Mittwoch, 31. Juli 2024

# 060 „Volksstimme"-Schlagzeilen mit Intel-Bezug im Juli 2024



  • Spekulationen ums Hochhaus - Die Ziolkowskistraße 22 steht seit über zehn Jahren leer, eine Sanierung wurde nie beendet.
  • Kommentar - Verspekuliert?
  • Räume für neue und alte Ideen - Im Werk West an der Liebknechtstraße zieht das Unternehmen „Flexbay“ ein. Es bietet in 15 verschiedenen Räumen Platz für Ateliers, Büros oder Werkstätten an, die flexibel gemietet und schnell wieder gekündigt werden können.
  • Grünes Licht für Intel-Start - Das Landesverwaltungsamt will vorzeitigen Beginn der Erdarbeiten für die beiden Magdeburger Chipfabriken in dieser Woche genehmigen.
  • Teure Ratschläge zu Hamstern und Fledermäusen - Linke-Politikerin Heiß kritisiert Landesverwaltung wegen zunehmender Auftragsvergaben an externe Dienstleister.
  • Kommentar – Gute Signale
  • Jetzt hat fast jeder seine eigene Messe - Serie „Otto ist Transformation“ (9): Jan Mielert, Geschäftsführender Gesellschafter der M3 Magdeburger Messebau und Marketing GmbH.
  • Digitale Lösungen immer wichtiger - Serie „Otto ist Transformation“ (10): Vorstandsvorsitzender Detlef Swieter über den Wandel in der Versicherungsbranche.
  • Mit einem kleinen Schalter in die große weite Welt - Serie „Otto ist Transformation“ (12): Unternehmer und IHK-Chef Klaus Olbricht über den Wandel von der Wende bis in die Gegenwart.
  • Intel darf mit Bodenarbeiten starten- Sachsen-Anhalt genehmigt vorzeitigen Beginn.
  • Mehr Wachen für den Rettungsdienst - Stadtrat segnet die Bedarfsplanung ab.
  • Debatte: Intel – Chancen und Aufgaben
  • Wandel auf Rezept - Serie „Otto ist Transformation“ (15): Wie die Magdeburger Apothekerin Claudia Meffert die Veränderungen in der Branche erlebt.
  • Neustart im Wandel mit 15 Kollegen - Serie „Otto ist Transformation“ (17): Henner Dörnenburg, Geschäftsführer der Ematik GmbH, erlebte die schwere Nachwendezeit in Magdeburg und die Privatisierung des einstigen Sket-Großkombinates mit.
  • Bühne frei für Komik und Kritik - Die freie Theatergruppe probt aktuell ihr neues Stück, das sich mit der Ansiedlung großer Hightech-Unternehmen in Ostdeutschland beschäftigt. Warum sie seit zehn Jahren keinen Eintritt für die Aufführungen nimmt.
  • Besiegelt: IGS kommt bis 2027 - Mehr als 70 Millionen Euro lässt sich die Stadt den Neubau am Universitätsplatz kosten.
  • Leserbrief - Diskussion um Standort für IGS-Neubau
  • Magdeburg auf großer Bühne
  • Maximum Wellbrock Schwimmen: Der 26-Jährige vom SCM reist als Olympiasieger zu den Sommerspielen nach Paris.
  • Fürsorge im Geist der Diakonie Serie „Otto ist Transformation“ (25): Ulrike Petermann und Michael Saffé, Vorstände der Pfeifferschen Stiftungen.
  • Am Hafen wird investiert - In Haldensleben werden Waren aus aller Welt umgeschlagen. Die Betreibergesellschaft will dort nun modernisieren – auch weil Intel nach Magdeburg kommt.
  • Forschung und Lehre am Puls der Zeit - Serie „Otto ist Transformation“ (26) Manuela Schwartz, Rektorin der Hochschule Magdeburg-Stendal.
  • Land der Geringverdiener - Sachsen-Anhalt schneidet bei Löhnen und Renten noch immer schlechter ab als andere. Die Landesregierung verweist auf strukturelle Gründe – und einen Trend zum Besseren.
  • Pizza Colombiana- Das Geschäft mit dem Tiefkühlgebäck gilt als krisensicher. Die beiden Werke in Osterweddingen und Burg sind hoch ausgelastet. Das größte Problem: der Fachkräftemangel. Abhilfe kommt jetzt aus Südamerika.
  • Müllheizkraftwerk macht kräftig Dampf - Serie „Otto ist Transformation“ (27): Rolf Oesterhoff, Geschäftsführer des Müllheizkraftwerkes Rothensee.
  • Kommentar - Polonaise im Rathaus
  • Was Magdeburg zur Energiewende noch fehlt - Serie „Otto ist Transformation“ (28): Andreas Fedorczuk, Technischer Geschäftsführer Städtische Werke Magdeburg.
  • City-Haus wird versteigert- Das Wohn- und Geschäftsgebäude Otto-von-Guericke-Straße 7-9 kommt bei einer Auktion unter den Hammer.
  • Im Gespräch: Sonja Pierer -  Der 1. FC Magdeburg hat die Intel-Deutschlandchefin Sonja Pierer (46)
  • in den Aufsichtsrat berufen.
  • Wohnungen: Magdeburg boomt - Warum die Landeshauptstadt immer attraktiver für Bau-Investoren wird.
  • Chance auf Südost-Umgehung - Verkehrsuntersuchung kann möglichen Neubau einer Straße abklären.
  • Neuer Schlupfwinkel kommt - Die marode Kita an der Victor-Jara-Straße soll abgerissen und durch einen modernen Neubau ersetzt werden.
  • Preis für bestes Marketing - Bewerbungen sind bis 9. August möglich.

