Mittwoch, 5. Juni 2024

# 055 Ja und Amen? Die Anhörung.

Beobachtungen beim: Öffentlichen Erörterungstermin der Einwendungen zum Genehmigungsverfahren für die erste Teilgenehmigung zur Intel-Ansiedlung am 29. Mai 2024 in Magdeburg.

So kompakt und nominal klang das in der Magdeburger Johannis-Kirche. Über die Veranstaltung haben im Nachgang viele regionale, überregionale sowie ausländische Medien, wie Volksstimme, MDR, Radio SAW, FAZ, dpa, Deutschlandfunk, Tagesschau, wallstreet ONLINE, Kronenzeitung etc,. berichtet. Widerhall fand sie auch in den online-Nachrichten der Börsen- und Finanzwelt. Das Narrativ von der „Schwarzerde“ macht seitdem bei LinkedIn-Usern die Runde. In den Artikeln und Berichten sind die fachlichen Details und die Vielfalt überschaubar, weil sie sich inhaltlich zumeist auf die gleiche dpa-Meldung beziehen. Für diejenigen, die sich schon länger und intensiver mit dem Thema beschäftigt haben oder aufmerksame Leser und Leserinnen dieses Blogs sind, gab es grundsätzlich und inhaltlich in der Veranstaltung nicht viel Neues. Einige Details während der Erörterungen waren allerdings interessante Ergänzungen. Ich möchte die atmosphärische Stimmung, das Setting und die aus meiner Sicht wichtigsten Punkte hier in den Mittelpunkt stellen. Wegen der Vielzahl der Personen verzichte ich auf die Nennung von Namen.

„Gottes Wort mit uns in Ewigkeit“ steht in goldenen Lettern am Denkmalsockel der Statue eines übergroßen Martin Luther. Die Johannis-Kirche im Rücken, in der Rechten die Bibel, die Linke auf dem Herzen, schaut er mit festem Blick auf das auf Rathaus gegenüber.

Der sonnige Maivormittag macht mir die Fahrrad-Anfahrt möglich, vorbei an dem Martin-Luther-Denkmal zu den noch reichlich vorhandenen freien Plätzen an den Fahrrad-Anlehnungsbügeln. Ich bin wohl schon im zu erwarteten Bürokraten-Sprech-Modus.

Halb zehn, noch Zeit, mich umzuschauen und mit mir bekannten Menschen der Presse, der Stadtverwaltung, von Intel, auch mit einigen Einwendern und Einwenderinnen (wie sie hier genannt werden) ins Gespräch zu kommen. Doch zuerst einen Platz im Zuschauerraum sichern. Allerdings verwehren mir zwei stämmige Security-Herren den Zutritt: Zuschauer, also keine Verfahrensbeteiligte (wie ihre Bezeichnung hier lautet) erhalten erst kurz vor dem offiziellen Beginn Einlass.

Abwarten, was passiert. So schaue ich mich weiter um, entdecke weiteres Sicherheitspersonal. Eine Frau von der Pressestelle des Landesverwaltungsamtes trägt die Pressevertreter in eine Liste ein. Sie spricht mich auch an und trägt meine Kontaktdaten und die Webseite ein. Sie möchte im Nachhinein gern lesen, erklärt sie, was wir so schreiben. Auf dem der Kirche schräg gegenüberliegenden Parkplatz, fast diskret von einer hohen Hecke verdeckt, ein Kleinbus der Polizei.

Das Landesverwaltungsamt will wohl auf Nummer sicher gehen. Erwartet man Störungen oder sind das mittlerweile leider übliche Sicherheitsvorkehrungen? Oder befürchtet man ‒ die Ereignisse bei Tesla in Grünheide im Hinterkopf ‒ ein Umschwenken von Teilen der Bevölkerung, weg von der bisherigen insgesamt eher braven Pro-Intel-Stimmung?

Reformation früher / Transformation heute? In einigen Wochen jährt sich zum fünfhundertsten Mal das spontane und flächendeckende Umschwenken fast der gesamten Magdeburger Bevölkerung und Kirchen vom katholischen zum evangelischen Glauben. In dieser St.-Johannis-Kirche hat Martin Luther am 24. Juni 1524 Klartext gepredigt. Der Beginn der Magdeburger Reformation. Steht am gleichen Platz hier heute ein wichtiger Schritt zur Transformation der Magdeburger Stadtgesellschaft bevor?

Mittlerweile lehnen sich viele Fahrräder an. Lässt das auf den Charakter der Zuschauer schließen? Aber ein Ansturm wie vor 500 Jahren – damals fasste das Kirchenschiff nicht die Zuhörer – ist hier nicht zu erkennen.

Einlass: Taschen und Rucksäcke müssen an der Garderobe abgeben werden, heißt es kurz vor zehn. Und: Bitte beachten Sie das Fotografier- und Filmverbot während der Veranstaltung. Etwas eingeschüchtert bin ich schon. Die hier präsentierten Fotos entstanden selbstverständlich legal vor und nach der Veranstaltung oder in der Pause.

Anspannung liegt in der Luft. Keiner weiß genau, wie das hier ausgehen wird. Zwischen entspannt-harmonisch und hektisch-kontrovers scheint alles möglich zu sein. Wer ist da? Ist jemand „auf Krawall gebürstet“?

