Aus der Ruhe kommt die Kraft für die Bewegung
Winterruhe. Ich besuche wie vor einem Jahr (Aufwärtskompatibel? Neue Industriekultur in Magdeburg durch Intel?: # 001 Archäologie vom Ende zum Anfang – Januar 2023 (herbert-karl-von-beesten-intel-blog.blogspot.com) den Intel-Acker, den diesmal der Frost fest im Griff hat. Die Natur, scheinbar im Stillstand, wirkt in dieser Starre noch geduldiger als im milden Januar 2023. Das Gelände entere ich nicht, halte mich an das Verbotsschild: Betreten verboten! Damals markierte es noch nicht die Grenze zu dem Stück Land, das jetzt „High-Tech-Park“ oder kurz HTP werden soll, nicht mehr namens- und abkürzungslos. Eine Abkürzung, quer über das Gelände zur anderen Seite, ist mir, anders als im letzten Sommer, verwehrt. Bei dem jetzigen Feldzustand bleibe ich für mich bei der Bezeichnung „Intel-Acker“, muss doch noch an vielen anderen Stellen geackert werden, damit es zum Eldorado wird, zu einem der Technologie.
Fruchtfolge: Zuckerrüben, Kartoffeln, Zwischenfrucht, Hightech
Um später vergleichen zu können, fotografiere ich wie vor einem Jahr den Weg, der in dieses Gebiet führt.Kaum wiederzuerkennen. Die Sträucher rechts und links des Weges unfrisiert, strubbliger, aber noch da. Der Weg zerfurcht, die Betonplatten im gefrorenen Matsch unter Schneeresten kaum auszumachen. Über ihn muss unterdessen einiges hinweggegangen sein.
Auf dem Acker hat der Frost in Kumpanei mit dem Schnee die Zwischenfrucht
‒
die im Herbst eingesät wurde, um dort eine kontrollierte Vegetation ohne
Unkräuter zu schaffen ‒ zum Wegducken und Einknicken gezwungen. Nur an den
Rändern des Ackers ist der Boden schwarzgezogen, breite Streifen ohne
Vegetation, eine triste Zwischenzone, damit neue Populationen des Feldhamsters
den Intel-Acker nicht besiedeln. Die sollen sich lieber nach außerhalb
orientieren. Andernfalls könnten wieder Aussiedlungsmaßnahmen für sie notwendig
werden, die vor allem Zeit kosten würden.
Mitten auf dem Acker entdecke ich zwei flüchtende Rehe, die, leichtfüßig über die Zwischenzone hinweg, das Privileg haben, die Kernzone doch zu betreten.
Ein stiller Ort, der im Wandel ruht, während die
Transformation im Verborgenen zum Schwung ausholt.
Bodenhaftung
Warum ich immer wieder der Bördeboden-Nostalgie fröne? Wegen
meiner Bodenhaftung. Über die Baustelle, die Errichtungsarbeiten, Arbeitsplätze
und den Produktionsfortschritt kann ich noch Jahre berichten. Hier, mit beiden Beinen
auf dem Ackerboden, spüre ich etwas von der emotionalen Verbundenheit der
Magdeburger mit „ihrem“ Bördeboden. Oder will ich als Zugezogener bei den
„gelernten Magdeburgern“ Sympathiepunkte sammeln? Sollte ich für sie eine Art neuer
Atlantis-Geschichte schreiben ‒ die vom versunkenen Zuckerrübenland?
Oder sind das schon die Girlanden für die Abschiedsfeier? Im
Sucher des Teleobjektivs finde ich die zentrale Baubude von damals, auch sie einsam
und verlassen. Nur der leichte Wind umschmeichelt die STRABAG-Fahne, die
lautlos, zögernd, unwillig fast, mitspielt. Ist ja sonst nichts los.
Spur - Kreuzung – Begegnung - Bewegung
Verschneit und zugefroren die hin- und hergeschwungene Traktorspur
im Boden der Zwischenzone. Richtung Osten, hinter der Autobahn mit immer
rauschender Bewegung, zeigt mir die Dämmerung an, dass sich der Wintertag leise
wegschleichen wird.
Auf dem Rückweg muss ich mich an einer Kreuzung entschließen:
Wanzleben links, Magdeburg geradeaus oder nach Osterweddingen ‒ das
gehört zur Samtgemeinde Sülzetal ‒ rechts. Ich muss mich für eine Richtung
entscheiden und mir fällt auf: Diese drei Orte auf einem Schild. Als Bewegung
aufeinander zu? Es geht doch.
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