Dienstag, 30. Juli 2024

# 059 Das Protokoll der „Intel-Anhörung“ vom 29. Mai.2024

... über Wasser, Abwasser, Klima-, Boden-, Arten- und Naturschutz, Energie und Immissionen.

Mir liegt seit Kurzem das ausführliche Protokoll des öffentlichen Erörterungstermins der Einwendungen gegen die erste Teilgenehmigung der Intel-Ansiedlung vom 29. Mai 2024 vor.

Genau gesagt: Es ging es um Einwendungen gegen den

„Antrag der Intel Magdeburg GmbH zur Errichtung einer Halbleiterfabrik zur Herstellung von elektronischen Bauelementen einschließlich Tests auf Basis von Siliziumtechnologien unter Einsatz von Substraten am Standort Magdeburg“

Parallel habe ich das 149-seitige Protokoll nur bei der „Deutschen Bodenkundlichen Gesellschaft - DBG“ über einen Download-Link entdeckt. Hier der Download-Link:  https://www2.dbges.de/assets/Aktuelles/Intel_Schwarzerde/Wortprotokoll-EOeT-29.-Mai-2024.pdf

Das Protokoll ist eine passende Ergänzung zu meinem Blogbeitrag über die gleiche Veranstaltung, siehe Aufwärtskompatibel? Neue Industriekultur in Magdeburg durch Intel?: # 055 Ja und Amen? Die Anhörung. (herbert-karl-von-beesten-intel-blog.blogspot.com)

Das Protokoll gibt recht genau die „Zwischentöne“ wieder und erinnert daran, dass noch manches endgültig geklärt werden muss, was mitunter als schon gegeben dargestellt wurde. Es wird auch deutlich, dass die Wassergewinnung für die Fabrik nicht Gegenstand des Genehmigungsverfahrens ist.

Wenn jemand Anmerkungen oder Hinweise zu dem Protokoll hat, gern per Mail an: Beesten@HerbertBeesten.de

Montag, 22. Juli 2024

# 058 Intel in Magdeburg - Chance oder Challenge? Eine Podiumsdiskussion

Wollen wir oder wollen wir nicht? - Eine Podiumsdiskussion

Am Dienstag, dem 9. Juli 2024, wurde diese Frage von einer Studentin und einem Studenten der Hochschule Magdeburg-Stendal in der gleichnamigen Veranstaltung an die Podiumsgäste gestellt. Die beiden Studierenden des Master-Studiengangs Journalismus versuchten, die vier Antwortgeber auf der Bühne in die Zange zu nehmen, von links und rechts.