Aus Gesprächen schnappe ich auf: Die Räumlichkeiten sind heute bis 21 Uhr reserviert, und wenn das nicht reicht, soll es morgen weitergehen. Gut, dass ich vorsorglich etwas zu trinken und Butterbrote eingepackt habe. Noch schnell zur Toilette im Kellergeschoss des modernen Kirchen-Anbaus im Bauhausstil. Dort erinnern die Reste einer Gruft an Otto von Guericke, den Innovator und Politiker des 17. Jahrhunderts, neben Kaiser Otto I. auch ein früher Influencer der „Otto-Stadt“ Magdeburg.

Das Setting und die Regie. Was sagt mir das gewählte „Setting“ des Veranstalters in der entweihten Kirche, die nach ihrer vierten Zerstörung im letzten Weltkrieg im Jahr 1999 auferstand aus einer Ruine als weltliches Veranstaltungs- und Konferenzzentrum?

Im erhöhten, ehemaligen Altarraum, zentral an einem Tisch, die schwarz-weißen Kirchenfenster im Rücken, drei „Hohepriester“ des Landesverwaltungsamtes. In der Mitte die Moderatorin und Leiterin, die souverän in die Veranstaltung einführt und noch ein beachtliches Textpensum absolvieren wird. Die beiden Herren links und rechts schweigen und werden nach meiner Beobachtung auch im Verlauf der offiziellen Veranstaltung kein Wort sagen. Alle stellen sich persönlich vor, nur die beiden lassen sich von der Moderatorin präsentieren. Sind sie „Back-ups“ oder Aufpasser?

Rechts, vom Zuschauerraum aus gesehen, auf gleicher Höhe, schräg aufgestellt eine Tischfront, dahinter noch zwei weitere Tischreihen mit insgesamt ca. 20 Vertretern der „Antragsstellerin“, also mit Personen von Intel oder mit von Intel beauftragten Personen. In der ersten Reihe links ein Rechtsanwalt, der sich als eloquenter Wortführer der Intel-Interessen herausstellen wird. Daneben in der ersten Reihe weitere Berater und Beraterinnen von Intel für spezielle Fachfragen. In der zweiten und dritten Reihe sind auch einige nur Englisch sprechende Mitarbeiter von Intel, die über Kopfhörer eine Simultanübersetzung hören können. Von der zweiten und dritten Intel-Reihe wird man im Verlauf der Veranstaltung nichts öffentlich hören, außer von der Geschäftsführerin der „Intel Magdeburg GmbH“, die auch in der hinteren Reihe ihren Platz hat. Sie eröffnet den Vortragsreigen zu Beginn mit einem „Goodwill speech“ als atmosphärischer Lockerungsübung, unterstützt durch repräsentative und gestylte PowerPoint-Folien auf dem Großbildschirm, der wie von unsichtbaren dünnen Fäden über dem Intel-Team in der Schwebe gehalten wird. Wir sind gekommen, um zu bleiben und wollen eine gute Nachbarschaft. Das ist der Kern ihrer Botschaft.

Links im Altarraum ‒ oder nennen wir ihn doch lieber Bühne? ‒ auch eine schräg aufgestellte Tischfassade und eine zweite Reihe dahinter, mit ca. 15 Plätzen für die Vertreter und Vertreterinnen der Unternehmen, die für die Infrastruktur des Projektes verantwortlich sind: SWM (Stadtwerke Magdeburg), HTP (High-Tech-Park-Sachsen-Anhalt), TWM (Trinkwasserversorgung Magdeburg), Gelsenwasser (Abwasserreinigung) und Stiftung Kulturlandschaft Sachsen-Anhalt.

Die drei, mit cremefarbenen Tischhussen repräsentativ ausgestatteten Tischfronten, präsentieren sich pompös und öffnen sich zum drei Stufen niedrigeren Zuschauerraum. Dort vorn zwei nackte Tischreihen (also ohne Hussen) für insgesamt ca. 30 Einwender und Einwenderinnen mit Blickrichtung auf die erhöhte Bühne. Nicht alle Plätze sind dort besetzt. Dahinter im ehemaligen Kirchenschiff die Stuhlreihen für die „Passagiere“, die bei den öffentlichen Erörterungen mitgenommen werden möchten. Rederecht haben sie nicht, wird von der Moderatorin klargestellt. Jeder der Plätze an den Tischen, oben wie unten, ist mit einem Mikrofon ausgestattet. Wie überhaupt alles Technische gut ausgestattet und im Ablauf gut organisiert ist.

Publikum. Ich habe den Eindruck, dass mehr Menschen an den Tischen auf und vor der Bühne sitzen als auf den Einzelsitzen im Zuschauerraum. Aber die Reihen füllen sich nach und nach weiter mit vielleicht 100 bis 120 Personen. Hier und da entdecke ich Kommunal- und Landespolitiker und Politikerinnen. Vor mir verfolgen die Wirtschaftsbeigeordnete und der Baubeigeordnete der Stadt Magdeburg interessiert die Vorträge von den Zuschauerrängen aus. Gefühlt bleiben ca. 200 Stühle im Zuschauerraum leer. Warum ist das Interesse nicht größer? Sollte für die Magdeburger und Magdeburgerinnen schon alles in trockenen Tüchern sein? Die Einwender und Einwenderinnen bekamen keine Extra-Einladung, da der heutige Termin mehrfach öffentlich in der Zeitung und im Amtsblatt ausgewiesen war. Andererseits ist ein Tagestermin, aus dem auch zwei Tage werden könnten, für die arbeitenden Menschen schwierig einzurichten. Ich freue mich über meine „privilegierte“ Situation, die mir die Teilnahme ermöglicht.

