, erst recht für unkonventionelle
Ansätze. Sorry, nach den Erfahrungen mit Intel habe ich richtig Schiss davor,
wieder etwas Neues anzufangen.
Selbsthilfe
Psychologin: Natürlich, das Risiko bleibt.
Transformation kann auch weh tun. Aber Sie, Frau Magdeburg, sind doch kein
Schisshase, oder? Es ist wichtig, dass Sie die Unterstützung suchen und
einfordern, von allen Ihren städtischen Gliedmaßen, dass Sie aber diesmal auch
alle mitnehmen. Vielleicht könnten Sie neue und andere Partnerschaften
eingehen. Darauf könnte dann exklusiv „Made in Magdeburg“ stehen.
Magdeburg: Das klingt nach einem Ansatz, den ich
verfolgen könnte. Aber es bleibt die Frage, ob die Menschen in mir bereit sind,
diesen Weg mitzugehen. Ich habe das Gefühl, dass letztlich viele Teile von mir
zwar meckern, wenn es nicht vorangeht, aber am Ende nicht böse sind, dass doch
vieles bleibt, wie es ist.
Psychologin: Es wird sicherlich nicht einfach, aber
mit klarer Kommunikation und Einbindung der Gemeinschaft könnten Sie die
Menschen überzeugen. Es ist wichtig, dass alle an einem Strang ziehen.
Magdeburg: Ja, das stimmt wohl. Wie beim Hochwasser
2013. Ich werde darüber nachdenken und versuchen, einen Plan zu entwickeln.
Danke für Ihre unkonventionellen Vorschläge. Vielleicht können wir unsere Therapie
als Coaching fortsetzen?
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Aufruf zum "Selbsthilfegruppentreffen" am 7.10.2024 |
Psychologin: Gern. Denken Sie daran, dass Sie nicht
allein sind und dass es Wege gibt, die Mut verlangen, um aus schwierigen
Situationen herauszukommen. Sie heißen ja nicht „Bangeburg“. Für ein
Transformationscoaching bin ich immer zu erreichen. Aber verlassen Sie sich
nicht nur auf andere. Machen Sie selbst etwas.
Magdeburg: Ich könnte eine Demo veranstalten: „Intel
muss kommen!“ Damit die auch sehen, dass ich das doch unbedingt will.
Psychologin: Kann man machen, aber denken Sie auch an
die Ihre Psyche. Nach meiner Diagnose haben Sie eindeutig den „Intel-Blues“.
Gründen Sie eine Selbsthilfegruppe, vielleicht mit Frau Halle zusammen, die hat
ein ähnliches Problem mit dem Zukunftszentrum. Dann sind Sie schon zu zweit.
Auch die KI bietet neuerdings erstaunlich gute Selbsthilfeunterstützungen.
Ich mache mir Sorgen, wie sicher mein Job noch ist.
Magdeburg: Möchten Sie mir mehr darüber erzählen?
Psychologin: Nein, möchte ich nicht.
Magdeburg: Gut, dann quäle ich Sie jetzt auch nicht
noch mit QUALCOMM.
Psychologin: Das
ist freundlich von Ihnen.