Dort saßen, wie auf den Bildern zu sehen,

  • Jan Schumann, Korrespondent der Mitteldeutschen Zeitung,
  • Susanne Wiedemeyer, DGB-Landesleiterin Sachsen-Anhalt,
  • Mathias Grabow, Sozialkombinat Ost,
  • Dr. Jürgen Ude, Staatssekretär für Strukturwandel und Großansiedlungen in der Staatskanzlei des Landes Sachsen-Anhalt.

Der Saal war mit etwa 80 - 90 Personen bis auf den letzten Platz besetzt. Etwa die Hälfte des Publikums bestand aus jungen Menschen, wahrscheinlich Studierenden der Hochschule. Ich entdeckte auch ältere Teilnehmer und Teilnehmerinnen, die ich schon bei ähnlichen Veranstaltungen gesehen hatte. Neben Privatleuten auch Vertreter der (Wohnungs-)Wirtschaft, der Politik und der Hochschulen. Ich konnte noch in der letzten Reihe neben einem jungen Mann einen Sitzplatz ergattern.

Ein „Kreuzverhör“ wurde es auf der Bühne nicht. Eine Gruppe von Studierenden um die beiden Moderatoren hatte die Veranstaltung im Rahmen eines Seminars vorbereitet und die naheliegenden Fragen zusammengestellt. Anfangs etwas holprig, aber dann lockerer und spontaner werdend, nahm die Veranstaltung ihren Lauf. Viel sachlich Neues zur Intel-Ansiedlung war für mich nicht zu erfahren. Für den einen oder die andere mag aber auch Neues dabei gewesen sein.

Falsch war die Aussage der Moderatorin, dass die Chips zwei Nanometer groß wären. Dieses Maß betrifft die kleinsten Strukturen in den zukünftig in Magdeburg zu produzierenden Chips. Die Chips selbst sind „nackt“ und unverpackt einige Hundert Quadratmillimeter „groß“. Mehrere Quadratzentimeter groß in einem Chip-Gehäuse mit Anschlüssen, nachdem sie anschließend in Polen „verpackt“ worden sind.

Als richtig empfand ich die Besetzung des Podiums – nicht als so typisch wie bei vielen anderen Intel-Veranstaltungen. So wurden verschiedene Perspektiven auf das Projekt möglich. Intensiv wurden die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt diskutiert– speziell auch die Lage auf „Nebenschauplätzen“ des Fachkräftemangels, etwa in Schulen und Kitas. Dazu passte auch die Forderung nach „ordentlichen“ Tarifabschlüssen und angemessener Bezahlung, nicht nur für die Intel-Beschäftigten.

Auf dem Podium: Visionen, Befürchtungen, Fragen, Trost, Hoffnungen, Zweifel, Antworten und Widersprüche - in Stichworten

  • Schon wahrzunehmende Preissteigerungen im Wohnungs- und Immobilienmarkt.
  • Zu langsamer Ausbau der Nahverkehrs-Infrastruktur und überregionalen Verkehrsanbindungen, inklusive einer witzig gemeinten ICE-Anspielung.
  • Das Problem Arbeitsplätze kontra Fachkräftemangel kann man lösen. Aber wie?
  • Kommen die kleinen und mittelständischen Unternehmen „unter die Räder“?
  • Kann die Stadtplanung das Tempo mithalten?
  • Die neue Mobilitätsstudie mit Blick in die Zukunft soll am 19. September von der zuständigen Ministerin vorgestellt werden.
  • Die Frage nach den tatsächlichen Inhalten der bislang geheim gehaltenen Verträge mit Intel wurde nicht beantwortet.
  • Zieht Intel das in der jetzigen, unsicheren Marktsituation durch?
  • Könnten durch höhere Steuereinnahmen auch mehr Sozialleistungen ermöglicht werden? 
  • Das Gehaltsniveau steigt, Ostdeutschland ist nicht mehr abgehängt.
  • Willkommenskultur hat noch Luft nach oben.
  • Durch mehr Englischkenntnisse in der Bevölkerung ist auch mehr Öffnung möglich.
  • Intel soll bei Wasserverbrauch und Kommunikation kein Tesla 2.0 werden.
  • Blick nach Leipzig zeigt, was dort mit den Ansiedlungen von DHL, BMW und Porsche gelungen ist.
  • Bevölkerungszuwachs und Ausbau der Hochschul- und Institutslandschaft.
  • Das sind Probleme, die nicht an der Intel-Ansiedlung festgemacht werden dürfen, denn die gelten für ganz Deutschland.
  • Gefahr einer Zweiklassen-Ausländer-Gesellschaft.