Wasser. Gleich zu Beginn geht es um die Wasserversorgung. Woher kommen die ca. sieben Millionen Kubikmeter Wasser pro Jahr? Die Intel-Vertreter können sich bezüglich der Wasserversorgungsproblematik formal zurücklehnen, da die Stadt Magdeburg in den Verhandlungen die Versorgung mit geeignetem (Trink)Wasser vertraglich garantiert hat. Der Rechtsanwalt und Intel-Redeführer weist auch darauf hin, dass deshalb die Frage, woher das Wasser kommt, nicht Gegenstand dieses Genehmigungsverfahrens ist. Das Verfahren ist im Übrigen (nur) eine Teilgenehmigung für den Bau der Anlage. Später (2025, 2030?) wird noch eine weitere (Teil)Genehmigung für den Betrieb der Anlage notwendig werden. Trotzdem wird von einem Vertreter der Gemeinde Burgstall – nördlich von Magdeburg gelegen – eine weitere extreme Absenkung des Grundwassers sehr befürchtet. Es wird in den Diskussionen deutlich, dass das in einem Video https://youtu.be/GssEFGhRjjk?si=-_xKEhiRputtsclS auf der Homepage der Stadt Magdeburg vorgestellte Konzept (kurz: Wasser aus der Elbe über den Mittellandkanal in die Ohre zur weiteren Versickerung als Grundwasser für das Wasserwerk in Colbitz leiten) noch nicht mit realen Planungen und Konzepten unterlegt ist, es somit fraglich ist, ob es auch funktioniert und in einem anderen Verfahren genehmigt werden muss.

Vom „pro Elbe e.V.“ wird gefordert, dass eine Wasserentnahme aus der Elbe nur beim Wasserstand oberhalb des mittleren Pegels erfolgen dürfe. Dass die Erhöhung der Fördermengen für die Versorgung von Intel dem Niveau um 1990 entspricht und die derzeitige geplante Entnahmemenge selbst bei niedrigem Elbpegel nur ca. 1% des Durchflusses entspricht, ist für die Einwenderin nicht überzeugend. Auch wenn die TWM auf ausreichende Wasserrechte aus „alten DDR-Zeiten“ verweist. Der Aspekt des seitdem fortgeschrittenen Klimawandels und die weiteren Wasserentnahmen durch neue Industrieanlagen entlang der Elbe bedeutet für die Einwender eine ungünstige Perspektive für die Elbe und Grundwasser. Die Wasserprobleme werden nicht kleiner. Aber, wie gesagt, strenggenommen ist das Thema „Wasser“ gar nicht Gegenstand dieses hier verhandelten Genehmigungsverfahren.

Abwasser. Ich bin nicht sicher, ob ich den Hinweis des Rechtsanwaltes und Intel-Redeführers richtig verstanden habe, dass auch das Thema Abwasser nicht Gegenstand der beantragten Genehmigung sei. Die Stadt Magdeburg oder die HTP-Sachsen-Anhalt bzw. die von ihr beauftragte Gelsenwasser-AG hat die Aufgabe, das Problem zu lösen, möglicherweise mit einem anderen Genehmigungsverfahren.

Übrigens: „Das ist nicht Gegenstand dieses Genehmigungsverfahrens!“ und „Das Thema ist bislang hinreichend erörtert und ich beziehe mich auf die bisherigen Stellungnahmen in diesem Verfahren!“, sind die vom Intel-Wortführer an diesem Tag gebetsmühlenartig gebrauchten Sätze. Aber dafür hatte er bei der Einführung schon um Nachsicht und Verständnis gebeten, weil formal-juristisch notwendig.

Trotzdem stellt einer der Einwender die Frage, ob die Vertreterin der Fa. Gelsenwasser, die auf die Trinkwasser-Qualität am Abfluss der zukünftigen Kläranlage hinwies, das Wasser auch selbst trinken würde. Darauf antwortet sie nicht. Es wird aber deutlich, dass das „Trink-Abwasser“ nicht die ausreichende Qualität haben wird, um es wieder dem Prozess der Reinstwasser-Aufbereitung für die Chip-Produktion zuzuführen. Schade, das wäre ein wünschenswertes Wasser-Abwasser-Wasser-Kreislauf gewesen. Die Frage der „pro Elbe e.V.“-Vertreterin nach PFAS, den so genannten Ewigkeitschemikalien im Abwasser, wird wie andere Fragen und Hinweise vom Landesverwaltungsamt im Rahmen der Genehmigungsprozedur zu Protokoll genommen und im weiteren Verfahren von der Genehmigungsbehörde bewertet.

Nun geht es in eine 30-minütige Mittagspause. Danach sind weniger Zuschauer zu sehen und auch einige Plätze bei den Einwendern nicht mehr besetzt. Die Mittagssonne lässt die vor einigen Jahren neu gestalteten Kirchenfenster im südlichen Seitenschiff der Johanniskirche intensiv und farbig aufflammen.

Boden. Ein ausführlich behandelter Diskussionspunkt ist der Bodenschutz. Die Vertreter vom BUND und von einer Vereinigung zum Bodenschutz tragen ihre Bedenken engagiert und fachkundig vor, sodass ich den sich entwickelnden Fachgesprächen zwischen Einwendern und Vertretern des HTPs sowie der Stiftung Kulturlandschaft kaum folgen kann. Aber es ist trotz unterschiedlicher Einschätzungen ein sachlicher und respektvoller Umgang, wie es anfangs und auch zwischenzeitlich von den Personen auf der Bühne gewünscht wurde. Beim Bodenabtrag gibt es anscheinend eine Aufgaben- und Verantwortungsteilung zwischen der HTP und Intel, sodass beide für eine Lösung in der Pflicht stehen. Es wird – ähnlich wie bei der Wasserfrage - deutlich, dass das bisher in den Genehmigungsunterlagen dargestellte sehr pauschale und einfache Konzept nicht greift und grundsätzliche Konzepte und Verfahren noch erarbeitet werden müssen.