Verständnisschwierigkeiten: Im Gespräch mit dem jungen Mann neben mir erfahre ich, dass er Ausländer ist und Maschinenbau an der Hochschule Magdeburg-Stendal studiert. In der Hochschule wurde viel Reklame für die Veranstaltung gemacht. Er findet das Thema sehr interessant. Aber die Tonqualität der Lautsprecheranlage ist schlecht, auf der Bühne wird obendrein oft undeutlich und sowieso zu schnell gesprochen. Obwohl mein Nachbar gut Deutsch spricht, kann er kaum folgen und ist etwas verärgert. Ich selbst kann auch nur mit Mühe folgen.   

Was sagt das Publikum?

Zum Ende der Veranstaltung wurde auch dem Publikum die Gelegenheit gegeben, Fragen an das Podium zu stellen. Dabei stand, wie zu erwarten, das Thema Wasser, Boden und Energie im Mittelpunkt. Der Staatssekretär verwies auf das Konzept – als wäre das alles schon endgültig – wie über die Elbe, den Mittellandkanal und die Ohre der nötige Nachschub für das zusätzlich beanspruchte Grundwasser in der Colbitz-Letzlinger Heide und somit für das Magdeburger Wasserwerk gewährleistet werden kann.

Ich erinnere mich an die Verhandlung der Einwände zur Teilgenehmigung der Intel-Ansiedlung vom 29. Mai 2024 in der Johanniskirche. Da wurde das vom Staatssekretär vorgestellte Wasserkonzept als noch nicht ausgereift diskutiert und bedurfte noch weiterer Untersuchungen und Genehmigungen. Eine der offenen Fragen war auch die noch nicht einschätzbare Beeinflussung des Feuchtgebietes und Biosphärenreservates Drömling. Siehe dazu auch- Aufwärtskompatibel? Neue Industriekultur in Magdeburg durch Intel?: # 055 Ja und Amen? Die Anhörung. (herbert-karl-von-beesten-intel-blog.blogspot.com)

Als die kritischen Stimmen sich mehrten und mit Applaus bedacht wurden, stellte der Staatssekretär die ultimative Frage, die etwa so klang: Wollen wir Intel oder wollen wir Intel nicht? Er versuchte, so einen Konsens im und mit dem Publikum herbeizuführen.

Konsens oder Konsent?

Dass man mit einem „Brechstangen-Konsens“ nicht immer gut fährt, war bereits Andrew Grove, einem der Intel-Gründer, bewusst. Er propagierte, als einer der ersten in der Wirtschaft, das Prinzip des Konsents. Es bedeutet, dass zwar eine Konsensentscheidung angestrebt werden soll, wenn es aber schwerwiegende Einwände gibt, darf man sich nicht einfach darüber hinwegsetzen. Wie man einen „Konsent“ in der Wirtschaft managt, hat Andrew Grove schon in den 70er-Jahren mit dem Prinzip „Disagree and commit”, also: „Nicht einverstanden sein und sich trotzdem verpflichten“ beschrieben. Das wurde und wird gewiss bei Intel gelebt, es gehört also gewissermaßen zur DNA von Intel. (Infos zum „Konsent“ findet man auch unter: https://digitaleneuordnung.de/blog/konsent/ )

Mit dem Konsent hat man in der Wirtschaft gute Erfahrungen gemacht, man findet ihn auch in der „Agilen Methode“ in der Software-Branche. Warum sollte das Prinzip nicht auch für die Politik bei der Durchsetzung der Intel-Ansiedlung gelten? Bei einem „erzwungenen“ Konsens – also entweder oder! Vogel, friss oder stirb! – besteht die Gefahr, dass die Politik früher oder später doch von den schwerwiegenden Einwänden eingeholt wird, obwohl man offiziell alle Genehmigungen durchgepaukt hat.