Mich überrascht, dass in der ersten Ausbaustufe (mit zwei Chip-Fabs), entgegen vielen Befürchtungen nur ca. 15% der Fläche versiegelt werden sollen. Wie das bei insgesamt acht Chip-Fabs aussehen wird, ist nicht Gegenstand dieses Genehmigungsverfahrens. Ich bin erstaunt, wie komplex auch das Thema „Boden“ ist und wie viele Vorschriften und Gesetze beachtet werden müssen, bevor der Boden transformiert werden darf. Die Vertreter der HTP teilen mit, dass aktuell für über eine Million Kubikmeter Boden Abnehmer in Aussicht stehen.

Da am heutigen Tag in der „Volksstimme“ berichtet wird, dass der Baustart um ein weiteres Jahr, jetzt auf 2025 verschoben wird, ergibt sich auch hier Möglichkeit, dass die Konzepte und Planungen für die Entfernung der Schwarzerde nicht mehr mit der heißen Nadel gestrickt werden müssen.

Naturschutz. Intensiv wird die Diskussion noch einmal beim Arten- und Naturschutz, als es um die gefährdeten Feldhamster- und Feldlerchenpopulationen geht. Ich habe die Gelegenheit, auch zu diesem Thema einiges Neue zu lernen, auch die Wichtigkeit zu erkennen, und warum dieses Thema nicht belächelt werden darf. In einem FAZ-Artikel wird zwei Tage später unseriös getitelt werden, als ob versucht würde, mit acht Feldhamstern eine 30-Milliarden Investition zu verhindern. Im Gegenteil: Bei den Einwendern war von so einer Forderung überhaupt nicht die Rede.

Abschluss. Es ist nicht einmal 16 Uhr und alle Punkte sind schon abgehandelt. Die Versammlung löst sich nach vorsichtigem Beifall und Klopfen auf. Hier und da entstehen Grüppchen, die diskutieren. Einige Medienvertreter machen noch Filmaufnahmen, interviewen Vertreterinnen von Intel als auch Einwender. Es macht sich eine entspannte Erleichterung, ein Aufatmen bei fast allen Beteiligten breit, wie das abschließende, entlassende und entlastende Amen in der Kirche.

Eine Einwenderin ist nicht zufrieden und sagt mir, dass sie sehr genau in das Protokoll schauen und verfolgen wird, inwieweit ihre Einwendungen in dem weiteren Prozess Niederschlag finden werden. Also ist möglicherweise die letzte Messe noch nicht gesungen.

Mein Resümee. Ich habe schon öffentlichen Erörterungen zu städtischen Bebauungsplänen beigewohnt, bei denen es wesentlich lauter, hektischer und kontroverser zuging. Ich hätte es aber passender gefunden, wenn man eine Anordnung gefunden hätte, bei der auch die Einwender auf Augenhöhe gemeinsam mit den anderen Gruppen auf der Bühne positioniert gewesen wären. Das umso mehr, weil auch die Einwender so genannte Verfahrensbeteiligte sind, die Gruppe der „Infrastruktur“ formal nicht, wenn ich das richtig verstanden habe.

In dem gesetzten Veranstaltungsrahmen wurde themenbezogen vorstrukturiert, die Leitung der Veranstaltung war trotzdem flexibel und offen. Es wurde immer wieder nach Wortmeldungen von den Einwendern gefragt. Fast alle Einwender und Einwenderinnen gaben zu Protokoll, dass sie dem Projekt prinzipiell positiv gegenüberstehen und nicht das Ziel haben, es zu verhindern. Das trug insgesamt zur kooperativen Stimmung bei. Die Einwender und Einwenderinnen sollten weiterhin mit ihren Argumenten ernstgenommen werden, denn sie erwarten ein Überdenken von vielen bislang noch nicht ausgegorenen Details des Vorhabens. Auch seitens der beteiligten Planer wurde deutlich, dass durch die zeitliche Verschiebung des Baustartes die zusätzliche Zeit genutzt werden muss, die Wasser- und Boden-Konzepte zu konkretisieren. Letztlich wird es darauf ankommen, was die Genehmigungsbehörde, also das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt, der Antragsstellerin mit ins „Gebetbuch“ schreibt.

Da es sich bei dem Antrag um eine Teilgenehmigung handelt, werden weitere Genehmigungsverfahren im Kontext der Intel-Ansiedlung folgen. Hat aber der erste große Genehmigungsschritt erstmal den Segen, wird ein „Zurück“ immer schwieriger. Ist der „Point of no return“ schon erreicht? War das hier im Kirchenschiff die Kiellegung des großen Dampfers „Intel-Ansiedlung“ oder schon der Stapellauf?

Man wird abwarten müssen, ob die Einwände gegen das Genehmigungsverfahren letztlich zur Zufriedenheit der Einwender Eingang in die Umsetzung finden oder ob hier Anlässe für spätere gerichtliche Klärungen einen Ausgangspunkt haben. Ob die weitere Verzögerung des Baustartes ausschließlich an der noch ausstehenden „Formalie“ der Subventionsgenehmigung durch die EU liegt, wird sich erst bei tatsächlichem Baubeginn zeigen.  