Andrew Grove hat noch andere verblüffende Überlegungen angestellt. Dazu ein Gastbeitrag hier im Blog: https://herbert-karl-von-beesten-intel-blog.blogspot.com/2023/12/25-ein-gastbeitrag-von-dr-franz-will.html

Am Ende

Der Student neben mir verabschiedete sich Mein Nachbar verabschiedete sich kurz vor Ende der Veranstaltung plötzlich mit einem bedauernden Kopfschütteln und deutete an, dass er wohl nicht viel verstanden habe. Schade, ich wollte ihn nach der Veranstaltung noch fragen, ob er sich vorstellen könnte, nach seinem Studium in Magdeburg eine Arbeit bei Intel oder den Zulieferern aufzunehmen. Diese Chance war dahin.

Die finale Frage: Chance oder Challenge? Die wurde abwechselnd  von der Moderatorin und dem Moderator an die vier auf der Bühne gestellt. Sie sollten sich für das eine oder andere entscheiden. Das Ergebnis: 3:1 für die Chance!

Mein Vorschlag: Die zukünftige Chance für Magdeburg durch die Intel-Ansiedlung ist auch zugleich eine große Challenge, also eine riesige Herausforderung. Das „oder“ sollte durch ein „und“ ersetzt werden: „Chance UND Herausforderung?“ So hätte die Antwort auf der Bühne 4:4 heißen können.

Weitere Herausforderungen:

Beim Verlassen des Forums Gestaltung fotografierte ich noch die Kleinbusse der gerade abrückenden Polizei auf der Brandenburger Straße. Wir hatten wohl Polizeischutz. Da sind meine Gedanken schon weiter bei der regionalen, deutschen und weltweiten Politik. Es ist derzeit vieles in Bewegung, was auch das Intel-Projekt betreffen kann. So wurde ich in den letzten Tagen von einem ausländischen Journalisten gefragt, ob ich nach den Europawahlen ein zunehmendes Zittern in Intel-Kreisen spüre, und zwar wegen der Möglichkeit einer AfD-Regierung in Sachsen-Anhalt. Um kompetent antworten zu können, bin ich zu weit von den „Intel-Kreisen“ entfernt, war meine Antwort. Ich glaube auch, dass man ein mögliches „Zittern“ unter der Decke halten würde.

Fakt ist, dass das endgültige „Go“ noch an viele Voraussetzungen gebunden ist. Nicht nur an die Freigabe der deutschen Subventionen in Brüssel, sondern auch von weiteren Genehmigungen zu den Themen Wasser, Boden sowie für den eigentlichen Betrieb der Intel-Gesamtanlage.

Als Unsicherheitsfaktor kommt ein weiterer Aspekt dazu: Die Pläne des US-Präsidentschaftskandidaten Donald Trump zu neuen Einfuhrzöllen, Steuererleichterungen für Unternehmen, zur Taiwan-Politik sowie seine extreme „America first“-Ideologie. So kann ich mir vorstellen, dass Intel die Landtagswahlen im Herbst abwartet sowie die Präsidentschaftswahlen im November, dann möglicherweise die Ansiedlung in Magdeburg noch einmal durchrechnet, um dann mit der Methode „Disagree and commit” zu entscheiden.