Thema verfehlt? War das hier auch teilweise auch so? Ich bleibe verwirrt zurück, weil ich nach den   Aussagen der Veranstaltungsleiterin und des Intel-Vertreters nicht sicher bin, ob und welche der vorgebrachten Einwendungen überhaupt für die Teilgenehmigung relevant sind. Vielleicht beichtet mir der eine oder die andere, was tatsächlich relevant für das Verfahren war. Schließlich leben wir hier doch nicht in Kafkas Welten, auch wenn Kafka-Jahr ist.

Mein Fahrrad finde ich allein zwischen den Anlehnungsbügeln wieder und ich werfe beim Wegfahren noch einmal einen Blick auf die Luther-Statue. „Gottes Wort mit uns in Ewigkeit“, lese ich noch einmal. Besser ewig das Wort Gottes im Ohr als Ewigkeitschemikalien im Wasser, tröste ich mich.

Samstag, 1. Juni 2024

# 054 Volksstimme Schlagzeilen (Auswahl) aus Mai 2024

  • Intel: So geht es am Eulenberg voran
  • Kommentar: GUTE WAHL
  • Für unsere schöne Stadt
  • Intel: Bürgersorgen sich um ihr Wasser Zu den Planungen für die Chipfabriken in Magdeburg gibt es 13 Einwendungen.
  • Großbaustelle Magdeburg: In der aktuellen Debatte spricht Baubeigeordneter Jörg Rehbaum die Prioritäten der Stadtverwaltung an
  • Ein Leitbild für den Brandschutz
  • Blog zu Intel in der Stadtbibliothek
  • Hafen steigert Umschlag
  • Bekanntmachung: Auslegung von Anträgen auf wasserrechtliche Erlaubnis der Intel Deutschland GmbH.
  • Intel spürt Huawei Verkaufsstopp: Konzern darf auch ältere Chips nicht mehr an den chinesischen Kunden liefern.
  • Wahllexikon: Die Zukunft der Schulen in der Stadt
  • QUIZ: DIE WOCHE IM RÜCK-BLICK
  • Wie es um die Mieten steht: Der Aengevelt-Immobilienreport gibt einmal mehr eine bemerkenswerte Prognose für den Wohnungsmarkt in Magdeburg ab.
  • E-Mail-Affäre: Ermittlungen abgeschlossen
  • Wasserstoff aus dem Container: Das Unternehmen Enertrag will das Gas ab 2025 in Osterweddingen produzieren – mit Strom aus dem eigenen Windpark
  • Kommunalwahl: Kandidaten im Wahlbereich
  • Uni-Senat wählt heute neuen Rektor
  • Wolmirstedt wird zur Stadt des Stroms
  • Kommunalwahl: Kandidaten
  • Amtliche Bekanntmachung
  • Hauskauf lohnt sich wieder
  • Energiewende stärkt ländliche Räume
  • Lesung und Gespräch über Intel
  • Kommunalwahl 9. Juni: Die Kandidaten
  • Zwischen Frust und Aufbruch: Wie kaum eine andere Stadt steht Genthin für den ländlichen Raum in Sachsen-Anhalt.
  • Intel, Halle und die Wahl in Magdeburg: Volksstimme-Lokalchef im Podcast „Wahl lokal“ zu Gast
  • Kommunalwahl 9. Juni: Die Kandidaten
  • Neues Wohnen mit Blick auf die Elbe: Auf einem unbebauten Grundstück in der Mittelstraße soll in den kommenden Jahren ein Wohnbauprojekt realisiert werden.
  • Steckbrief
  • Kommunalwahl 9. Juni: Die Kandidaten
  • Neue Kita hat noch freie Plätze: Für rund 2,1 Millionen Euro hat die evangelische Kita St. Michael einen Ersatzneubau erhalten.
  • Intel-Baustart erst 2025: Da Brüssel die Milliarden-Subvention noch nicht genehmigt hat, werden die Erdarbeiten auf nächstes Jahr verschoben
  • Kommentar: Brüssel Bremst
  • Sorgen vor großem Intel-Durst: Der hohe Wasserverbrauch der geplanten Chipfabriken in Magdeburg steht in der Kritik. Bürger und Verbände fordern auch Nachbesserungen beim Boden- und Artenschutz.
  • Stadtratswahl: Wer steht wofür?

Freitag, 24. Mai 2024

# 053 Land unter? Intel oder Bio-Dinkel? Lesung mit Gespräch zur Intel-Ansiedlung

Herbert Karl von Beesten und der Landwirt Jörg Claus thematisieren nicht nur den Bördeboden.

Am Montag, dem 3. Juni, ab 17 Uhr, findet die nächste Lesung zum Thema Intel-Ansiedlung in der Stadtbibliothek statt.

Das Thema bleibt auch nach der Verhandlung der Einwendungen zu den Genehmigungsunterlagen.


Die Tradition, dass am ersten Montag eines Monats der Magdeburger Stadtbibliothek am Breiten Weg Herbert Karl von Beesten aktuelle Auszüge aus seinem Intel-Industriekultur-Blog vorträgt und mit einem Gast ins Gespräch mit dem Publikum kommt, wird auch im Juni fortgesetzt. Online-Bloggen ist das eine, persönlicher Vortrag und Diskussion das andere. Deswegen ergänzen sich der Blog und die Bibliotheksveranstaltungen ideal. Auch diesmal steht die Frage im Mittelpunkt, inwieweit „Natur & Zukunft“, oder in Englisch „Nature & Future“ zusammenpassen. War im Mai in der gut besuchten Veranstaltung das Thema „Wasser“ ein heiß diskutiertes Thema, so wird diesmal das Thema „Landwirtschaft und Boden“ im Mittelpunkt stehen.

Land- und Energiewirt Jörg Claus

Herbert Karl von Beesten freut sich, dieses Mal als ausgewiesenen Fachmann Jörg Claus begrüßen zu dürfen. Er ist seit 1991 in Osterweddingen/Sülzetal als Landwirt aktiv, man darf ihn als einen passionierten Vertreter dieses Berufs bezeichnen.  Die industrielle Entwicklung der Region in seiner Umgebung hat dazu geführt, dass er sich intensiv mit dem Spannungsfeld „Landwirtschaft und sinnvoller Naturschutz“ sowie einer überbordenden Flächeninanspruchnahme auseinandergesetzt hat.

Am neuen Selbstverständnis: „Vom Landwirt zum Energiewirt" nimmt er aktiv teil und plant eigene Solarprojekte. Im Ehrenamt ist er Vorsitzender der Stiftung Kulturlandschaft-Sachsen-Anhalt, die für den Bebauungsplan Eulenberg erhebliche Ausgleichsmaßnahmen erbringt.Im März 2023 gab es hier im Blog ein Bericht über ein interessantes Treffen mit Jörg Claus, nachzulesen unter: Aufwärtskompatibel? Neue Industriekultur in Magdeburg durch Intel?: # 008 Im Märzen der Bauer … ein Fließtext aus 2023 (herbert-karl-von-beesten-intel-blog.blogspot.com) 

Auch wenn am 29. Mai in der Johanniskirche die Einwendungen gegen die Genehmigungsunterlagen verhandelt werden, wird das Thema Intel-Ansiedlung mit den verbundenen Transformationen in der Magdeburger Stadtgesellschaft noch auf lange Zeit Thema des Blogs sein, ist sich Herbert Karl von Beesten sicher. Der Eintritt zu der Veranstaltung ist frei, da der Blog und die Veranstaltung freundlicherweise vom Kulturbüro der Stadt Magdeburg, der WOBAU, der Stiftung Kloster Unser Lieben Frauen und dem Lions Club Kaiser Otto I. unterstützt wird.

Dienstag, 21. Mai 2024

# 052 Eine Klasse für sich - Natur oder Technik als Lehrmeisterinnen?

Was hat Stadtfeld-West (an der Schrote) mit Halle-Ost (an der Saale) zu tun?

Ich habe in den letzten Wochen zwei spezielle Klassenräume kennengelernt, die unterschiedlicher kaum sein können, aber doch etwas miteinander zu tun haben. Aber dazu später.

„Ottos grünes Klassenzimmer“

Anfang Mai traf ich Felix Bosdorf und weitere Mitglieder der Initiative „Otto pflanzt!“ e. V. in „Ottos grünem Klassenzimmer“. Ein ehemaliger Schulgarten in Stadtfeld West, zuletzt zu DDR-Zeiten bewirtschaftet. Nach dem Eintritt durch das offene Gartentor: Links und rechts wuchernde und schon voll im Saft stehende wild verwachsene Bäume und Sträucher. Mir fällt spontan „Grüne Hölle“ ein. Diese Bezeichnung wäre umso berechtigter, wenn man von den gepflegten Parkanlagen beiderseits der Schrote oder von der nüchternen Harsdorfer Straße in dieses vergessene Gartenreich kommt.  

Aber so möchte Felix das schätzungsweise vier- bis fünftausend Quadratmeter große Areal zwischen Schrote, Gartenparzellen des Kleingartenvereins „Eichelschanze“ und den Plätzen des Tennisklubs „Germania“, nicht genannt hören. „Hölle“ könnte negativ konnotiert sein, Kindern Angst machen, meint er. Was passt besser?, frage ich ihn. „Paradies?“, ist seine Idee? Vielleicht sogar „Green Paradise?“, lege ich nach. Nein, vom „Paradies“ möchte er doch Abstand nehmen. Also einigen wir uns auf „Grünes Klassenzimmer“, sollen hier doch ab dem nächsten Schuljahr Schüler und Schülerinnen der benachbarten Montessori-Schule mithelfen, diesen alten Garten zu wecken, ihn zu beleben ‒ und dabei gleichzeitig etwas lernen.

Birgit Habenicht in Aktion

Dafür wird im wahrsten Sinne des Wortes das (Lern)-Feld vorbereitet. Ich treffe auf Birgit Habenicht, Lehrerin im Ruhestand. Mit Arbeitshandschuhen, Schubkarre und Gartenschere ausgestattet, sucht sie Altholz und Baumschnitt zusammen, um damit ein Totholzbiotop anzureichern oder einen Flechtzaun weiterzubauen. Sie kann sich auch vorstellen, später im Garten dort die Kinder der Klassen eins bis vier im Garten zu betreuen. Von wegen Ruhestand! Später kommt Ralf Dounz-Weigt dazu, der dieses Areal entdeckt hat und über seine Verbindung zur Montessori-Schule den Lernort der besonderen Art anbieten möchte. 