Dazu titelt das „Handelsblatt“ in Newsletter vom 18.7.24: „Down dank Donald: Trump-Äußerung lässt Chip-Kurse einbrechen.“ Siehe auch den Artikel: ASML, Nvidia, TSMC, AMD: Aktienkurse der Chiphersteller brechen ein (handelsblatt.com). Allerdings kommt die Intel-Aktie dabei gegen den Trend gut weg, weil Intel eigene Chipfabriken auch in den USA hat. Zu positive Intel-Einschätzungen verhindern dagegen Probleme im Alltagsgeschäft mit Intel-Prozessoren https://www.ntg24.de/Intel-Totalausfall-18072024-AGD-Aktien

Wie wird wohl die Kritik und die Auswertung der Seminargruppe aussehen, die die Veranstaltung vorbereitet und durchgeführt hat? Ob sie meiner Einschätzung folgen?

Noch zwei interessante Podcast-Links:

Wasser und Intel: https://www.deutschlandfunk.de/130-liter-4-6-wie-intel-mit-wasser-versorgt-werden-soll-dlf-7340224b-100.html

PFAS (auch bei der Halbleiterproduktion verwendet) PFAS im Rhein - Wie Chemikalien Wasser für immer verschmutzen (deutschlandfunk.de)

Freitag, 5. Juli 2024

# 057 Im Grabungs- und Spannungsfeld zwischen Archäologie & Transformation ‒ Eine Selbstvergewisserung

„Funde vom Intelgelände werden gezeigt“, hieß es am Montag, dem 24. Juni 2024 in der Magdeburger „Volksstimme“. Nur eine einspaltige Randnotiz ohne Bild wies auf die Veranstaltung am nächsten Nachmittag hin.

Für mich ein Pflichttermin. Ich konnte meine Teilnahme an diesem heißen Sommertag kurzfristig einrichten.

Es war eine gelungene und sehr gut besuchte Veranstaltung im angenehm kühlen Kaiser-Otto-Saal des Magdeburger Kulturhistorischen Museums.

Ein Vertreter des städtischen Wirtschaftsdezernats eröffnete kurz und bündig, danach folgte ein lockerer und erfrischender Vortrag von einer Stunde Dauer, gehalten von der zuständigen Abteilungsleiterin vom Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt. Sie verstand es, ihre Begeisterung über die Grabungsergebnisse auf dem Eulenberg, dem zukünftigen Ansiedlungsgebiet von Intel, zu vermitteln und mich und andere Besucher und Besucherinnen damit „anzustecken“.

Ich war einer der mehr als hundert, meist älteren Zuhörer und Zuhörerinnen im Publikum, die den spannenden Ausführungen, ergänzt durch Bilder von den Fundstücken im „Intel-Acker“, folgten.

 

Worum geht es mir nicht?  Selbstvergewisserung I

Nicht um die Wiedergabe der erstaunlichen Ergebnisse und die wertvollen Funde. Immerhin kam hier ein in Europa sehr seltenes Ensemble von mehreren Gräbern, einem Prozessionsweg und zwei künstlichen Hügeln (der letzten 5000 Jahre!) wieder ans Tageslicht. Spuren aus verschiedenen Epochen der frühen Besiedlung unseres Landes.

Über die Funde wird es noch ausführliche Darlegungen und auch Ausstellungen geben. In der „Volksstimme“ wurde schon am Tag nach dem Vortrag im überregionalen Mantelteil „Kultur und Leben“ unter der Schlagzeile „Die Rinder vom Intel-Acker“ von der Toten- und Grabkultur unserer Vorfahren aus dem Vorderorient berichtet.

Ich habe mich im Blog-Beitrag schon Anfang 2023 in gewiss laienhaften archäologischen Betrachtungen versucht. (Aufwärtskompatibel? Neue Industriekultur in Magdeburg durch Intel?: # 001 Archäologie vom Ende zum Anfang – Januar 2023 (herbert-karl-von-beesten-intel-blog.blogspot.com) Alles andere sei nun den Fachleuten überlassen.

 

Worum geht es mir?  Selbstvergewisserung II

Warum ist die Museumsveranstaltung zu den „Intel-Funden“ auf wesentlich größeres Interesse bei den Magdeburgern und Magdeburgerinnen gestoßen, im Vergleich zu zwei anderen Veranstaltungsformaten zum Thema Intel, obwohl dafür viel mehr Werbung gemacht wurde?

Der Kaiser-Otto-Saal füllt sich 

Werbung für andere Formate
Ich denke an meine regelmäßigen Blog-Lesungen und Gespräche zur Intel-Ansiedlung (auch mit Beteiligung von Fachleuten) in der Magdeburger Stadtbibliothek. Wenn das Thema dort mehr als 30 Zuhörer und Zuhörerinnen anlockte, war ich schon froh. Dabei ging es auch um heiße Themen, wie Chip-Technologie, Boden- und Wasserverbrauch. Auch die Resonanz auf eine der Veranstaltungen in dieser Reihe „Was hat Literatur mit Transformation zu tun?“, blieb trotz des bibliophilen Veranstaltungsortes recht bescheiden.

Das zweite Beispiel: Ende Mai 2024 gab es in der Magdeburger Johanniskirche die öffentliche Anhörung zu den Einwendungen im Rahmen des Genehmigungsverfahrens der ersten Teilgenehmigung zur Errichtung der Intel-Chipfabrik. Selbst dort waren im Vergleich zur Museumsveranstaltung weniger „Normalbürger“ im Publikum, wenn man die dienstlichen Vertreter der Verwaltungen und der Politik im Publikum nicht berücksichtigt. (Aufwärtskompatibel? Neue Industriekultur in Magdeburg durch Intel?: # 055 Ja und Amen? Die Anhörung. (herbert-karl-von-beesten-intel-blog.blogspot.com)

 

Erklärungsversuche

Das Thema „Intel“ rückte im Museum in den Hintergrund. Das Interesse des Publikums lag überwiegend im Bereich der Archäologie. Und ich habe mich auch dabei erwischt: Die heutigen Fragen zum Intel-Areal wurden vergessen, und ich verlor mich in Fantasien, was da vor 5000 Jahren wohl stattgefunden haben könnte.

Die Thesen der Steinzeitexpertin könnten dazu verleiten, sich von gegenwärtigen Unsicherheiten, Problemen und möglichen Überforderungen ablenken zu lassen. Erkenntnisse und Spekulationen, was sich dort in grauer Vorzeit abgespielt haben könnte, bringen einen nicht in die Gefahr, sein Selbst- und Weltbild korrigieren zu müssen.

Zukünftige Folgen von KI-Anwendungen, Klimawandel, Energie-, Wirtschafts- und Sozialpolitik haben auch mit der Magdeburger Intel-Ansiedlung zu tun. Es ist aber anstrengend, sich mit den Themen auseinandersetzen, zu recherchieren, Veranstaltungen zu besuchen und zu diskutieren. Trotzdem sind viele Magdeburger skeptisch, weil aus ihrer Sicht die Folgen der Intel-Ansiedlung nicht nur positiv sein können. Ein Widerspruch!

Vielleicht deshalb lieber sechstausend Jahre zurück, anstatt 50 Jahre vorausschauen? Aber was sind schon 50 Jahre, wenn man zum Beispiel an die Ewigkeits-Chemikalien oder andere Altlasten denkt? Hätten die Steinzeitmenschen diese damals auf dem Eulenberg schon hinterlassen, könnten die Archäologen sie auch heute noch finden.

Interessiert die Transformation zu Zeiten des Neolithikums, also der Wandel des Menschen vom Jäger und Sammler zum sesshaften Bauern, mehr als die Veränderung im Hier und Jetzt? Müsste es nicht viel reizvoller sein, sich mit den Umständen der Gegenwart zu beschäftigen, dabei zu sein und die Möglichkeiten zu nutzen, sie mitzugestalten?

Im Moment läuft gerade die Fußball-Europameisterschaft in Deutschland. Da schaut man sich doch auch lieber das gerade laufende Spiel live an und flüchtet nicht aus der Realwelt, indem man sich stattdessen eine Aufzeichnung eines alten Spiels ansieht. Obwohl: Regionalfernsehkanäle wärmen ständig Fußballereignisse von vor 50 Jahren auf. Publikum gibt es auch dafür.