Flechtzaum um einen Apfelbaum

„Otto pflanzt!“ hat sich noch viel mehr vorgenommen. Einige der 242.000 Bäume, die der Verein auch als Stadtwald-Projekt anpflanzen möchte, werden hier ihre Wurzeln schlagen, denn der alte Baumbestand soll durch junge Obstbäume ergänzt werden. So werden die Kinder mit den Bäumen aufwachsen, Apfel-, Birnen- und Beerensorten kennenlernen, eine Ahnung von dem Nutzen einer Streuobstwiese bekommen und begreifen, dass Apfel nicht gleich Apfel ist. Und: Wie sieht ein Johannisbeerstrauch aus? Was ist das für ein Kraut, warum gibt es mal mehr weiße, mal gelbe und dann wieder viele rote Blüten?  

Ist es nicht weltfremd, heutige Stadtkinder mit Gartenthemen von TikTok, dem Fernsehen und anderen kommerziellen Kids-Events weglocken zu wollen? Da sprechen die Erfahrungen eine andere Sprache, berichtete mir Felix. Die Gartenwelt kann für Kinder ein Abenteuerplatz sein, eine vertraute Wildnis, eine nützliche Ressource oder ein Versteckspiel-Dorado. Gerade diese natürliche Vielfalt, die sich in den letzten zwanzig, dreißig Jahren hier entwickelt hat, sei besser als viele Social-Media-Klicks und Likes, wenn die Kinder das erstmal kennen- und liebengelernt haben. Innerhalb von Schulprojekten habe die „Otto pflanzt!“-Crew schon positive Erfahrungen gemacht, so dass neben Aktionen in der Schule die Kinder sogar in der Freizeit ihren Eltern mit Begeisterung beim Bäumepflanzen geholfen haben.

Unser Gespräch wird immer wieder von lautem Motorengeräusch gestört. Eine Motorsense als mechanische Machete, um Freiflächen für das grüne Klassenzimmer zu schaffen?, fährt mit durch den Kopf.

Brunnenloch mit Grundwasser

Es ist eine Motorpumpe, stellt sich heraus. Ein Mitarbeiter einer Brunnenfirma ist dabei, einen alten Grundwasserbrunnen zu reaktivieren. Ein Rohr steckt senkrecht in der Erde, einen halben Meter über und fünf, sechs Meter tief in der Erde. Tatsächlich, in circa 1,8 Meter Tiefe ist der Wasserspiegel zu erkennen. Der Brunnen ist ergiebig, das Wasser aus dem Pumpenschlauch wird gleich in große Tanks gefüllt, für trockene Zeiten. Felix, Birgit und Ralf stehen zusammen, ihre Freizeit- und Arbeitskleidung lässt sie zupackend aussehen. Sie freuen sich, dass der Brunnen funktioniert und so der Garten auch in Zukunft bewässert werden kann. Wie es im Sommer aussehen wird, bleibt allerdings fraglich. Die benachbarte Schrote war in den letzten Jahren im Hochsommer immer wieder trockengefallen. Das war, wie Felix es aus den Erzählungen seines Vaters kennt, seit 1968 bis Anfang der 2000er-Jahre nur einmal vorgekommen, aber in den Jahren danach schon dreimal, was auf einen heute deutlich niedrigeren Grundwasserstand hindeutet. Aber vielleicht genügen die fünf Meter Brunnentiefe, auch wenn die Ergiebigkeit geringer sein wird.

Felix Bosdorf - Birgit Habenicht - Mitarbeiter
der Pumpenfirma -Ralf Dounz-Weigt

Apropos Wasser. Ich hatte Felix bei meiner Lesung mit Gespräch zu meinem Intel-Blog am Tag vorher in der Stadtbibliothek kennengelernt, bei dem auch ein Gewässerbiologe als Fachmann zugegen war. Felix fiel mir zu dem umstrittenen Thema „Intel und der Wasserverbrauch“ als engagierter Disputant auf. Ich erinnere mich, dass der Biologe vom Helmholtz-Institut es nicht sehr kritisch sah, wenn das Wasser als Uferfiltrat der Elbe entnommen würde, denn der Schutz des Grundwassers sei von viel elementarer Bedeutung. Das könnte doch eine praktische Unterrichtseinheit im grünen Klassenzimmer werden, rege ich an.

Baumkunst der Crew "Fruchtschnitten" (Obstbaumbeschneider)

Im weiteren Gespräch wird deutlich, dass es sich bei dem Verein „Otto pflanzt!“ nicht um naive Gartentraumwandler handelt, sondern dass sie auch konstruktiv auf das Thema Technik und Natur eingehen. Wenn es sich abzeichnet, dass das Intel-Projekt im Sinne der Magdeburger Realität wird, dann wollen sie als Verein mithelfen, für die Natur und ihre Ressourcen das Beste daraus zu machen. Dies feststellend, gibt Felix gleich ein Beispiel: „Wir sind keine Technikverweigerer, sondern setzen mit den Kindern auch mal die Handy-App „Flora Incognita“ oder andere Apps mit KI-Funktionen ein, um Pflanzen zu identifizieren, um mehr über sie zu erfahren. Aber etwas exotisch wirkt für mich die Verstellung doch: Ein Handy mit KI-App in dieser grünen Naturvielfalt.

Bei meiner Recherche zu diesem Beitrag schaute ich mir auf der Webseite https://www.ad-magazin.de/artikel/pflanzen-apps noch andere Pflanzenerkennungs-Apps an, und, Zufall oder KI-Algorithmus, es poppte prompt eine Web-Anzeige von Intel mit www.jobs.intel.com.germany auf. 

„Classroom for the future“

Intel. Ich erinnere mich an eine Parallelwelt zu „Ottos grünem Klassenzimmer“, an meine Teilnahme an der feierlichen Eröffnung des „CLASSROOM OF THE FUTURE“ am 19. April 2024. Was gibt es da im Rückblick als grüne Brücke?

Ein amerikanisches Gemeinschaftsprojekt von Intel und seinem größten Kunden DELL im sachsen-anhaltischen Halle an der Saale. Der überfüllte große Veranstaltungsraum, vereinzelt von abgestandenen Gummibaum-Monokulturen flankiert. Dagegen dominierte bei den Ehrengästen, den Rednern und der Rednerin formaler Business-Dress. In den hinteren, gut besetzten Reihen und auf den Stehplätzen, augenscheinlich Teile der DELL-Belegschaft, überwog der Casual-Friday-Dresscode.

Veranstaltungsraum mit Gummibaumgrün

Durch ein Labyrinth von langen kahlen Fluren, ein nüchternes Treppenhaus und zu querenden Großraumbüros gelangte man nach dem offiziellen Teil zum „CLASSROOM OF THE FUTURE“. Es scheiterte der Versuch, die ca. 250 Personen aus dem Veranstaltungsraum in diesem ca. sechs mal zehn Meter großen Raum unterzubringen. Das Gedränge groß, so viele Menschen und Technik in einen Raum beeindruckend. Mehr „ging“ nicht. Schüler- oder Lehrerschwemme?

Hochbetrieb in der Zukunft des Klassenzimmers

Mittendrin Präsident und Minister, die sich von einer jungen Intel-DELL-Crew – dem „Team Wonderful“, wie auf den T-Shirts zu lesen war – zeigen ließ, was man schon gelernt hatte. Auf den Fotos, die ich gemacht habe, konnte ich später tatsächlich im Hintergrund die grünen Spitzen von ein paar Yucca-Büro-Palmen entdecken. Ich lernte, dass es kein Klassenraum für Schüler und Schülerinnen ist, sondern für Lehrer und Lehrerinnen. Sie sollen die Vielfalt des IT-Angebotes – alles im minimalistischen Design, in vornehmen Anthrazit- und matten Silbertönen – und dessen Einsatz und Möglichkeiten im späteren Unterricht in DELL-Seminaren kennen lernen. Also: „Train the trainer“, um mit deren Unterstützung die Hard- und Softwarekomponenten in möglichst viele „CLASSROOMs OF THE FUTURE“, in die „Fläche“ zu bringen.

Team "Wonderfull" im "CLASSROOM FOR THE FUTURE"

Der Kreis schließt sich zum Kreislauf

Kehren wir gedanklich wieder zurück nach Magdeburg, ins Stadtfeld, in Ottos grünes Klassenzimmer, zum Wasser, zum Grundwasser. Felix sprach davon, dass „Otto pflanzt!“ sich auf einen Aufruf von Intel hin beworben hat. Da sollten Vorschläge gemacht werden, wie Intel seine Wasserbilanz insgesamt so verbessern könnte, dass unterm Strich mehr Wasser dabei herauskommt als der Natur durch die Intel-Werke entzogen wird. Intel möchte bis 2030 „wasserpositiv“ werden, so ist das Ziel bestimmt. Es gab dazu eine Intel-Video-Call-Runde, an denen neben „Otto pflanzt!“ circa 30 Gruppen, NGOs und Initiativen aus ganz Deutschland beteiligt waren. Da wurden verschiedene Projektideen vorgestellt. Dabei ging es, wenn ich es richtig verstanden habe, um Kompensationsmaßnahmen – ähnlich, wie man durch Zertifikate seine CO₂-Bilanz verbessern kann – wie man mit (finanzieller?) Unterstützung von Intel Wasserreservoirs retten, schützen oder ausbauen kann. Intel möchte auch mit lokalen Initiativen zusammenarbeiten, die zum Beispiel dazu beitragen, den Grundwasserspiegel zu erhöhen. Der Vorschlag von „Otto pflanzt!“ war, so erinnert sich Felix, mit Bäumen und Wäldern positiv auf die Wasserbilanz in der Region einzuwirken. Was aus der Zusammenarbeit mit Intel wird, ist noch nicht klar. Das Auswahlverfahren der Projekte läuft noch.

Felix am Grundwasserbrunnen

Wer weiß, vielleicht werden die heutigen Kinder in „Ottos grünem Klassenzimmer“ durch die dortige Natur sensibilisiert, bringen mehr Grün in die „CLASSROOMs OF THE FUTURE“, um dann durch KI motiviert, anschließend ein Studium der Biologie oder Sustainable Resources oder Advanced Semiconductor Nanotechnologies zu absolvieren. Und werden später Intel-Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter. Und wenn sie in zwanzig, dreißig Jahren im Hochsommer, nach Feierabend von Intel kommend, entlang der Schrote zurück in ihr Stadtfeld fahren, Felix im grünen Klassenzimmer zuwinken und feststellen, dass die Schrote trotz längerer Trockenheit auf natürliche Weise doch noch immer Wasser führt, dann haben sie (wir?) vielleicht vieles richtig gemacht.

Für mich bleibt die Frage: Wer braucht wen mehr? „Otto pflanzt!“ Intel? Oder Intel „Otto pflanzt!“?

Informationen zu „Otto pflanzt!“ e. V. und „Ottos grünem Klassenzimmer“ finden Sie unter www.ottopflanzt.de. Der Verein freut sich über ehrenamtliche Mithilfe.