 

Eskapismus

Lässt sich die ausführliche Beschäftigung mit der Archäologie auch mit Eskapismus erklären? Heraus aus der komplizierten und ambivalenten Jetztwelt, rein in die aufbereitete museale Vergangenheit. Bot die Teilnahme an der Veranstaltung im Kaiser-Otto-Saal nicht nur die Chance, vor der Hitze des Tages zu flüchten?

Ich wünschte mir größeres Interesse und die Beschäftigung der Magdeburger mit der Intel-Ansiedlung. Warum ist es noch nicht zu spüren? Drei Thesen:

  • Man verlässt sich auf die Heilsversprechungen der Politik und Technologie-Protagonisten, die verheißen, dass mit der sich immer weiterentwickelnden Technik alle Probleme gelöst werden, die Welt dadurch besser und gerechter wird.
  • Es könnte Resignation im Spiel sein: „Andere“ kümmern sich schon, man hat ja wie auf anderen Feldern der Politik letztlich keinen Einfluss, scheinbar sind schon alle Weichen gestellt. Der Eindruck wird vielleicht verstärkt durch mehr als 700 „Volksstimme“-Artikel mit Intel-Bezug, die zwischen vom Januar 2023 bis zum Juni 2024 erschienen sind. Ein Teil der Schlagzeilen suggeriert, dass eigentlich alles „in trockenen Tüchern“ sei. Und wer nicht aufmerksam weiterliest, bei dem müsste sich ein Gefühl entwickeln, dass alles schon „gelaufen“ ist.
  • Transformation „zu machen“ – das ist das Berufsfeld von führenden Frauen und Männern aus der Magdeburger Wirtschaft und Wissenschaft. Technische und gesellschaftliche Transformation „passiert einfach“. Das ist nachzulesen in der aktuellen 30-teiligen, täglich erscheinenden Artikelserie „Otto ist Transformation“ in der „Volksstimme“, initiiert von „Pro M Stadtmarketing“. In der Regel wird dort von den „Transformationsprofis“ durchweg die „Intel-Ansiedlung“ positiv im Kontext mit den zu erwartenden Veränderungen betrachtet. 

Lebt das Transformations-Pferd im Museum?

Aber vielleicht sind meine Thesen nur Futterneid, weil meine Veranstaltungen zum Intel-Thema nicht so stark frequentiert werden? Sollte ich nicht mehr „das tote Pferd reiten“? Oder: Kommt da, wenn nun die ersten Weichen gestellt sind, erst recht etwas Gewaltiges mit noch nicht abzuschätzenden Folgen – seien sie positiv oder negativ – auf Magdeburg zu, die ich dennnoch thematisieren sollte?

Die nächste Transformation ist immer die schwierigste. Ich gestehe: Beim Public-Viewing neulich, nach dem 2:0 Sieg im Achtelfinale, umschlungen vom schwarz-rot-goldenen Meer, hat es mich auch erwischt. Ich war weit weg von meinem Thema Transformation: Ein temporärer Eskapist bin ich auch.

 

Transformation und Eskapismus – Ein Paar mit Zukunft?

Ich habe, ähnlich wie die Archäologin bei ihrem Vortag im Museum, in meinem o. g. Blogbeitrag vom Januar 2023 auch darüber spekuliert, was die Archäologen in tausend oder zweitausend Jahren auf dem heutigen Intel-Acker am Eulenberg noch finden könnten. Man tappt dann vielleicht im Dunkeln, weil durch die Verluste der elektronischen Dokumentationen – das Schicksal droht auch diesem Blog – nicht auf physische Dokumente für Erklärungen zurückgegriffen werden kann. Man wird sich womöglich fragen. Was bedeutet der seltsame, komplizierte Kult-Gegenstand? Was diese langen Säulenreihen? Heute wissen wir (noch), dass es die komplexe Lithographie-Maschine ist und die Säulen die Stützpfeiler im Reinraum der Chip-Fab.

Südlich von hier, in Halle an der Saale soll in den nächsten Jahren das „Zukunftszentrums für Deutsche Einheit und Europäische Transformation“ entstehen. Vielleicht sollte dort eine Abteilung über die Spielarten des „Transformations-Eskapismus“ eingerichtet werden.